Hauptgüterbahnhof in Hannover
Weiße Streifen auf dunklem Grund – innen wie außen. Es ist ein einfaches Konzept, mit dem AFF Architekten und Topotek 1 den früheren Güterbahnhof in Hannover aus seinem Schattendasein befreit und wieder mit der Stadt verbunden haben. Aber es funktioniert.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
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Rollen in Strichrichtung. Der neue, südliche Vorplatz vor dem Güterbahnhof Hannover mit einer von Topotek 1 entworfenen Skateanlage.
Foto: Hanns Joosten
Rollen in Strichrichtung. Der neue, südliche Vorplatz vor dem Güterbahnhof Hannover mit einer von Topotek 1 entworfenen Skateanlage.
Foto: Hanns Joosten
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Der Umbau ist Teil eines innerstädtischen Entwicklungsgebiets – zwischen Bahngleisen, Gründerzeitquartier und einem alten Continental-Werk.
Foto: Hanns Joosten
Der Umbau ist Teil eines innerstädtischen Entwicklungsgebiets – zwischen Bahngleisen, Gründerzeitquartier und einem alten Continental-Werk.
Foto: Hanns Joosten
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Rampe am Südeingang der Halle. Die Post hatte sich hier bereits vor dem Umbau eingemietet.
Foto: Hans-Christian Schink
Rampe am Südeingang der Halle. Die Post hatte sich hier bereits vor dem Umbau eingemietet.
Foto: Hans-Christian Schink
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Die Halle wurde immer wieder erweitert, was u.a. zu der merkwürdigen Ecksituation im Südosten führte. Der Zustand vor ...
Foto: AFF Architekten
Die Halle wurde immer wieder erweitert, was u.a. zu der merkwürdigen Ecksituation im Südosten führte. Der Zustand vor ...
Foto: AFF Architekten
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... und nach der Sanierung.
Foto: Hans-Christian Schink
... und nach der Sanierung.
Foto: Hans-Christian Schink
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Die Trampolinhalle
Foto: AFF Architekten
Die Trampolinhalle
Foto: AFF Architekten
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Seitengang und ...
Foto: Hans-Christian Schink
Seitengang und ...
Foto: Hans-Christian Schink
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Hauptachse: Breite und Abstand der Streifen variieren, wodurch abschnittsweise eine farbliche Dichte entsteht.
Foto: Hans-Christian Schink
Hauptachse: Breite und Abstand der Streifen variieren, wodurch abschnittsweise eine farbliche Dichte entsteht.
Foto: Hans-Christian Schink
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Boulderanlage im östlichen Abschnitt. Noch sind nicht für alle Räume der Halle Mieter gefunden.
Foto: AFF Architekten
Boulderanlage im östlichen Abschnitt. Noch sind nicht für alle Räume der Halle Mieter gefunden.
Foto: AFF Architekten
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Terrasse mit zwei der über das gesamte Gelände verteilten Peitschenleuchten.
Foto: Hans-Christian Schink
Terrasse mit zwei der über das gesamte Gelände verteilten Peitschenleuchten.
Foto: Hans-Christian Schink
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Blick nach Süden auf die Rückseite des Hochhauses, in dem früher Bahnmitarbeiter übernachteten.
Foto: Hans-Christian Schink
Blick nach Süden auf die Rückseite des Hochhauses, in dem früher Bahnmitarbeiter übernachteten.
Foto: Hans-Christian Schink
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Foto: Hans-Christian Schink
Foto: Hans-Christian Schink
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Einer der wenigen, streifenfreien Räume befindet sich zwischen Parkhaus und dem Nordeingang der Halle.
Foto: AFF Architekten
Einer der wenigen, streifenfreien Räume befindet sich zwischen Parkhaus und dem Nordeingang der Halle.
Foto: AFF Architekten
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Der noch nicht realisierte Umbau des leerstehenden Unterkunftsgebäudes ...
Visualisierung: Aurelis/Architekten
Der noch nicht realisierte Umbau des leerstehenden Unterkunftsgebäudes ...
Visualisierung: Aurelis/Architekten
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... zu einem Hotel liegt nun in den Händen des Generalunternehmers.
Foto: Topotek 1
... zu einem Hotel liegt nun in den Händen des Generalunternehmers.
Foto: Topotek 1
Es gab eine Zeit, da war es ein Akt der Rebellion, sich ein Brett mit vier Rollen zu nehmen und damit auf kommunaler Infrastruktur herumzuspringen. Auch und gerade in Hannover. In der Stadt, deren Erwähnung bei vielen nur ein Achselzucken hervorruft, wagte es vor zehn Jahren ein Jugendlicher, auf einer Brache einen illegalen Skatepark anzulegen. Mit Freunden schleppte er Zementsäcke, mischte den Zement mit Wasser aus einem Bach und goss kleine Rampen mit Charakter. Doch der Grundstückseigentümer räumte den Park mit Bulldozern wieder ab – bis er dank eines Pachtvertrags mit der Stadt erneut und größer aufgebaut werden konnte. Inzwischen gehört der 2er Skatepark zum Aushängeschild des „alternativen“ Hannovers, wie auch das Skaten Teil eines gesunden Freiraumgefüges einer jeden Großstadt geworden ist.
Bei einem neuen Hannoveraner Projekt, dem umgebauten ehemaligen Güterbahnhof, gebührt den Skatern gleich die prominenteste Stelle am Südeingang, als sorge das Gleiten und Grinden über den Vorplatz für eine stete Verjüngungskur des 1877 errichteten Kopfbahnhofs. Dieser war in den 1950er Jahren wiederaufgebaut und 1997 stillgelegt worden – und alterte seither inmitten der niedersächsischen Hauptstadt vor sich hin.
Auf der Suche nach einer Nachnutzung beauftragte der Eigentümer, die Aurelis Real Estate, die Berliner AFF Architekten 2013 mit einer Entwurfsstudie für eine Gewerbe- und Freizeitnutzung des Areals – bei einer gewünschten Verkleinerung der Halle von 40.000 auf 22.000 Quadratmeter. Zwei Jahre später war der Rückbau bereits Realität.
Ruhig und kräftig
Trotz der Halbierung ihrer Fläche hat die ehemalige Bahnanlage nicht an Präsenz verloren, ist aber überschaubarer und nachbarschaftskompatibel geworden. Vor allem rückt eine kräftige Kontrastierung die Halle wieder ins Sichtfeld: Die anthrazitfarbene Lackierung der Stahlkonstruktion und Trapezbleche, das warmrote Mauerwerk und die dunkle Asphaltierung treffen auf eine durchlaufende Bodenmarkierung mit weißen Streifen. Die Linien erinnern unweigerlich an die Handschrift und das große Kopenhagener Werk der Landschaftsarchitekten Topotek 1, die auch hier für die Freiraumplanung verantwortlich zeichneten. Im Gegensatz zur geschwungenen Markierung beim „Superkilen“-Park verlaufen die Streifen in Hannover allerdings geradlinig und quer zur Hallenausrichtung, um diese nicht visuell in die Länge zu ziehen. Wie ein Teppich soll die Markierung die Freiräume und Gebäude – die Halle, ein Parkhaus und ein leerstehendes Hochhaus, das früher Bahnmitarbeitern als Unterkunft diente – auf einem Grund vereinen. Zusätzlich wiederholen kleine Streifen auf Schildern, Mülleimern und Peitschenleuchten das Branding. Bemerkenswert ist nicht nur, dass es mit den Linien gelingt, eine bei anderen Projekten oft lieblos angehängte Parkplatzfläche ins Areal zu integrieren, sondern auch, dass die Markierung bis auf städtischen Grund reicht – der„Teppich“ vor die Füße der Passanten gerollt wurde. Für diese Grenzüberschreitung setzte sich auch die Stadt Hannover, vorweg Stadtbaurat Uwe Bodemann, ein und schloss mit der Aurelis einen städtebaulichen Vertrag über Planung und Bau der öffentlichen Flächen.
Ohnehin waren Bauherr und Stadt den Ideen der Planer gegenüber aufgeschlossen – wenn auch mit Abstrichen. Die weißen Linien mussten entgegen dem Entwurf regelmäßig unterbrochen werden. Da das Gelände auf das Niveau der früheren Laderampe ansteigt, hatte die Stadt Bedenken, Regenwasser könnte sich an den Streifen stauen und im Winter gefrieren. Eine aufgrund der geringen Streifenhöhe übertriebene Sorge, so die Architekten.
Bei der Fassadengestaltung zur Bahnseite bestand der Bauherr auf eine einfache Ziegelverblendung vor einem WDVS. Vorbeirauschenden Bahnfahrern sollte dies kaum auffallen. Dafür war im Innern weiterhin der freie Blick auf die Stahlkonstruktion der Wände möglich. Das übrige Mauerwerk wurde saniert und von innen gedämmt. Die Fensterbänder konnten erhalten bleiben, die Drahtglasscheiben wurden gegen eine außenliegende Polycarbonatverglasung getauscht. Eine Entdeckung an der Südseite war eine große, ausgerundete Rahmenstütze, die teilweise durch eine Mauerwerk-Vorsatzschale verdeckt war und nun den Haupteingang rahmt.
Leider ist im Innern der für eine Halle übliche Weitblick einer Parzellierung für die unterschiedlichen Nutzerbereiche zum Opfer gefallen. Eine favorisierte Gegenmaßnahme der Architekten, die Trennwände mit einem stark spiegelnden Material wie Edelstahl auszuführen, wodurch sich die Weite der Halle hätte simulieren lassen, scheiterte an den Kosten. Immerhin kann die Hauptachse noch eine spürbare Breite aufweisen. Das verhindert nicht nur ein Engegefühl, sondern zelebriert auch die volle industrielle Kraft genieteter Stahlfachwerkträger. In den Mietabschnitten – eine Trampolinhalle, eine Boulderanlage, ein italienischer Supermarkt – blieb dieser ungestörte Blick auf die Konstruktion durch die Einbauten nur in Teilen möglich.
Die Stärke eines durchgehaltenen Entwurfskonzepts zeigt sich auch, wenn man die Halle nach Norden verlässt. Ein viergeschossiges System-Parkhaus, das hier hochgezogen wurde, hat ebenfalls eine dunkle, allerdings perforierte, Trapezblechverkleidung erhalten und stellt der Halle einen dankbaren Hochpunkt zur Seite. Ein zweiter Hochpunkt, der leerstehende Turm im Süden, soll äußerlich ähnlich gestaltet, aufgestockt und zum Hotel umgebaut werden.
Die Seite mit dem größten Potenzial aber weist nach Westen, in Richtung des belebten Engelbosteler Damm. Neben dem knallgelben Verteilzentrum der Deutschen Post wird hier der Platz geebnet für weiteren Gewerbebau, der in Zukunft bis vor die Westseite der Halle reichen könnte. Hier haben die Architekten bereits eine große Terrasse angelegt, versehen mit den wiederkehrenden Elementen des Geländes: Peitschenleuchten, die sich mit Platanen abwechseln, Fahrradbügel, die eine Brüstung bilden, und weiße Streifen, die konsequent bis auf die unterste Treppenstufe gezogen wurden.
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