Bauwelt

Familienzentrum in Dresden


Charlie und das Plattenbauquartier


Text: Landes, Josepha, Berlin


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    Die Lili-Elbe-Straße verbindet als Spiel- und Parkstraße die nördliche und die südliche Johannstadt.
    Foto: Johann Husser

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    Die Lili-Elbe-Straße verbindet als Spiel- und Parkstraße die nördliche und die südliche Johannstadt.

    Foto: Johann Husser

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    Die Planung stammt von der Planungsgruppe Brücken-, Ingenieur- und Tiefbau Partnergesellschaft sowie Kummert & Partner Be­ratende Ingenieure. Durchführung: das Dresdner Straßen- und Tiefbauamt.
    Foto: Landeshauptstadt Dresden

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    Die Planung stammt von der Planungsgruppe Brücken-, Ingenieur- und Tiefbau Partnergesellschaft sowie Kummert & Partner Be­ratende Ingenieure. Durchführung: das Dresdner Straßen- und Tiefbauamt.

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    Das Familienzentrum ergänzt die Johannstadt, in weiten Teilen eine Plattenbausiedlung der Sieb­ziger Jahre.
    Abb.: Verfasser

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    Das Familienzentrum ergänzt die Johannstadt, in weiten Teilen eine Plattenbausiedlung der Sieb­ziger Jahre.

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    Wo heute ein offener Hof ist, wurde einst Schokolade hergestellt.
    Foto: Johann Husser

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    Wo heute ein offener Hof ist, wurde einst Schokolade hergestellt.

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    Das Familienzentrum – bestehend aus Jugendclub, Bibliothek, betreutem Wohnen, Besprechungsräumen und Büros ...
    Abb.: Verfasser

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    Das Familienzentrum – bestehend aus Jugendclub, Bibliothek, betreutem Wohnen, Besprechungsräumen und Büros ...

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    ... ist im länglichen Bau neben dem Hof untergebracht.
    Abb.: Verfasser

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    ... ist im länglichen Bau neben dem Hof untergebracht.

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    Gestaltung mit Brüchen, Irritationen und sichtbaren Reparaturen: Die schein­bare Halbfertigkeit des Projekts soll erzählerisches Potenzial bieten und die Familien zur Inanspruchnahme einladen.
    Foto: Johann Husser

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    Gestaltung mit Brüchen, Irritationen und sichtbaren Reparaturen: Die schein­bare Halbfertigkeit des Projekts soll erzählerisches Potenzial bieten und die Familien zur Inanspruchnahme einladen.

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Alexander Poetzsch Architekturen haben in einer alten Schokoladenfabrik in der Dresdner Johannstadt ein Familienzentrum für den Deutschen Kinderschutzbund realisiert.
Kinder mit einer Spielstraße vorm Haus haben das große Los gezogen. So ein Los ist besonders aufmunternd, wenn das Zuhause mit einigen Pro­blemen um die Ecke kommt. Ob friedliche oder turbulente Kindheit – in der Dresdner Johannstadt gibt es seit dem vergangenen Jahr eine neue Spielstraße, die Lili-Elbe-Straße, und an ihr gelegen einen neuen Anlaufpunkt für alle, wenn’s mal nicht so gut läuft: den Umbau einer alten Schokoladenfabrik zum Familienzentrum des Deutschen Kinderschutzbunds. Verantwortet haben den Hochbau Alexander Poetzsch Architekturen, den Freiraum des Hauses Hase Landschaft.
Die Johannstadt ist ein innenstadtnahes, je nach Definition auch ein innerstädtisches Viertel. Die linksseitigen Elbwiesen bieten großzügigen Freiraum, und das Uniklinikum verleiht dem Stadtteil eine gewisse Anmut. Fast glaubte man, hier wäre es nobel. Doch die Johannstadt ist nicht das Eppendorf Dresdens. Aus dem Zweiten Weltkrieg ging der Stadtteil als größte zusammenhängende Trümmerfläche hervor. In den Fünfzigerjahren begann der Wiederaufbau. Maßgeblich für das Auferstehen aus Ruinen waren jedoch erst die Siebziger: Vorrangig unter Rückgriff auf das System IW67 entstand ab 1968 am Platz des einst tatsächlich prachtvollen, großbürgerlichen Stadtteils eine Arbeiterstadt aus Fünf- bis Fünfzehngeschossern in Plattenbauweise. Insgesamt 6323 Wohnungen lieferte die Produktion bis 1975 in den beiden Bauabschnitten Johannstadt-Nord und Johannstadt-Süd. Außerdem verfügte die unter Leitung von Udo Fehrmann (Süd) und Kurt Röthig (Nord) entstandenen Wohnkomplexe über Kindergärten, Schulen und Kaufhallen. All diese Einrichtungen sind bis heute in Gebrauch.
Selbst ein Plattenwerk war direkt vor Ort auf einer zuvor für eine Trümmersortier- und Aufbereitungsanlage genutzten Fläche eingerichtet worden. Neben diesem Standort befindet sich nun das Familienzentrum. Zum einen ist es ein Schutzraum für Kinder in schwierigen Lebenssituationen, zum anderen aber auch ein Beratungszentrum und ein Ort des nachbarschaftlichen Austauschs. Jugendliche können sich nach der Schule zum Ping-Pong treffen oder auch Abende im Jugendclub verbringen. Von der Terrasse der betreuten Wohngruppe im Obergeschoss fällt der Blick auf die benachbarte Brache, gekappte Oberleitungen hängen von Betonpfählen, Stapel nicht mehr zum Einsatz gekommener Fassadenscheiben verschwinden langsam unter Rankpflanzen.
Seit 2014 fließen diverse Fördermittel in die Johannstadt. Durch den Neustadttypus bedingt weist sie eine für Dresdner Verhältnisse hohe Einwohner-Dichte von 6848 Einwohner pro Quadratkilometer auf, und ihre Bevölkerungsstruktur ist im Wandel. Das Bund-Länder-Stadt-Programm „Soziale Stadt / Sozialer Zusammenhalt“ steuert 11,4 Millionen. zum mit 20,4 Mio. veranschlagten städtischen Aufwertungsansatz „Fördergebiet Johannstadt-Nord“ bei. Dessen Verlängerung bis ins Jahr 2026 ist beantragt. Die Maßnahmen sollen zur „Überwindung städtebaulicher Missstände und sozialer Probleme“ beitragen. Auch die räumliche Neuerung des Familienzentrums war darin von Anbeginn vorgesehen.
Manchen der Johannstädter Erstbewohner ist der Habitus der neuen Nachbarn, die teils aus dem Ausland zugezogenen sind, fremd – „Dürfen die hier einfach so grillen?“, fragt beim Besichtigungstermin ein Passant. Er lugt mürrisch in den Hof des Familienzentrums. Architekt Alexander Pötzsch sitzt gelassen auf einer der in die ehemalige Fabrikwand eingelassenen Bänke. Klematis erobern sich die Mauern. Von mehr oder weniger fern oder nah trägt der Wind den Geruch von Grillwurst heran. Es ist ein Freitagnachmittag im Juni. Kinder spielen auf der liebevoll und vielschichtig begrünten und mit interaktiven Elementen von Schachbrett bis Trampolin ausgestatten Spielstraße. Pötzsch zuckt mit den Schultern. In gewisser Weise ist dieser Hof genau dafür da: für Austausch, Begegnung, Hinterfragen und bestenfalls, um Konflikte zu lösen.
„Auch bei der Gestaltung haben wir Irritationen zugelassen. Unser Ansatz ist vielleicht etwas ruppig, aber darin auch pädagogisch“, sagt der Planer und verweist auf die unterschiedlichen Beschaffenheiten des Putzes. „Das Gebäude war eine Bruchbude. Wir haben es sparsam instandgesetzt.“ Wo jetzt der Hof ist, war einst die Schokoladenherstellung verortet. Das eigentliche Familienzentrum belegt die drei Etagen des langgestreckten Gebäudes zu dessen Seite. Es umfasst neben dem Jugendclub Besprechungs- und Beratungsräume, Büros und eine „Bibliotop“ genannte Tauschbibliothek. Zudem gibt es eine betreute Wohngruppe für acht Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren und zwei Apartments, in denen sich Jugendliche aufs Alleinleben vorbereiten können. Wo der Neubau den Bestand aus Backstein mit Hohllochziegelblöcken repariert und ergänzt, wurden die Brüche im Inneren unverputzt sichtbar belassen. Nach außen sind die entsprechenden Partien mit Strukturputz abgebildet. Der Bestand hingegen wurde geschlemmt, und so tritt die Struktur der alten Ziegelmauer zutage. Den Großteil des Obergeschosses wie auch einen rückwärtigen Bereich – wo eine bislang ungenutzte Notfallunterkunft andockt – setzten die Architekten in Holzständerbauweise um. Dort ist die Fassade mit einem Glattputz behandelt. Pötzsch schreibt der collagenhaften, scheinbaren Halbfertigkeit des Projekts erzählerisches Potenzial zu. Die Jugendlichen und die Sozialarbeiterinnen nutzen die angebotene Freiheit: Im Hof haben sie Hochbeete gebaut und bepflanzt. Sogar das Jugendamt habe die sichtbaren Reparaturen und Oberflächen ohne kosmetische Nachbehandlung wohlwollend angenommen, bestätigt eine Mitarbeiterin. Die ehrliche Ästhetik gibt Kindern und Erwachsenen auf nahbare Art und Weise mit auf den Weg, wie wichtig ein schonender, abwägender Umgang mit Ressourcen ist – seien sie materieller oder finanzieller Natur, und beweist, wie bereichernd das Resultat sein kann.



Fakten
Architekten Alexander Poetzsch Architekturen
Adresse Lili-Elbe-Straße 7, 01307 Dresden


aus Bauwelt 20.2024
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