Bauwelt

The Cosmopolitan in Brüssel


Die Entscheidung, Bauten der Nachkriegsmoderne niederzureißen oder zu erhalten, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Pionierprojekt für die Wiederverwendung eines Büroturms entstand in der Brüsseler Innenstadt.


Text: Geipel, Kaye, Berlin


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    Der ehemalige Büroturm ist durch seine unregelmäßigen Fassadenpaneele ...
    Foto: Bogdan & Van Broeck

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    Der ehemalige Büroturm ist durch seine unregelmäßigen Fassadenpaneele ...

    Foto: Bogdan & Van Broeck

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    ... unschwer als neues Wohnhaus erkennbar. Er erhielt zudem einen kleinen Anbau.
    Foto: Bogdan & Van Broeck

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    ... unschwer als neues Wohnhaus erkennbar. Er erhielt zudem einen kleinen Anbau.

    Foto: Bogdan & Van Broeck

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    In den ersten beiden Geschossen bildet die vorgestellte Stahlfassade eine Art Arkade aus. Dort befindet sich der Eingang zum Wohnturm.
    Foto: Jeroen Verrecht

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    In den ersten beiden Geschossen bildet die vorgestellte Stahlfassade eine Art Arkade aus. Dort befindet sich der Eingang zum Wohnturm.

    Foto: Jeroen Verrecht

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    Der Wohnturm verbindet zwei parallele Straßen einer Blockbebauung. Rechts das Théâtre royal flamand.
    Foto: Laurian Ghinitoiu

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    Der Wohnturm verbindet zwei parallele Straßen einer Blockbebauung. Rechts das Théâtre royal flamand.

    Foto: Laurian Ghinitoiu

Das 12-geschossige Hochhaus der Versicherungsgesellschaft Assubel wurde in den 60er Jahren von den Architekten Charles Verhelle und Henry Profiter baut – ein architektonisch ambitionierter, aber nicht wirklich eleganter Bau. In den ersten beiden Geschossen befand sich eine Klinik, da­rüber lagen die Büros. Die Südostfassade hatte ein regelmäßiges, von vielen senkrechten Linien gegliedertes Raster aus Einzelfenstern, die Nordwestfassade, zum Quai aux Pierres de Taille, wies entlang der vertikalen Erschließung eine weitgehend geschlossene, braunrote Vertäfelung auf. Die Farbe passte zum steinernen Straßennamen. Das Hochhaus sollte sichzwischen die Altbauten und Werkhallen im eng bebauten Stadtquartier einpassen, so die gestalterische Botschaft. Auch städtebaulich war dieser Solitär in der Nähe des Brüsseler Kanals mit dem ehemaligen Handelshafen etwas Besonders. Er steht wie eine Klammer quer zur langgestreckten Blockbebauung und berührt mit seinen Schmalseiten die jeweiligen Straßen.
Das lange Zeit heruntergekommene Quartier im nördlichen Teil der Innenstadt befindet sich im Umbruch. Der Investor, der den Turm samt Grundstück 2013 gekauft hatte, lud einige Büros zu einem kleinen Wettbewerb ein. Die Brüsseler Architekten Bogdan & Van Broeck setzten sich mit dem Vorschlag durch, das Hochhaus für die Wohnnnutzung in seiner Struktur zu erhalten. Ihr Grundsatz, den sie auch bei anderen Projekten propagieren, lautet: „Never throw away what is good enough to reuse“.
Das Gebäude hat tragende Fassadenstützen im Abstand von 1,20 Meter, dazu eine weitere Stützenreihe in der Mitte und zwei aussteifende Kerne mit der Erschließung. Fassaden und Einbauten wurden im Zuge des Umbaus komplett entfernt, die Tragstruktur und die Haupterschließungskerne blieben erhalten. Das sparte der Bauherrin viel Zeit, die für einen Abriss in der Innenstadt zu veranschlagen gewesen wäre. Zu den Vorteilen der eingesparten grauen Energie kamen weitere, praktische Vorzüge. Die Architekten hatten errechnet, dass der Altbau ungefähr 10.000 Tonnen wiegt. Für den Abtransport des Bauschutts auf eine Deponie wären 500 Lastwagen erforderlich gewesen. Bei der umgesetzten Lösung war nur die Hälfte an Transportwegen nötig. Die Behörden genehmigten im Rahmen langwieriger Verhandlungen eine Aufstockung um drei zusätzliche Geschosse. Dort konnte die Haustechnik untergebracht werden, außerdem wurde zusätzlicher Wohnraum gewonnen. Die neue Nutzung sieht in den ersten beiden Geschossen Bürofunktionen vor, die weiteren Ebenen sind als reine Wohngeschosse angelegt. Das umgebaute Hochhaus wird auf der einen Seite durch einen kleinen Anbau ergänzt, der architektonisch zu den Nachbargebäuden vermittelt. 130 neue Wohnungen wurden eingefügt, vom Studio bis hin zu großen Apartments, da­zu entstanden 26 Einheiten im Anbau an der Rue du Canal. Ein großer Vorteil für die Wohnungen im Hochhaus war die drei Meter hohe Deckenhöhe, die erhalten blieb.
Das matte Weiß des umgebauten Turms ist heute ein markanter Bestandteil der Stadtsilhouette. Die veränderte Nutzung als Wohnhochhaus wird durch die vorgesetzte Metallstruktur mit ihrem unregelmäßigen Raster kenntlich. Die Wohnungen erhalten großzügige Balkonflächen – gut vergleichbar mit den Umbaustrategien von Lacaton Vassal in Frankreich. Dazu kommen geschosshohe Schiebepaneele, die als Sicht-, Sonnen- und Windschutz fungieren, andrerseits auch für ein lebendiges Äußeres sorgen. Die neue Fassade besteht aus glasfaserverstärkten Polymerverbundplatten des dänischen Herstellers Steni. Im Erdgeschoss wird aus der vorgesetzten Metallstruktur eine zweigeschossige Arkade als überdachtes Entrée hinter ausgekreuzten Stahlstützen. Die so entstandene Verbindung zwischen der Rue du Canal und dem Quai aux Pierres de Taille soll künftig auch öffentlich zugänglich sein – momentan ist sie aus Sicherheitserwägungen durch Tore geschlossen.



Fakten
Architekten Bogdan & Van Broeck, Brüssel
Adresse Quai aux Pierres de Taille 16, 1000 Bruxelles, Belgien


aus Bauwelt 6.2022
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