Bauwelt

Sluishuis in Amsterdam


Mit dem Wohngebäude Sluishuis haben Barcode Architects mit BIG eine Landmarke am Auftakt der Amsterdamer Stadterweiterung IJburg gesetzt, die zwischen urbaner Dichte und Polderlandschaft vermittelt


Text: Thein, Florian, Berlin


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    Blick nach Westen Richtung Stadtzentrum. In Bildmitte ist die im Volksmund als „Beha“ bezeichnete Enneüs-Heerma-Brücke von Nicholas Grimshaw zu sehen.
    Foto: Ossip van Duivenbode

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    Blick nach Westen Richtung Stadtzentrum. In Bildmitte ist die im Volksmund als „Beha“ bezeichnete Enneüs-Heerma-Brücke von Nicholas Grimshaw zu sehen.

    Foto: Ossip van Duivenbode

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    Der Innenhof transponiert die traditionell enge Wohnbeziehung der Niederlande ...
    Foto: Hans Wilschut

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    Der Innenhof transponiert die traditionell enge Wohnbeziehung der Niederlande ...

    Foto: Hans Wilschut

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    ... zum Wasser in den gro­ßen Maßstab.
    Foto: Hans Wilschut

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    ... zum Wasser in den gro­ßen Maßstab.

    Foto: Hans Wilschut

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    Das flimmernde Zusammenspiel von Licht und Wasser reflektiert an der Aluminiumfassade.
    Foto: Ossip van Duiven­bode

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    Das flimmernde Zusammenspiel von Licht und Wasser reflektiert an der Aluminiumfassade.

    Foto: Ossip van Duiven­bode

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    Vom Wasser aus betrach­­tet erinnert die Schnitt­kante an den Bug eines Ozeanriesen.
    Foto: Ossip van Duiven­bode

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    Vom Wasser aus betrach­­tet erinnert die Schnitt­kante an den Bug eines Ozeanriesen.

    Foto: Ossip van Duiven­bode

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    Um den optischen Kontrast zwischen Aluminiumfas­sa­­-de und Holzschalung langfristig zu erhalten, sind die Bretter imprägniert und in einem holzähnlichen Braunton lackiert.
    Foto: Florian Thein

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    Um den optischen Kontrast zwischen Aluminiumfas­sa­­-de und Holzschalung langfristig zu erhalten, sind die Bretter imprägniert und in einem holzähnlichen Braunton lackiert.

    Foto: Florian Thein

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    Noch taugt das spärliche Grün nur bedingt als Filter zwischen der öffentlich zugänglichen Treppenanlage und den privaten Terrassen.
    Foto: Hans Wilschut

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    Noch taugt das spärliche Grün nur bedingt als Filter zwischen der öffentlich zugänglichen Treppenanlage und den privaten Terrassen.

    Foto: Hans Wilschut

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    Das Sluishuis ragt über das IJmeer und bietet auf seinem Rundgang übers Dach einen Ausblick auf die Polderlandschaft.
    Foto: Ossip van Duivenbode

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    Das Sluishuis ragt über das IJmeer und bietet auf seinem Rundgang übers Dach einen Ausblick auf die Polderlandschaft.

    Foto: Ossip van Duivenbode

Beim Landeanflug auf Amsterdam Schiphol ist die östlich des Zentrums gelegene Stadterweiterung IJburg gut zu erkennen. Erstmals bereits 1965 von Van den Broek en Bakema als Konzept präsentiert, begann man hier 1999 mit der zentrumsnahen Landgewinnung im IJmeer. Mit Hilfe des sogenannten Pancake-Verfahrens, bei dem Geotextil- und Sandschichten abwechselnd wie Pfannkuchen gestapelt werden, erwuchsen dem Binnensee bisher drei künstliche Inseln, drei weitere sollen folgen.
Vom Hauptbahnhof Amsterdam Centraal erreicht man mit der Tram in etwa zwanzig Minuten Steigereiland, die erste der über eine zentrale Erschließungsachse verbundenen Inseln. Durch die markanten Bögen der Enneüs-Heerma-Brücke von Nicholas Grimshaw glänzt bereits aus der Ferne eine silberne Raute über dem Wasser.
Der großformatige Geschosswohnungsbau Sluishuis ging aus einem Wettbewerb hervor, zu dem Barcode Architects eingeladen waren. Das Erfordernis eines auf dem Wasser gebauten Referenzobjektes führte dann im Weiteren zu einer Zusammenarbeit mit BIG Bjarke Ingels Group, die mit ihrem Projekt AARhus eben jenes aufweisen konnten. Am Entwurf arbeitete je ein fünfköpfiges Team in Rotterdam und eines in Kopenhagen, die über Modelle in stetigem Austausch standen. Ausgehend vom maximal möglichen Volumen im vorgegebenen Baufenster von 100 x 100 x 36 Metern entschied man sich für einen klassischen Wohnblock mit Innenhof. Zwei sich diametral gegenüberliegende, diagonal abgeschnittene Gebäudeecken – einmal oben, einmal unten – erzeugen einen skulpturalen Körper. Die exakte Wahl der Schnitte war dabei unmittelbare Folge des Umgangs mit den örtlichen Gegebenheiten.
So sorgt der Schnitt an der südlichen Spitze des Blocks, der die beiden angrenzenden Flügel kaskadenartig von elf Geschossen auf ein Geschoss absenkt, für maximale Sonnenausbeute im Innenhof. Gleichzeitig vermittelt das Sluishuis an dieser Stelle den Maßstabssprung zur gegenüberliegend anschließenden, experimentellen Siedlung Waaterburt-West von Marlies Rohmer. Deren schwimmenden Wohnwürfeln wurde zwar die direkte Aussicht auf Landschaft und Wasser verbaut, aber zumindest kann der Blick nun über eine urbane Berglandschaft schweifen, anstatt an einer elfgeschossigen Wand abzuprallen.
Nach dem Prinzip von Hülle und Kern findet dort, wo die Stufen in den Block geschnitten sind ein Materialwechsel statt und die entfernte Glasur aus unbehandelten Aluminiumpaneelen gibt den Blick frei auf eine vertikale Holzschalung aus Douglasie. Noch sind die durch die Abtreppung gebildeten, einigen Privatwohnungen zugeschlagenen Terrassen recht spärlich begrünt. Die aus einem breiten, umlaufenden Pflanztrog bestehende Brüstung lässt jedoch hoffen, dass künftig üppiges Grün als starkes Pendant zur glatten Außenhaut in den hängenden Gärten wuchert.
Die bis zum Boden heruntergezogene Großform ist mit einer öffentlich zugänglichen Treppenanlage kombiniert, die mittig durch die Terrassen schneidet und einmal über das Dach des gesamten Gebäudes führt. An zentraler Stel­-le entlohnt ein kleiner Aufenthaltsbereich mit Blick Richtung Buiten-IJ den sportlichen Aufstieg. Das inzwischen angebrachte Schild mit der Aufschrift „Verboden toegang voor onbevoegden“ zeugt davon, dass der rege öffentliche Gebrauch des Rundwegs teilweise wohl für Konfliktpotential an der Schnittstelle zum Privaten gesorgt hat.
In der Gesamtproportion kaum bemerkbar, ist derabgetreppte Süd-Ost-Flügel um einige Meter verkürzt, was den Block an dieser Stelle im Erdgeschoss zum Innenhof hin öffnet. Gleich beim Betreten offenbart sich die Auswirkung des zweiten Diagonalschnittes in der Struktur – die fehlende untere Ecke öffnet den Block zur Seeseite. Der dreieckige Ausschnitt, der sich mit seiner Wasserspiegelung optisch zur Raute schließt, bietet einen gerahmten, fast gemäldeartigen Blick auf die Polderlandschaft. Das Urbane ist an dieser Stelle ausgeblendet, das Sluishuis erfüllt seine namensgebende Bestimmung als Schleuse zwischen Stadt und Landschaft. Der zurückgesetzte, L-förmige Innenhof ist mit Sitzstufen bis ans Wasser herangeführt und zwei Stege ermöglichen das Anlegen mit kleinen Booten. Da auch hier die Öffentlichkeit Zutritt hat, wird die Anlage für wassernahe Betätigungen aller Art nicht nur von den Bewohnern gerne genutzt, die zudem aber – der Mailänder Scala nicht unähnlich – dem Schauspiel von ihren Balkonen aus folgen können.
Da qualitätssteigernde Maßnahmen wie die markanten Schnitte am Gebäudevolumen einem Investor nur selten ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wurde der Ökonomie durch Verbreiterung der Gebäudeflügel Rechnung getragen und so nahezu die gleiche nutzbare Fläche wie bei einem geschlossenen Körper erreicht. Die Steigerung der Tiefe von regulär etwa 13 Metern auf 23 Meter bedingte, ob sinnvoll nutzbarer Grundrisse, eine Mittelgangerschließung. Lediglich im Dachgeschoss finden sich Maisonettes, deren obe­re Ebene zu beiden Seiten orientiert ist. Dennoch ist der Blick aufs Wasser durch den Schnitt auch für die hofseitigen Wohnungen gegeben. Basierend auf einem Raster von 5 Metern ergibt sich durch modulare Erweiterung des 40 Quadratmeter großen Grundtyps ein vielfältiger Wohnungsmix mit Einheiten von bis zu 214 Quadratmetern. Die an den jeweiligen Schnitt angrenzenden Wohnungen verfügen entweder über großzügige Terrassen oder ein in der Schräge liegendes Fenster, aus dem man von oben aufs Wasser blicken kann. 270 der insgesamt 442 Wohnungen sind als Eigentumswohnungen konzipiert, der Rest wird vermietet. Sondernutzungen wie Restaurant und Fitnessstudio finden im Erdgeschoss Platz.
Die beiden massiven Wandscheiben der Mittelgangerschließung bilden die Grundstruktur des Tragwerks der Wasserüberbauung. Sie laufen über die gesamte Gebäudehöhe durch – die Geschossdecken sind angehängt –, stoßen am Kopf zusammen und münden am Fußpunkt in einem massiven Fundament. Ruht das gänzlich auf dem Wasser gebaute Gebäude, inklusive der unter Wasser befindlichen, zweigeschossigen Tiefgarage auf regulär 30 Metern tiefen Pfählen im schlammigen, wenig tragfähigen Untergrund, waren in diesen Eckpunkten bis zu 60 Meter tiefe Pfähle und Unmengen von Bewehrungsstahl nötig.
Neben ökonomischen wie sozialen Nachhaltigkeitsaspekten ist dem Sluishuis auch die breite Umsetzung ökologischer Nachhaltigkeit eingeschrieben. So verfügt das Gebäude neben einer hochgedämmten Außenhülle über Regenwasserkollektoren zur Pflanzenbewässerung sowie einer Wiederaufbereitungsanlage für Brauchwasser. Sole-Wasser-Wärmepumpen werden zur Beheizung wie Kühlung eingesetzt, die Spitzen dabei durch Anschluss an ein Fernwärmesystem aufgefangen. Ein Großteil des rechnerischen Strombedarfs des Hauses wird durch eine Photovoltaikanlage gedeckt.
Über zwanzig Jahre ist es inzwischen her, dassBart Lootsma „Superdutch“ als Sammelbegriff für die von unkonventionellen Entwürfen junger Büros bestimmte, zweite niederländische Moderne prägte. Auch wenn der Bauboom zwischenzeitlich abgeebbt und der Typus des Iconic Building ordentlich in Misskredit geraten ist, zeugt das Sluishuis davon, dass die Niederlande sich eine Portion des mutigen Geistes jener Zeit bewahren konnten. Ein wenig dieses entspannten Umgangs mit dem experimentellen Spektakel könnte vielleicht auch hierzulande krampflösend wirken.



Fakten
Architekten Barcode Architects, Rotterdam; BIG - Bjarke Ingels Group, Kopenhagen
Adresse Haringbuisdijk, 1086 VA Amsterdam, Niederlande


aus Bauwelt 23.2022
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