Bauwelt

Biomasseheizkraftwerk in Palencia


Die Heizungswende kann auch eine architektonische Aufgabe sein, wie das Biomasseheizkraftwerk des Madrider Büros FRPO Rodriguez & Oriol im spanischen Palencia nahelegt.


Text: Schäfer, Theresa, Frankfurt am Main


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    Über dem schweren Betonsockel erhebt sich eine lichte „Laterne“, eine Stahlkonstruktion mit transluzenter Verkleidung.
    Foto: Luis Asín

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    Über dem schweren Betonsockel erhebt sich eine lichte „Laterne“, eine Stahlkonstruktion mit transluzenter Verkleidung.

    Foto: Luis Asín

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    Die ovale Grundrissform verste-hen die Architekten als Symbol des technischen Kreislaufs im Kraftwerk. Über die Luken auf dem Vorplatz wird die Biomasse ins unterirdische Silo eingebracht.
    Foto: Luis Asín

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    Die ovale Grundrissform verste-hen die Architekten als Symbol des technischen Kreislaufs im Kraftwerk. Über die Luken auf dem Vorplatz wird die Biomasse ins unterirdische Silo eingebracht.

    Foto: Luis Asín

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    Herzstück der Anlage: die Dampfkessel, in denen die Biomasse verfeuert wird. Die anfallende Asche wird, mit Düngemitteln gemischt, auf den umliegenden Feldern ausgebracht.
    Foto: Luis Asín

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    Herzstück der Anlage: die Dampfkessel, in denen die Biomasse verfeuert wird. Die anfallende Asche wird, mit Düngemitteln gemischt, auf den umliegenden Feldern ausgebracht.

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    Schaukraftwerk: Besucher können die Anlage ...
    Foto: Luis Asín

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    Schaukraftwerk: Besucher können die Anlage ...

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    ... auf der Galerieebene besichtigen.
    Foto: Luis Asín

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    ... auf der Galerieebene besichtigen.

    Foto: Luis Asín

Für die Öffentlichkeit zugänglich, verleiht die Anlage dem Paradigmenwechsel in der Energieversorgung Sichtbarkeit und ästhetischen Ausdruck.
Auf dem betonierten Hof fährt ein Lkw vor. Aus seiner Stahlmulde fließt tonnenweise Biomasse durch eine von vier Bodenluken vor dem Gebäude in ein unterirdisches Silo. Die Biomasse, hier in Form von Hackschnitzeln, kommt als Abfallstoff der Forstwirtschaft aus den umliegenden Wäldern. Das Silo ist eine Betonkiste mit beweglichem Boden, der die Biomasse zur horizontalen Öffnung der vorderen Rückwand transportiert. Von dort fällt sie auf zwei von Blechen umhüllte Förderbänder, die die Biomasse aus dem Untergrund hoch zu den Kesseln befördern. Diese stehen ebenerdig, getragen von roten Stahlstützen in Längsrichtung mittig im Gebäude. Hier trennt sich der Stoffkreislauf in drei Wege. Orthogonal zu den Kesseln verläuft ein Rohr. Es bringt das erhitzte Wasser aus dem Gebäude hinaus in den Untergrund und in das Fernwärmenetz. Die dafür benötigten Pumpen stehen weiter vorne mittig in Querrichtung im Gebäude. Der zweite Weg führt den Rauch über Ventilatoren in Richtung der Filteranlagen, die rund sechzig Prozent der Anlage ausmachen. Ein Schornstein außerhalb des Gebäudes lässt den Rauch in die Luft entweichen – dieser gilt als sauber. Der dritte Weg beginnt bei den Säcken unter den Kesseln. Hier sammelt sich die Asche des Verbrennungsvorgangs. Mitarbeiter fahren die Säcke mithilfe von Gabelstaplern zu einem Container auf dem Hof. Ein weiterer Lkw fährt vor. Er holt die Säcke ab und bringt sie zu Kompostierungsanlagen. Am Ende landet die Asche gemischt mit Düngemitteln auf den umliegenden Feldern. Das alles mag sehr technisch klingen, ist aber entscheidend, wenn die Aufgabe lautet, diesen Abläufen einen Raum zu geben und sie Besucherinnen und Besuchern verständlich zu präsentieren – ähnlich einer Ausstellung, die statt Kunst Maschinen zeigt.
Das Wärmekraftwerk „DH Ecoenergy Plant #1“ befindet sich in einem Industriegebiet in Palencia, einer Stadt mit rund 76.000 Einwohnern, gelegen auf der landwirtschaftlich genutzten Hochebene Tierra de Campos im Norden Spaniens. Dort und in anderen spanischen Städten investiert die private Firma DH Ecoenergías in den Ausbau eines Fernwärmenetzes. Wie das Unternehmen an die Lizenz gelangt ist und ob die Umstellung von bisher größtenteils individu-ell oder gebäudeweise organisierten Heizungen auf Fernwärme nicht stärker in staatlicher Hand liegen sollte – dazu gibt es in der Region unterschiedliche Meinungen. Klar ist jedoch: Die Firma möchte ihre Energietransformation mithilfe von Architektur sichtbar und für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Dafür beauftragte sie das Architekturbüro FRPO Rodriguez & Oriol aus Madrid. Die Energiezentrale in Palencia ist die erste ihrer Art, wie ihr Name verrät. Kürzlich ist eine weitere in Ávila ans Netz gegangen. Eine dritte in Burgos wird folgen. Weitere Projekte befinden sich in unterschiedlichen Stadien, von der Vorplanung bis zur beauftragten Ausführung.
Für das Kraftwerk in Palencia übertragen FRPOden technischen Kreislauf symbolisch auf ihre Architektur: Aus einem rechteckigen Grundkörper wird ein ovales Gebäude. Der Schornstein, ebenfalls oval, steht wie eine Miniatur des großenBaukörpers südöstlich von diesem. Im Inneren zieht sich die abgerundete Formensprache von Deckeneinschnitten bis zu Geländern und Handläufen durch. Allerdings hört sie in weniger sichtbaren Bereichen und bei konstruktiven Notwendigkeiten auf. Dort soll die Materialität die Symbolik übernehmen, auch wenn das nicht immer auf den ersten Blick ablesbar ist.
Zudem teilt die Materialität das Gebäude, das im Wesentlichen einen großen Innenraum umfasst, vertikal in zwei Hauptelemente: eine Wanne aus schwerem Sichtbeton und eine leichte Laterne aus Stahl und Polycarbonat. Letztere ist laut den Architekten recycelbar. Die Stahlbetonwanne verbindet das Erdgeschoss mit dem unterirdischen Silo, dient als Fundament und Aufstellfläche für die Maschinen. Die Sichtbeton­oberflächen in den Fassadenbereichen zieren Abdrücke von Drainagematten, die in die Schalung eingelegt waren. Zwei große Tore aus verzinktem Stahl verbinden innen und außen. Die Stahlbetondecke über dem Erdgeschoss bildet den Abschluss der Wanne. Auf ihr steht die Stahl­unterkonstruktion der Fassade. Sie trägt die Polycarbonatplatten, die auf drei Ebenen gerippt beziehungsweise gewölbt sind. Zum einen ist die Oberfläche der Platten fein gerippt, was die Fassade transluzent macht. Zum anderen sind die Platten selbst gewellt und mithilfe der Unterkon-struktion in Wellenform um das Gebäude geführt. Das verleiht der Fassade die Optik eines weichen Schleiers. Die weiße Lackierung der Unterkonstruktion unterstützt diesen Eindruck ebenso wie die offene, hinterlüftete Konstruktion, die die benötigte Luftzirkulation im Gebäude sicherstellt.
Die Architekten verstehen das Gebäude als Teil der Außenwelt und das Grundstück als Teil der Landschaft. Im Gegensatz zu den umliegenden Industrieflächen haben sie den Boden nicht vollständig versiegeln lassen; ein L-förmiger Streifen des Grundstücks ist mit Kiefernbäumen bepflanzt, die schon von der Straße aus zu sehen sind. Auf der Straße, vor dem Zaun, sammelt sich eine Gruppe von Menschen. Sie warten auf ihre Besichtigungstour. Einmal im Monat kommen die Architekten selbst für die Führungen her,zu den übrigen Terminen übernimmt jemand aus dem Team des Energieunternehmens die Tour. Durch eine Tür direkt neben dem großen Tor gelangt die Besuchergruppe auf den Hof, entlang des Grünstreifens geht es zum offenen Stahltor des Gebäudes. Im Innern führt eine Stahltreppe auf die obere Ebene. Dort steht die Gruppe im großen, hellen Raum der Laterne. Ein Rundgang entlang der Fassade führt um den gesamten Energieproduktionsprozess herum. Entkoppelt von der Arbeitsebene im Erdgeschoss, können sich die Besucherinnen und Besucher hier oben ohne Helm und Schutzkleidung aufhalten. Die große, ovale Deckenöffnung ermöglicht den Blick auf die Maschinen. Demnächst soll zusätzlich ein Diagramm die technischen Abläufe erklären – ein weiterer Schritt, um den pädagogischenGedanken des Gebäudes zu stärken.



Fakten
Architekten FRPO Rodríguez & Oriol, Madrid
Adresse C. Torneros, 4, 34004 Palencia, Spanien


aus Bauwelt 2.2025
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