Bauwelt

Firmensitz in Cittadella


Was tun mit einem Gewerbe­komplex, um den herum sich ein Wohngebiet entwickelt hat? Im italienischen Cittadella hat TRES Architettura ei­­nen 60er-Jahre-Firmensitz umgestaltet und Räume für neue Nutzungen geschaffen.


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Der Urzustand des Firmengeländes in den 60er Jahren. Später wurde eine kürzere dritte Halle angebaut sowie ein Bürotrakt.
    Foto: La Meccanica

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    Der Urzustand des Firmengeländes in den 60er Jahren. Später wurde eine kürzere dritte Halle angebaut sowie ein Bürotrakt.

    Foto: La Meccanica

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    Öffnung zur Umgebung war ein Ziel der Umgestaltung und Erweiterung, ...
    Foto: Aldo Amoretti

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    Öffnung zur Umgebung war ein Ziel der Umgestaltung und Erweiterung, ...

    Foto: Aldo Amoretti

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    ... denn nun passiert mehr auf dem Areal als reiner Maschinenbau.
    Foto: Aldo Amoretti

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    ... denn nun passiert mehr auf dem Areal als reiner Maschinenbau.

    Foto: Aldo Amoretti

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    Die neuen Räume im Obergeschoss der nördlichen Halle lassen sich als Cowor­k­ing Space wie Veranstaltungsbereich nutzen.
    Foto: Aldo Amoretti

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    Die neuen Räume im Obergeschoss der nördlichen Halle lassen sich als Cowor­k­ing Space wie Veranstaltungsbereich nutzen.

    Foto: Aldo Amoretti

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    Ihre Gestaltung spielt an auf die Präzision des Maschinenbaus.
    Foto: Aldo Amoretti

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    Ihre Gestaltung spielt an auf die Präzision des Maschinenbaus.

    Foto: Aldo Amoretti

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    Produziert wird auch weiterhin auf dem Gelände: Die beiden südlichen Hallen erfuhren nur ein behutsames Facelift.
    Foto: Aldo Amoretti

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    Produziert wird auch weiterhin auf dem Gelände: Die beiden südlichen Hallen erfuhren nur ein behutsames Facelift.

    Foto: Aldo Amoretti

Cittadella, eine Kleinstadt von 20.000 Einwohnern dreißig Kilometer nördlich von Padua in der italienischen Region Venetien, ist eine „città murata“, eine ummauerte Stadt. Zwar ist die auf einem typisch mittelalterlichen Straßengitter gebaute Altstadt auch heute noch das nicht in Frage stehende Zentrum der Stadt, in dem gewohnt, gearbeitet, eingekauft wird, die gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauer, die den Stadtkern umfasst, konnte aber nicht verhindern, dass sich Cittadella in den letzten siebzig Jahren ins Umland ausgedehnt hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg beispielsweise, als Venetien vornehmlich noch agrarwirtschaftlich geprägt war, war das Areal um die heutige Via Trieste noch un­bebaut; dass sich damals hier, an der heutigen Via Isonzo, ein junger Mann selbständig machte und ein Unternehmen zum Bau von Futtermaschinen für die Landwirtschaft gründete, La Meccanica genannt, war ein klassischer Fall von Auslagern störender Funktionen – nicht Lärm, nicht Schmutz konnten hier damals jemanden schädigen. Seitdem wurde die Umgebung jedoch nach und nach zu einem Wohngebiet; immer mehr Einfamilienhäuser entstanden rings um den Betrieb, während sich die heutigen Gewerbegebiete noch weiter von der Stadt entfernt entwickelten, nördlich der Regionalstraße 53 etwa, im Osten, zwischen Cittadella und dem benachbarten Tombolo, und im Süden der Stadt, beim Dorf Facca. So stellte sich die Frage, ob es nicht sinnvoll sei, auch diesen Betrieb umzusiedeln, die beiden Hallen mit ihren für den italienischen Industriebau der sechziger Jahre typischen Beton-Tonnendächern und den zugehörigen kleinen Büroriegel abzureißen und das Grundstück mit Wohnhäusern zu bebauen. Doch der Eigentümer entschied sich anders.
„LaMec Italia“ heißt der heute hier ansässige, Anfang der 1990er Jahre gegründete Betrieb, und wie der Name vermuten lässt, ist er mit dem mittlerweile im besagten Facca ansässigen Maschinenbauer verwandt; das Tochterunternehmen widmet sich vor allem der Wartung, Reparatur und technischen Anpassung von Maschinen in Mischfutterwerken, baut aber auch selbst derartige Anlagen. Statt eines Neubaus auf der „grünen Wiese“ wurde die alte Produktionsstätte in den letzten zehn Jahren in mehreren Abschnitten erneuert; der jüngste Bauabschnitt, 2022 vollendet, bedeutet vorerst den Abschluss der Transformation.
Für die Planung verantwortlich zeichnet das Büro TRES architettura + ingegneria des Architekten Giorgio Simioni. Kern des Projekts war die Erweiterung der Funktionen an der historischen Betriebsadresse – nicht nur produziert und repariert werden sollte hier künftig, es sollten auch Forschung und Entwicklung sowie Fortbildungsveranstaltungen Platz finden, und nicht zuletzt wünschte der Bauherr, das Gelände zur Umgebung und in die Stadt zu öffnen, optisch wie funktional. Die erste Veränderung, die Passanten und Besucherinnen auffallen dürfte, ist der Wegfall der provisorisch wirkenden Unterstände auf der Grundstücksgrenze, die das Areal zur Nachbarschaft abschirmten, und verschwunden ist auch der Zaun, der das Gelände umgab. So kann der Blick sich auf die baulichen Veränderungen richten, und diese sind ausgesprochen wirksam, auch wenn Simioni mit seinem Team durchaus respektvoll mit dem Vorgefundenen gearbeitet hat. Man sieht einen ebenso unvoreingenommenen wie unverkrampften Umgang mit dem Bestand, wie er in Italien ja tief verwurzelt ist; ein Palimpsest wie die Stadt Rom, wo seit 2000 Jahren bestehende Strukturen zwar ohne viel Federlesens überschrieben werden, dabei aber Vorhandenes nicht ausgelöscht, sondern in etwas Neues überführt wird, ist dafür wohl das prominenteste Symbol.
In Cittadella zeigt sich dieser Ansatz so: Die später angebaute Tonnenhalle, die nördlich an die beiden ersten, 1961 errichteten Hallen anschließt, haben TRES auf deren Dimension verlängert, freilich als Stahl-, nicht als Beton­kons­truktion – sie dient nun nicht mehr dem Ma­­schi­nenbau, sondern den neuen Aufgaben und Möglichkeiten, die der Komplex bietet. Sodann fällt der neue Bürotrakt mit seiner filigranen Stahl-Glas-Fassade ins Auge, der die Hallen im Norden begrenzt. Und nun ist mit dem letzten Bauabschnitt ein totemartiger, mit Streckmetall umhüllter Treppenturm hinzugekommen, der in der Nordwestecke quasi das Scharnier zwischen Büroflügel und Hallen bildet und die obere Ebene in der erneuerten Nordhalle separat erreichbar macht.
Mit diesem Treppenturm hat der angesprochene Wunsch nach Öffnung des Areals ein bauliches, bei Dunkelheit wirksam hinterleuchtetes Zeichen gefunden, aber auch ein ganz praktisch zu nutzendes Werkzeug für diese Öffnung. Denn oben, unter der neuen Tonne, ist eine Raumflucht entstanden, die auch von anderen Unternehmen, Vereinen und städtischen Institutionen gemietet werden kann, für Seminare, Besprechungen oder Konferenzen oder auch als Coworking Space. Die Räume lassen sich über ein einfach zu bedienendes Faltwandsystem schnell zusammenschalten, so dass bei Veranstaltungen ein bis zu siebzigköpfiges Publikum Platz findet.
Nicht nur, wer zuvor in den auch nach der Transformation sehr werkshalligen Bestandshallen war, wird überrascht sein über die elegante Kühle, die hier oben gestalterisch vorherrscht. Weiches, diffuses Tageslicht fällt durch die Oberlichtbänder ins Innere und durch den gläsernen Boden des seitlichen Korridors bis hinunter ins Erdgeschoss in den dort eingerichteten Showroom, was das Fehlen von Ausblicken in diesem auf beiden Längsseiten angebauten Bereich verschmerzbar scheinen lässt. Die konzentrierte, ruhige Stimmung der Räume liegt auch hier begründet, und wer doch mal abschweifen will, bleibt mit den Augen vielleicht an der sichtbaren Stahlkonstruktion hängen und nimmt die Gewissenhaftigkeit wahr, mit der die Architekten sich ihren Details gewidmet haben.



Fakten
Architekten TRES architettura + ingegneria, Fontaniva
Adresse Via Nicolini, 1, 35013 Cittadella PD, Italien


aus Bauwelt 2.2024
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