BahnHofladen Rottenbach
Einer Landgemeinde fehlen Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten – von Kultur ganz zu schweigen. Aber sie hat einen Bahnhof, und den macht sie salonfähig: so geschehen im thüringischen Rottenbach.
Text: Lülfsmann, Ina, Berlin
BahnHofladen Rottenbach
Einer Landgemeinde fehlen Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten – von Kultur ganz zu schweigen. Aber sie hat einen Bahnhof, und den macht sie salonfähig: so geschehen im thüringischen Rottenbach.
Text: Lülfsmann, Ina, Berlin
Der kleine Ort Rottenbach liegt 40 km südlich von Erfurt, beinahe in der Mitte von Deutschland. Der Ortsteil des 7000-Einwohner-Städtchens Königsee ist zwar einerseits ein kleiner Verkehrsknoten der Eisenbahn und Standort des „Hauptbahnhofs“ von Königsee, andererseits, wie viele Kleinstädte, mit dem Wegfall von Einkaufs- und sozialen Begegnungsmöglichkeiten konfrontiert. Als Umsteigepunkt für Fahrgäste zur Oberweißbacher Bergbahn wird Rottenbach auch als Tor ins südlich gelegene Naturschutz- und Wandergebiet Schwarzatal bezeichnet.
Diesem Namen machte der Ort allerdings keine große Ehre – mit einem leerstehenden Bahnhofsgebäude, fehlender Gastronomie und Einzelhandel, wo sich Reisende für die Fahrt in die Natur hätten stärken und ausstatten können. Einige Bewohner waren mit dieser Situation so unzufrieden, dass sie 2015 eine Genossenschaft gründeten, die sich zum Ziel setzte, einen neuen Dorfmittelpunkt zu entwickeln. Es sollte ein Ort entstehen, der die Rottenbacher mit regionalen Lebensmitteln versorgt, gleichzeitig Café und Treffpunkt ist und dem „Tor ins Schwarzatal“ wieder eine Berechtigung verschafft. Das leerstehende Bahnhofsgebäude, zu schade um es dem Verfall zu überlassen, schien perfekt geeignet. Die IBA Thüringen mit dem Thema „StadtLand“ unterstützte das Vorhaben. Es wurde zu einem umfangreichen Projekt, bestehend aus Eingriffen im Außenraum, in die Bahnhofshülle und einer Neugestaltung des Bahnhofsinnenraums. Damit passte es zur Kategorie „SelbstLand aufbauen“ und zum IBA-Vorhaben: „Resilientes Schwarzatal“, das die Landschaft der Wanderregion wieder erlebbarer machen will, um die lokale Wirtschaft zu stärken. Denn die Versorgungssituation im Schwarzatal – einer Region, deren Wirtschaft zu einem großen Teil vom Tourismus abhängt – ist allgemein problematisch. Viele Familienbetriebe finden keine Nachfolger. Somit ist der BahnHofladen auch für die Region von übergeordneter Bedeutung.
Ein vorgeschalteter Studierendenwettbewerb der Bauhaus-Universität Weimar und der HTWK Leipzig im Wintersemester 2016/17 lieferte erste Konzeptideen für den Innenraum des BahnHofladens. Das Büro K²L Architekten aus Leipzig übernahm die Wettbewerbsergebnisse, passte sie an die Gegebenheiten an und setzte den Entwurf schließlich bis Juli 2019 um. Unterstützt wurden sie dabei vom Architektur- und Ingenieurbüro Lindig Herbst Lichtenheld aus Rudolstadt. Der neue Innenraum besitzt bodentiefe Fenster und ordnet sich einem Symmetriesystem unter, aus dem auch die eigens für den Bahnhof entworfene Möbelfamilie hervorgeht. Die denkmalgerechte Sanierung der Gebäudehülle mit schieferverkleide-ter Fassade erfolgte bereits 2017 durch das Baubüro Lehniger aus Gotha.
Um das Projekt zu vervollständigen, wurde auch die Bushaltestelle funktional und gestalterisch verbessert: Sie befindet sich nun nicht mehr an der nahegelegenen Bundesstraße, sondern direkt vor dem Bahnhofsgebäude. Für die Gestaltung des Vorplatzes hatte die IBA schon 2015 eine Ideenstudie organisiert. Atelier le balto aus Berlin konnte mit seinem Entwurf aus halbkreisförmigen Landschaftsinseln, die in die Wendeschleifen der Busse integriert sind, überzeugen. Die Grünflächen, mit ortstypischen Staketenzäunen umgrenzt, wirken wie traditionelle Bauerngärten in Thüringen. Für Autos ist eine Park-and-ride-Anlage am Rand des Geländes vorgesehen.
So kommen nun seit einem Jahr Pendler und Schüler in den Laden, um sich Kaffee für die Zugfahrt zu holen, Bewohner des Dorfes zum Einkaufen und Plaudern, Handwerker oder Touristen zum täglichen Mittagstisch – und Rottenbach hat wieder eine Ortsmitte. Um den Betrieb auch langfristig zu erhalten und nachhaltig regionale Wertschöpfungsketten zu unterstützen, berät eine Expertin für die Vermarktung von Bio- und Regionalprodukten die Genossenschaft in Fragen der Sortimentsbildung, Lieferketten und Vertriebskonzepte, finanziell unterstützt durch die IBA.
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