Hollywood in Flammen
Unser Zeitalter wird oft als Anthropozän bezeichnet. In Los Angeles aber ist längst die nächste Epoche angebrochen: das Pyrozän. Wie kann der Mensch sich in der Stadt mit dem Feuer arrangieren?
Text: Pyne, Stephen Queen Creek, Arizona, USA
Hollywood in Flammen
Unser Zeitalter wird oft als Anthropozän bezeichnet. In Los Angeles aber ist längst die nächste Epoche angebrochen: das Pyrozän. Wie kann der Mensch sich in der Stadt mit dem Feuer arrangieren?
Text: Pyne, Stephen Queen Creek, Arizona, USA
Nicht genug damit, dass Los Angeles im Schatten der größten geologischen Verwerfung Nordamerikas liegt, dass sein mediterranes Klima Dürreperioden zur Regel und Klimamittelwerte bedeutungslos macht, dass die umliegenden Berge Gerölllawinen ins Tal schicken, Föhnwinde auf die Stadt lenken, verschmutzte Luft speichern und jede laute Umweltklage der Bewohnerschaft mit einem schallenden Echo beantworten – zu Los Angeles gehört auch Hollywood. Und das bedeutet, dass ein unverhältnismäßig großer Teil der Katastrophenfilme auf den Freiflächen Hollywoods gedreht wird. Los Angeles ist, wie sein berühmtester Kritiker Mike Davis sagt, „die Stadt, die wir gerne zerstören“ 1. Alles in allem ist es eine metastabile Mischung aus einer außergewöhnlichen Landschaft und einer apokalyptischen Fantasie, für die Entflammbarkeit nicht nur eine Metapher ist. Das berühmte Los Angeles Noir ist schwarz vor Ruß.
Alle markanten Merkmale von Los Angeles tragen zu Bränden oder den Kollateralschäden bei, die durch Flammen verursacht werden. Das mediterrane Klima ist ideal für die Entstehung von Brennmaterial. In den feuchten Wintern wachsen Pflanzen, die in den langen trockenen Sommern zu leicht entflammbarem Zunder gedörrt werden, und obendrein kommen zu diesem jährlichen Zyklus immer wieder Dürreperioden. Die sich daraus ergebenden Buschlandschaften, die durch Sonne und Trockenheit verhärtet sind, wachsen auf eine Weise, die Brände geradezu begünstigt, und dabei sind viele Pflanzen in dieser Mischung auf Feuer angewiesen, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger feuerresistenten Arten zu verschaffen. Die steilen Berge treiben die Flammen die Hänge hinauf, und im Herbst sorgen die Föhnwinde für eruptive Ausbrüche, die die Flammen die Hänge hinunter treiben. Und da Funken den Menschen folgen wie Fruchtfliegen, gibt es viele mögliche Zündquellen.
Die Brände sind erst der Anfang. Regen im Winter kann die verbrannten Hänge in eine Masse aus Schlamm, Asche und Gesteinsbrocken verwandeln, die wie Wildwasser durch die Schluchten stürzt. In anderen Teilen Kaliforniens haben Brände Versorgungsunternehmen in den Ruin getrieben, Manager wurden strafrechtlich verfolgt, und bei starkem Wind mussten Stromleitungen abgeschaltet werden. Obwohl Wind und Wasser um ein Vielfaches höhere Schäden verursachen als Wind und Feuer, weigern sich einige Versicherungsgesellschaften, neue Policen abzuschließen oder bestehende zu verlängern, weil ihnen das Risiko zu hoch erscheint.
Erstaunlich ist nicht, dass Los Angeles brennt, sondern dass weite Teile der Stadtentwicklung die Brandgefahr eher verstärkt als eingedämmt haben. Jahrzehntelang hat die Vorliebe für Holzbauten mit Dächern aus gespaltenen Schindeln die Brandanfälligkeit der Häuser maximiert. Öffentliche Wälder und Parks bedeuteten nicht nur, dass naturnahe Landschaften nicht durch die Umwandlung von Busch- in Bauland der Brandgefahr entgegenwirkten, sondern auch, dass das Problem durch neue Bebauung in unberührte Gebiete getragen wurde. Vorstädte wurden an Hängen, auf Schwemmkegeln und in der Nähe von nachwachsenden Feuerquellen gebaut. Es war, als hätte die Peripherie der Stadt die Eigenschaften des Buschlands angenommen: Das Feuer wurde begünstigt, es brannte, es wuchs nach.
Durch die unglückliche Vermischung von bebauter und natürlicher Landschaft war der Brandschutz von vornherein mangelhaft. Städte wollen keine Brände, doch viele ländliche Gebiete brauchen Feuer, und wenn kleine Brände unterdrückt werden, schafft das unverbrannte Material Raum für Monster. Jeder gelöschte Brand in einer Stadt ist ein gelöstes Problem, aber viele gelöschte Waldbrände sind aufgeschobene Probleme. Städtische Feuerwehren sind in der Wildnis nicht effektiv, und Feuerwehren, die in der Wildnis Brände bekämpfen, sind in der Stadt hilflos. Südkalifornien ist einer der wenigen Orte, an denen von einer einzigen Einrichtung erwartet wird, dass sie in beiden Umgebungen gleich gut funktioniert. Die beiden Feuerwehren haben fast nichts gemeinsam, außer dass sie beide zwischen dem Hammer der feurigen Winde und dem Amboss des städtischen Lebens stehen und die Schläge abwehren müssen.
Südkalifornien verfügt über die leistungsfähigsten Feuerwehren der Welt, doch unter den schlimmsten Bedingungen – die durch die globale Erwärmung noch verschärft und vervielfacht werden – sind sie den Flammen hilflos ausgeliefert. Am selben Tag, an dem der Waldbrand Camp Fire 2018 die Stadt Paradise in Nordkalifornien in Schutt und Asche legte, breitete sich der Waldbrand Woolsey Fire in Südkalifornien auf eine Fläche von 39.234 Hektar aus, zerstörte 1643 Gebäude, tötete drei Menschen und zwang 295.000 Menschen zur Evakuierung. Mehr Löschfahrzeuge, mehr Flugzeuge, mehr Einsatzkräfte – nichts hätte den Vormarsch der Brände aufhalten können. Was früher undenkbar war, nämlich ein Flächenbrand in einer Stadt, ist wieder Realität geworden. Es ist wie die Rückkehr von Polio oder der Pest – ein Szenario, das sich liest wie das Drehbuch eines schlechten Hollywood-Films.
Doch die Reformen schreiten stetig voran. Für ländliche Gebiete wurden Brandgefahrenkarten erstellt. Die Feuerwehren haben Institutionen geschaffen, um im Kampf gegen verheerende Brände besser zusammenzuarbeiten, und suchen nach Möglichkeiten, wieder kontrollierte Brände einzuführen. Landschaftsarchitekturbüros entwickeln Konzepte, die nicht nur den Brandschutz verbessern, sondern auch ökologische Vorteile und Erholungsmöglichkeiten bieten sollen.
Die wirksamsten Reformen müssen jedoch auf die gebaute Umwelt abzielen. Im Grunde wurde das Problem von Anfang an falsch definiert: Es wurde als ein Problem von Busch- und Waldbränden dargestellt, die durch Häuser erschwert werden, während es besser als ein Problem von Stadtbränden verstanden werden sollte, die durch eine unangemessene Landschaftsgestaltung erschwert werden. Ein erfolgreicher Schutz wird von der Rückkehr zu den Praktiken abhängen, mit denen die Stadtbrände zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingedämmt wurden, wenn auch in modernerer Form. Es wurden bereits Musterbauvorschriften für die Verstärkung von Gebäuden gegen Glut und Flammen entwickelt, und neue Baumaterialien werden gefördert. Neuere Siedlungen sind in der Regel weniger brandgefährdet als ältere.
Das ist immerhin ein Anfang. Aber eine städtische Brandschutzlandschaft, die sowohl lebenswert als auch brandsicher ist, erfordert mehr Engagement von Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, wenn sie erfolgreich sein soll. Man sagt, Kalifornien sei wie der Rest Amerikas, nur extremer. Inzwischen ist Kalifornien mehr und mehr wie der Rest der modernen Welt, nur noch extremer. Flächenbrände sind zu einer Art Krankheit der Industrieländer geworden. Als Ursache wird in Amerika meist die Besiedlung brandgefährdeter Landschaften durch den Menschen genannt, in Europa die Abwanderung aus brandgefährdeten Gebieten. Die gemeinsame Grundlage liegt in der eigentümlichen Art und Weise, wie die Moderne, insbesondere durch fossile Brennstoffe, das Leben der Menschen geprägt hat. Feuer synthetisiert seine Umwelt. Die Moderne treibt Megabrände an wie die Erwärmung der Ozeane Hurrikane.
Durch die Feuerpraktiken der Menschheit – sowohl das Abbrennen lebendiger Landschaften als auch das Verbrennen fossiler Brennstoffe (Steinlandschaften) – erlebt die Erde das feuergeprägte Äquivalent einer Eiszeit. Viele Jahrzehnte lang hieß es, Los Angeles müsse lernen, mit dem Feuer zu leben. Das reicht nicht mehr: Wir müssen mit einem Zeitalter des Feuers leben. Einige Orte, einige Städte – Los Angeles voran – erreichen diesen Punkt schneller als andere. Sie definieren die Grenzen unserer Feuerzukunft. Sie sind die Tore zum Pyrozän.
1 Mike Davis, Ecology of Fear: Los Angeles and the Imagination of Disaster (New York: Henry Holt and Co, 1998), Seite 278
2 Joan Didion, Slouching Toward Bethlehem (New York: Farrar, Straus, Giroux, 1968), Seite 229
2 Joan Didion, Slouching Toward Bethlehem (New York: Farrar, Straus, Giroux, 1968), Seite 229
Übersetzung aus dem Englischen: Beate Staib
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