Kritik zum Stadtschloss Berlin
Für all jene, die diesen Ort in Berlins Mitte nicht aus eigener Anschauung kennen, sei in Erinnerung gerufen: Auf dem großen Areal stand zu Baubeginn 2012 nichts mehr. Das Humboldt Forum „im Schloss“ oder „in der Gestalt des Schlosses“ wurde in allen Teilen neu errichtet. Wir begeben uns also in einen kompletten Neubau. Nicht noch einmal thematisiert werden soll hier dessen politisch wie baulich komplexe und sonderbare Entstehungsgeschiche. Wir widmen uns dem Ergebnis.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
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Stadtschloss Berlin: Front zum Lustgarten und zum Alten Museum mit den Portalen IV (Karl-Liebknecht-Portal) und V.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Stadtschloss Berlin: Front zum Lustgarten und zum Alten Museum mit den Portalen IV (Karl-Liebknecht-Portal) und V.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Am 29. Mai wurde die Kuppel-Laterne mit Engeln, goldenen Palmetten, Reichsapfel (mit Spender-Widmung) und Kreuz zusammengebaut und aufgesetzt.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Am 29. Mai wurde die Kuppel-Laterne mit Engeln, goldenen Palmetten, Reichsapfel (mit Spender-Widmung) und Kreuz zusammengebaut und aufgesetzt.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Stella-Ostflügel und das angefügte Schloss-Rondell. Gegenüber der Marstall.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Stella-Ostflügel und das angefügte Schloss-Rondell. Gegenüber der Marstall.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Das Große Foyer des Stadtschlosses im Raster Franco Stellas. Der Infomast von Holzer Kobler wird vom Architekten und den Schlossfreunden äußerst kritisch gesehen.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Das Große Foyer des Stadtschlosses im Raster Franco Stellas. Der Infomast von Holzer Kobler wird vom Architekten und den Schlossfreunden äußerst kritisch gesehen.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Nach dem Großen Foyer schließt die Treppenhalle mit den Rolltreppen zu den Museen an. Das Kunstwerk „Statue of Limitations“ ist vom Ai-Weiwei-Schüler Kang Sunkoo.
Foto: SHF/Stephan Falk
Nach dem Großen Foyer schließt die Treppenhalle mit den Rolltreppen zu den Museen an. Das Kunstwerk „Statue of Limitations“ ist vom Ai-Weiwei-Schüler Kang Sunkoo.
Foto: SHF/Stephan Falk
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Alle Fenster öffnen sich zur Stella-Passage. Der öffentliche Weg durchquert das Humboldt Forum.
Foto: SHF/Stephan Falk
Alle Fenster öffnen sich zur Stella-Passage. Der öffentliche Weg durchquert das Humboldt Forum.
Foto: SHF/Stephan Falk
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Im Schlüterhof wurden drei Fassaden rekonstruiert. Die vierte Fassade von Franco Stella überzeugt weder in ihrer Komposition noch mit den Anschlüssen.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Im Schlüterhof wurden drei Fassaden rekonstruiert. Die vierte Fassade von Franco Stella überzeugt weder in ihrer Komposition noch mit den Anschlüssen.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Das Auditorium und die Vorhalle mit den Vornamen der Schlossarchitekten als Fries.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Das Auditorium und die Vorhalle mit den Vornamen der Schlossarchitekten als Fries.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Nebenraum im Ostflügel des Stadtschlosses
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Nebenraum im Ostflügel des Stadtschlosses
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Von der Vorhalle am Eosanderportal ...
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Von der Vorhalle am Eosanderportal ...
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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... wird auch der Veranstaltungssaal erschlossen, eine flexible Box ohne Fenster.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
... wird auch der Veranstaltungssaal erschlossen, eine flexible Box ohne Fenster.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Unten links: Originalskulpturen von Andreas Schlüter in der zweigeschossigen Durchgangshalle zum Ostflügel.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Unten links: Originalskulpturen von Andreas Schlüter in der zweigeschossigen Durchgangshalle zum Ostflügel.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Der Innenraum der gesamten Kuppel bleibt ungenutzt. Darunter wurde eine flache gewölbte Betonschale eingefügt. Wo früher die Schlosskapelle war werden Wandbilder aus buddistischen Höhlenklöstern zu sehen sein.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Der Innenraum der gesamten Kuppel bleibt ungenutzt. Darunter wurde eine flache gewölbte Betonschale eingefügt. Wo früher die Schlosskapelle war werden Wandbilder aus buddistischen Höhlenklöstern zu sehen sein.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Ausstellungsraum im Rondell. Im Hintergrund die Türme der Nikolaikirche.
Foto: Stefan Müller
Ausstellungsraum im Rondell. Im Hintergrund die Türme der Nikolaikirche.
Foto: Stefan Müller
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Eine der zweigeschossigen Hallen hinter den großen Fenstern eines Portals.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Eine der zweigeschossigen Hallen hinter den großen Fenstern eines Portals.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Ausstellungssaal im 2. Obergeschoss ...
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Ausstellungssaal im 2. Obergeschoss ...
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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... und an der langen Fensterreihe des Ostflügels.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
... und an der langen Fensterreihe des Ostflügels.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Museumsrundgang im 3. Obergeschoss mit den kleinen rechteckigen Fenstern. Die Lage der Fenster ist der rekonstruierten Fassade geschuldet.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Museumsrundgang im 3. Obergeschoss mit den kleinen rechteckigen Fenstern. Die Lage der Fenster ist der rekonstruierten Fassade geschuldet.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
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Die Haustechnik füllt nahezu das gesamte Unter- und Dachgeschoss im Gebäude.
Foto: Stefan Müller
Die Haustechnik füllt nahezu das gesamte Unter- und Dachgeschoss im Gebäude.
Foto: Stefan Müller
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Im Berlin-Museum, erstes Obergeschoss, wird auch die Tür des Techno-Clubs „Tresor“ zu sehen sein. Sie ist im Besitz von Dimitri Hegemann, der den Club gegründet hatte.
Kleines Foto: SHF/David von Becker
Im Berlin-Museum, erstes Obergeschoss, wird auch die Tür des Techno-Clubs „Tresor“ zu sehen sein. Sie ist im Besitz von Dimitri Hegemann, der den Club gegründet hatte.
Kleines Foto: SHF/David von Becker
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Der spröde Ostflügel bleibt umstritten. Die Idee eines offenen Belvederes ging aus Platzgründen verloren.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Der spröde Ostflügel bleibt umstritten. Die Idee eines offenen Belvederes ging aus Platzgründen verloren.
Foto: Kollektiv Neue Langeweile
Es liegt auf der Hand, dass ein als Forum bezeichnetes Gebäude mehrere Zugänge aufweist. Doch welchen benutzen? Man kann sich für das Portal III entscheiden, bekrönt von der Kuppel, also dort, wo vis-à-vis seit 13 Jahren die „Einheitswippe“ als „Einheitsdenkmal“ ihren Platz finden soll – ebenso wie der Schlossbau mehrheitlich vom Bundestag entschieden. Es sind nicht nur die geschützten und inzwischen mit dem Coronavirus verfluchten Fledermäuse sowie wertvolle Mosaike im dort noch vorhandenen alten Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbilds, die dieses Projekt vor der schnörkeligen Kulisse der Hohenzollern-Monarchie bisher blockierten, sondern grundsätzliche Diskussionen über Gestalt und Sinn eines solchen Denkmals der friedlichen Revolution in der DDR. Offizieller Baubeginn mit „erster Schippe für die Wippe“ war am 28. Mai.
Großes Foyer des Stadtschlosses
Detailgetreu nachgebaut wurden nur die Fassaden des Schlosses mit den Portalen I bis V und die Kuppel. Alles andere hat Franco Stella entworfen. Hinter dem imposanten, als Risalit deutlich hervortretenden und mitsamt seiner Durchfahrt wieder aufgebauten Portal III, auch West- oder Eosanderportal genannt, schließt das Große Foyer an, eine die volle Gebäudehöhe einnehmende Halle, sie ist zugleich die weiträumigste des gesamten Forums, mit einer verglasten, all-zu mächtig ausgefallenen Kassettendecke. Die drei Raumwände sind einheitlich und zeigen sich viergeschossig als ein modernes Gebäude, unverkennbar geprägt von der Strenge im Raster, die Franco Stellas Architektur schon immer bestimmt hat. Dreht man sich um, zuckt man ein wenig zusammen, denn als vierte Wand der Halle ragt unvermittelt etwas ganz Anderes empor, ein Innenportal als Triumphbogen, der in seiner vollständigen Pracht bis zu der spielerisch anmutenden Bekrönung am zentralen Bogen ebenfalls rekonstruiert wurde. Für das zweiseitige Portal hatte sich dessen Baumeister Eosander von Göthe im 18. Jahrhundert den römischen Triumphbogen Septimius Severus zum Vorbild genommen, aber deutlich größer ausgeführt, damit er in der Höhe passt. Stella bezeichnet das Portal gerne als „Stadttor“, das zu seiner gedeckten Piazza führt. Das Portal zeigt an einigen wenigen Stellen deutlich Spolien vom alten Schloss. Die vier Figuren auf den Podesten hoch oben über den Säulen wurden, um hier ein Beispiel der großzügigen Förderer zu nennen, vom Verleger Hubert Burda und seinem Sohn gespendet.
Lässt man den Blick über Stellas Fassaden der quadratischen Halle schweifen, so erkennt man Umgänge und hinter jedem Feld des Rasters der Konstruktion und den geschlossenen, leicht nach hinten abgesetzten Balustraden immer gleichartige Nischen. Das Thema des Architekten ist nämlich nicht nur das Raster, sondern generell die Repetition. Welche Aufgabe haben diese Nischen? Sie sollten wohl als Öffnungen verstanden werden. An der Ostseite ordnete Stella in gleicher Größe wie die Nischen durchgehend verglaste Türen an. Die „Laubengänge“ führen zu Fluchttüren. Ansonsten sollen sie für Besucher nur begrenzt zugänglich sein, zum Beispiel als „Logen“ um einer Veranstaltung unten im Foyer beizuwohnen.
Die Halle dient als zentraler Ort der Orientierung, der die unterschiedlichen Nutzungen des Humboldt Forums als Weltkulturzentrum des 21. Jahrhunderts miteinander zu verbinden versucht. Im Wettbewerbsentwurf war dieses Foyer – ein zentraler Bestandteil der Auslobung – noch mit einem Raster-Wald von schlanken Stützen ausgestaltet gewesen. In der Mitte führte eine Treppe ins Untergeschoss mit Veranstaltungssälen und Gastronomie. Die Züricher Szenografie-Architekten Holzer Kobler wurden mit dem Leit- und Orientierungssystem von Teilen des Humboldt Forums beauftragt. In einer Ecke des Foyers haben sie einen gewaltigen Rundmast mit verschiedenen Screens aufgestellt, die oberhalb des Kassentresens als „medialer Leuchtturm“ über die aktuellen Aktivitäten informieren.
So erlebt man in der Halle des Kulturzentrums im Namen der Brüder Humboldt eine Kombination aus überfrachteter Eosander-Rekonstruktion nach römischen Vorbild, Stellas strenger Gliederung, die an italienischen Rationalismus alter Schule anknüpfen will, und Holzer Koblers „Leuchtturm“ mit flimmernden Bildern. Für jemanden,der sich in der Baugeschichte etwas auskennt, ist dieses Paket äußerst skurril – denn alles entstand gleichzeitig, in einer eigentümlichen Form von Dialektik zwischen scheinbar Altem und Neuem.
Auditorium
Gleich links von der Durchfahrt des Eosanderportals, an dessen Wänden Steintafeln mit Reliefporträts der Fassaden-Mäzene angebracht sind, liegt der Zugang in einen Raum, der als Vorhalle für das Auditorium und einen Veranstaltungssaal dient. Die Besonderheit dieses Raums befindet sich unterhalb der Decke: Dort wurde ein umlaufender, gut einen halben Meter hoher Schmuckfries an die Wände geschraubt, bestehend aus 110 Buchstaben. Die Künstler Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll hatten mit dieser Idee einen der sieben Kunst-am-Bau-Wettbewerbe des Humboldt Forums gewonnen. Die Buchstaben sind unter anderem aus zertrümmertem Beton verschiedener Körnung vom Palast der Republik gefertigt, die sich die Künstler besorgt hatten. Mit dieser lückenlosen Buchstabenreihe sind die Vornamen aller Baumeister an diesem Ort verewigt, beginnend bei Konrad (Konrad Krebs, frühes 16. Jahrhundert) und endend bei Franco. Der Italiener weist während unseres Besuchs lächelnd und nicht ohne Stolz darauf hin, dass hinter seinem Namen kein Platz mehr gelassen wurde. Er sei somit der letzte große Schlossbaumeister.
Das Auditorium befindet sich an der Schloss-Ecke zum Boulevard Unter den Linden. Auch hier stößt man erneut auf eine bauliche Kombination von „Alt“ und Neu, diesmal in einer Art und Weise, die sich auch in allen anderen Geschossen wiederfindet: Man betritt einen Raum, der zunächst nichts mit einem „Schloss“ gemein hat, doch dann nimmt man das Äußere, Rekonstruierte, in Form von Fensterreihen wahr, die oft so angeordnet sind, dass sie in ihrer Lage und ihren Proportionen nicht so richtig passen wollen. In diesem Raum, dem Auditorium, ist es die Reihe ovaler Öffnungen unterhalb der eigentlichen Fenster. Hier wurde das Geschossniveau abgesenkt.
Der Veranstaltungssaal seitlich des Foyers ist hingegen eine fensterlose Box und bietet – man mag es nicht glauben in diesem Umfeld – über eine flexibel nutzbare Veranstaltungsfläche vergleichbar dem Berliner Radialsystem. Mit einem Stecksystem sind verschiedenste Aufbauten für Podeste und Tribünen möglich.
Rechts des Großen Foyers schließen Säle für temporäre Ausstellungen und der noch leere „Eosander-Shop“ an. Dessen Gestaltung liegt in der Hand des Pächters. Zudem führt eine Treppe hinab zum „Archäologischen Fenster“, wo Ausgrabungen von Fundamenten, die im Laufe der Planungs- und Bauzeit immer umfangreicher wurden über einen Parcours mit Infotafeln besichtigt werden können. Zu sehen sind unter anderem die Grundmauern der Schloss-Federviehkammer, des Aufenthaltsraums der Wache und in einer hinteren Ecke sogar Reste des Cöllner Dominikanerklosters aus dem 14. Jahrhundert.
Zurück zum Großen Foyer: Nimmt der Besucher nach dem Durchschreiten der Halle einen der Ausgänge gegenüber dem Portal, erreicht er eine quer anliegende, langgezogene Erschließungshalle, die für das gesamte Forum von besonderer Bedeutung ist. Sie stellt gleichsam den Ausgangspunkt dar, von dem aus man in die Obergeschosse mit der Museumsnutzung gelangt. Im Raum stehen sich daher eine breite Treppe und zwei Rolltreppen gegenüber. Im ersten Obergeschoss ist eine Café-Zone mit Spiegeldecke eingerichtet. Kunst am Bau begegnet man im zweiten und dritten Obergeschoss: ein schwarzer Mast mit starrer, ebenfalls schwarzer Flagge auf Halbmast des koreanischen Künstlers Kang Sunkoo, alles in patinierter Bronze. Die „Statue of Limitations“ thematisiert die Gräuel der Kolonialzeit. Der zweite Teil des Mastes oberhalb der Flagge steht in gleicher Ausführung zurzeit auf dem Nachtigalplatz im sog. Afrikanischen Viertel von Berlin-Wedding, ist aber eigentlich für Namibia vorgesehen. Von dieser großzügig verglasten „Zentralen Treppenhalle“ hat man bereits einen guten Blick auf den öffentlichen Durchgang des Humboldt Forums, der über zwei Drehtüren erreicht wird.
Stella-Passage
Dieser Raum ist gleichermaßen von zentraler Bedeutung für das Gebäudekonzept und wird nach der Eröffnung am meisten frequentiert werden, auch weil der Zugang über das Portal III aufgrund von Bauarbeiten im Außenbereich wohl erst 2022 möglich sein wird. Die Passage mit ihren Eingängen, auf der Nordseite (Portal IV) vom Lustgarten und auf der Südseite (Portal II) vom Schlossplatz und Marstall, war die konzeptionelle Idee des Preisträgers, die 2008 die Wettbewerbsjury am meisten überzeugte: ein Schloss mit öffentlichem Durchgang, der das hermetische Äußere innen aufgliedert. Architektonisch gestaltet hat ihn Stella mit einer Struktur wie aus einem einfachen Baukasten-Modulsystem, die von Norden nach Süden den Bau durchzieht, aber hier weniger rigide ausfällt, ja sogar mit seinen schlanken Rundstützen Feinheiten in der Komposition aufweist. So hat dieser Raum seine Qualitäten. Jeweils an den Stirnseiten wurden die Innenfronten der alten Portale mit ihren Verzierungen nachgebaut. Gegenüber der Zentralen Treppenhalle wird in der Passage das Bistro „Lebenswelten“ einziehen, daneben will der Pächter des DDR-Museums, das sich ganz in der Nähe an der Spree befindet, einen „Schlüter-Shop“ eröffnen, darüber liegen überwiegend Bürogeschosse.
Schlüterhof
Nach der Passage und einem schmalen Durchgang zwischen Bistro und Shop schließt der offene Schlüterhof an. Bestimmt wird das Geviert von den drei Fassaden Andreas Schlüters, die komplett rekonstruiert wurden. Leider ist dieser Hof der schwächste Teil des gesamten Ensembles. Während der Schlüter-Wiederaufbau mit seinen Kolossalsäulen, offenen Laubengängen und allen figürlichen Verzierungen glänzt und die Wieder-Barock-Befürworter besonders begeistert, wirkt die neue, von Stella entworfene vierte Fassade kraftlos, formal schwach und fällt gegenüber der tektonischen Gliederung seiner Passage deutlich ab. Während also die Passage in ihrer Sprache eine deutliche Wiedererkennbarkeit aufweist, ist diese Fassade belanglos, ohne jeden Reiz. In seiner Erläuterung zum Wettbewerbsentwurf spricht Stella davon, dass die Nahtstellen zwischen rekonstruierten und neuen Bauteilen auf wenige notwendige Anschlüsse reduziert bleiben. Das mag so sein, aber unabhängig von diesen Anschlüssen, denen es an Feinheiten mangelt, wird er dem Anspruch einer Schlüter-Architektur bei weitem nicht gerecht, der in ihrem Aufbau und ihrer Plastizität unbestritten eine große Kraft innewohnt. Schlüters Vorbilder für seine Fassadenaufbauten waren wirkliche Größen der italienischen Baugeschichte. Stella hatte bei seiner Hoffassade, der leider auch die vorgesetzten zweigeschossigen Kolonnaden vom Wettbewerbsentwurf fehlen, die Schwierigkeit, hinter derselben die fünf Obergeschosse mit Ausstellung, Büros und Werkstätten unterzubringen waren statt der nur drei Obergeschosse bei Schlüter. Dennoch musste alles zusammenpassen. Er entschied sich daher für Fensterreihen, hinter denen sich jeweils zwei Geschosse verbergen.
An der Südseite des Hofs liegt der Eingang ins „Museum der Geschichte des Ortes“ mit einfachen, in Rohbeton belassenen Wänden. Auf einer 27 Meter langen Videopanorama-Wand wird auch der Palast der Republik inszeniert, welcher zuvor an diesem Ort stand. Insgesamt wird es rund 40 Exponate aus früheren Zeiten geben, die aber, mit einer Ausnahme, nicht hier, sondern aufs gesamte Humboldt Forum verteilt ausgestellt werden – darunter der berühmte Eisbecher vom Palast.
Belvedere
An den Razionalismo der Heimat des Architekten Stella erinnert man sich spätestens bei der Ostfassade, dem Belvedere. Beim Wettbewerb als offener „Zeilenbaukörper mit entgegengesetzten Freitreppen sowie Loggien“ entworfen, ist es in seinem kühlen und strengen Ordnungsgefüge ein Schlüter-Kontrastprogramm. Aber dieses Belvedere zeigt sich nicht mehr als ein Gebäudeteil in Gestalt einer Stadtloggia mit freien Austritten auf vier Ebenen, die die gesamte Breite des Schlosses einnimmt. Alle seine Flächen der hinteren Raumschicht sind nun mit Nutzungen besetzt: Im Erdgeschoss ein großes „Restaurant der Kontinente“ mit Terrasse zur Spree und daneben ein Saal des Fördervereins für seine Mäzene. Auch darüber ist der Bau nicht mehr als Loggia deutlich abgesetzt, sondern bildet einen Teil des Museumsrundgangs durch das große Rechteck des Forums. Die markante Geste des Gebäuderiegels hat dadurch an Entschiedenheit verloren – und durch den Wegfall seiner ursprünglichen Funktion auch seine Erklärung. Die Kritik an dem zu harten Bruch mit der Schlossfassaden-Replik bleibt. Die Grünen in Berlin schlugen sogar eine Fassadenbegrünung als „Humboldt-Dschungel“ vor. In einer späten Planungsphase wurde vom Förderverein mit Unterstützung eines Sponsors noch zusätzlich ein Fassaden-Eckrondell rekonstruiert, um der südöstlichen Stirnseite des Belvederes mit dem Tor für die Anlieferung etwas an Härte zu nehmen. Die Ecke ist eine Kuriosität des Ganzen, denn das „Alte“ ist nun nicht mehr deutlich abgerückt. Die Klarheit, Einfachheit und Leere der ursprünglichen Belvedere-Idee von Stella ging verloren.
Vom Schlüterhof erreicht man das Belvedere über den zentralen „Skulpturensaal“, eine Durchgangshalle mit einigen figürlichen Originalskulpturen von Andreas Schlüter, die hoch oben auf Konsolen stehen – neben einer Galerie mit dem „Café Berlin“. Die Skulpturen sind zu kostbar für den Hof. Dort stehen Nachbildungen. Früher befand sich an diesem Ort die „Gigantentreppe“ zu den Paradekammern des Schlosses.
Stella geht während unseres gemeinsamen Rundgangs nicht näher auf Baudetails ein. Ihm war vor allem eines wichtig: einen neuen Stadtraum zu schaffen. Er betont dies immer wieder an allen Orten und mit voller Überzeugung. Ein Schloss als Stadtraum: Das Große Foyer ist für ihn eine „Piazza“, dazu gibt es einen großen Hof als weitere Piazza, eine Passage, Wege, Übergänge. Die Portale sind für ihn keine Eingänge in ein Schloss, sondern offene Durchgänge in ein „Stadtquartier“. Allein aus diesen Orten setzt sich für ihn das Forum zusammen und bildet sich die eigentliche Raumqualität heraus. Die vielen Blickbezüge zum Umfeld, vor allem die frontale Gegenüberstellung zum Alten Museen aber auch zum Marstall sind sicherlich ein besonderes Erlebnis.
Obergeschosse und Technik
Das Schloss-Nutzungskonzept wurde in der Planungsphase lange diskutiert und schließlich konkretisiert: Die größte Fläche im zweiten und dritten Obergeschoss füllt das „Haus der Weltkulturen“ mit dem Museum der außereuropäischen Sammlungen mit der größten Fläche (Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst). Im ersten Obergeschoss dann die Forschungs- und Museumsbibliothek und die „Berlin-Ausstellung“, im Erdgeschoss die öffentlichen Bereiche „als Forum des Dialogs mit kulturpolitischer Ausstrahlung“. Die Ausstellungssäle in allen Obergeschossen passen sich den Gegebenheiten an, die sich durch die rekonstruierten Fassaden außen und im Hof ergeben. So gibt es Variationen mit räumlichen Kompromissen von Saal zu Saal. Auch die in den Sälen stehenden Rundstützen variieren in ihren Achsen und Abständen. Die Decken sind mit einem umlaufenden Fries ausgestattet. Im Bereich der großen Fensterflächen hinter den Portalen sind die Räume doppelgeschossig mit Galerie konzipiert. Die großen „Berliner Kastenfenster“ aus Weißeiche mit 1.60-Meter-Laibungen sind mit Perfektion gefertigt worden und waren angeblich so teuer wie ein VW-Golf. Nach Fertigstellung der Ausstellungseinbauten, inszeniert durch Ralph Appelbaum Associates, New York, wird die Gestalt der Säle weniger ins Auge fallen. Eine Besonderheit wird die Ausstellungsgestaltung durch Wang Shu in einer der doppelgeschossigen Hallen seitlich des Foyers sein.
Franco Stella kann es noch immer nicht fassen, welche Flächen für die Haustechnik in seinem Schloss vorzusehen waren: 8000 Quadratmeter im Untergeschoss und noch einmal 8000 Quadratmeter im Dachgeschoss, nahezu umlaufend alle Flächen ausfüllend. Die Kosten für die Technik nehmen rund 30 Prozent des Gesamtbudgets ein. Angeblich sind die Vorschriften für Klimatechnik und Sicherheit so umfassend, dass sich auch bei diesem Berliner Großprojekt die Planungsverantwortlichen mit den Genehmigungen schwer taten und es dann zu Verzögerungen kam. Die Baukosten von zuletzt gut 650 Millionen Euro werden offenbar nicht noch höher ausfallen. Damit blieben die Steigerungen im Vergleich moderat.
Kuppel und Dachrestaurant
Für die Kuppel gab es vom Bundestag keine Finanzierung. Sie wurde daher zunächst gestrichen, dann aber doch noch mit dem Geld eines besonders großzügigen anonymen Spenders und von Inga Maren Otto vom gleichnamigen Versandhaus in memoriam ihres 2011 verstorbenen Ehepartners Werner A. Otto, errichtet. Innen im Oktogon befindet sich ein offener Raum, der früher als Kapelle genutzt wurde. Unter einem flachen Betongewölbe im Tambour wird es nunmehr als Station des Schloss-Rundgangs einen Ausstellungssaal geben, in dem in speziellen Rauminstallationen Wandgemälde aus buddhistischen Höhlenklöstern Zentralasiens zu sehen sein werden. Der große Raum darüber bleibt leer. Auf der Laterne mit acht engelartigen Wesen und einer extrem goldglänzenden Abdeckung aus Palmetten und Rosetten, die am 29. Mai per Kran aufgesetzt wurde, steht das 4,70 Meter hohe, ebenfalls goldene Kreuz mit Reichsapfel. Es signalisierte, das sich hier eine geweihte Kapelle des allzu frommen Königs Friedrich Wilhelm IV. befand. So erklären sich auch die zwei Bibelverse auf einem umlaufenden blauen Band mit Goldlettern, das den Tambour umgibt (Apostelgeschichte Kapitel 4, Vers 12 und Philipperbrief Kapitel 2, Vers 10, dazu Wilfried Wang, Seite 39). Zur Wiederaufstellung des Kreuzes gab es heftige Kritik: dies sei eine Provokation gegen die eigentlich gewollte Weltoffenheit des Humboldt Forums und Symbol eines Herrschaftsanspruchs. Es hätte dem Projekt gutgetan die Kuppel von 1856 einfach wegzulassen. Die Köpfe und Flügelspitzen der Engel halten den Ring der goldenen Abdeckung. Für den Bau der konstruktiv komplizierten Laterne wurden Edelstahlspezialisten aus Eisenhüttenstadt hinzugezogen.
Das Dachrestaurant als flacher, aber vom Lustgarten sicherbarer Pavillon neben der Kuppel war zunächst ebenfalls nicht vorgesehen gewesen. Die zwei Dachaufbauten der großen Aufzugsmaschinenhäuser seitlich der Zentralen Treppenhalle machten aber Überlegungen erforderlich, wie denn eine Verkleidung bzw. Umbauung gelingen könnte. Schließlich kam man auf die Idee mit dem Restaurant und beauftragte hierfür erneut Franco Stella. Für die Aufbauten auf der Südseite war ein zweiter Pavillon dann zu viel. Hier schwebte Stella ein begrüntes Gerüst in den Abmessungen des Restaurants vor. Am 20. Mai wurde der letzte Kunst-am-Bau-Wettbewerb des Humboldt Forums für die Gestaltung dieses zweiten Aufbaus entschieden. Preisträger sind Antje Schiffers und Thomas Sprenger mit der Wandgestaltung einer Silhouette von Mexiko-City, einer Partnerstadt von Berlin. Der Titel „Insurgentes Sur“ nimmt Bezug auf die längste Hauptstraße der mexikanischen Hauptstadt, die Avenida de los Insurgentes, Allee der Aufständigen. Die goldfarbene Arbeit verweist auf die Sammlungen des Ethnologischen Museums im Schloss und soll, so die Jury, auch „Brücken schlagen zu Vergoldungen am Gebäude“. Für einen anderen Kunststandort auf dem Dach gab es nur einen zweiten Preis mit „Potenzial für eine Weiterentwicklung“: Emeka Ogboh schlägt eine Soundinstallation mit einem neu arrangierten afrikanischen Volkslied vor. Hier auf dem Dach des Humboldt Forums werden wohl für die Besucher die Ausblicke auf die Stadt mit neuen Perspektiven wichtiger sein als die Installationen.
Neptun und Rossebändiger
Für die Gestaltung des Umfelds vom Humboldt Forum, das nun als Schlosskörper dasteht, gab es bereits 2013 einen Wettbewerb. Der Preisträger, das Berliner Büro bbz landschaftsarchitekten, setzt zurzeit seine Neugestaltung mit Spreeterrasse, einem Wäldchen am Standort des früheren Apothekerflügels und, in Anspielung an Alexander von Humboldt, einen kleinen Garten mit einer Bepflanzung aus drei Vegetationszonen der Erde um. Die Schlosssehnsucht-Anhänger mit ihren Lobbyisten haben aber noch immer nicht genug und wollen auch im Umfeld das Alte: die Umsetzung des Neptunbrunnens vom Rathausforum an seinen ursprünglichen Platz vor dem früheren Haupteingang an der Südfassade und die Zurückholung von den zwei Großskulpturen „Rossebändiger“ rechts und links vom Portal IV zum Lustgarten hin, die seit 1945 im Schöneberger Kleistpark stehen. Das Drängen ist groß. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Die derzeitige Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und der Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann haben sich zu diesem Thema deutlich positioniert.
Fakten
Architekten
Stella, Franco, Vicenza; Projektgemeinschaft FS HUF PG; Franco Stella, Berlin; Hilmer & Sattler und Albrecht, München/Berlin; Baumanagement Berlin, Berlin; RAM, Ralph Appelbaum Associates, New York/Berlin; Holzer Kobler, Zürich/Berlin; Stuhlemmer Architekten, Berlin; bbz Landschaftsarchitekten, Berlin; Gourdin & Müller, Leipzig; Chezweitz, Berlin; Lichtvision Design & Engineering, Berlin
Adresse
Schloßpl., 10178 Berlin
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