Kiosk wird Kapelle in Löcknitz
Der Berliner Architekt Bernd Bess hat der katholischen Gemeinde im vorpommerschen Löcknitz einen Andachtsraum geschaffen. Es galt, einen Nutzbau zum Sakralbau zu verwandeln.
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
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Die Freude an Haptik und Materialität wird beim Kalkputz der ungedämmten Wände ...
Foto: Jan Bitter
Die Freude an Haptik und Materialität wird beim Kalkputz der ungedämmten Wände ...
Foto: Jan Bitter
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... ebenso deutlich wie an der Tür aus Eiche.
Foto: Jan Bitter
... ebenso deutlich wie an der Tür aus Eiche.
Foto: Jan Bitter
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Auch die Ausstattungstücke konnte der Architekt gestalten.
Foto: Jan Bitter
Auch die Ausstattungstücke konnte der Architekt gestalten.
Foto: Jan Bitter
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Die Figuren von Maria und Josef aus den 50er Jahren ...
Foto: Jan Bitter
Die Figuren von Maria und Josef aus den 50er Jahren ...
Foto: Jan Bitter
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... stammen aus einer privaten Kapelle.
Foto: Jan Bitter
... stammen aus einer privaten Kapelle.
Foto: Jan Bitter
Ist es ein großes Dorf? Oder eine winzige Stadt? Wer zum ersten Mal nach Löcknitz kommt, ist irritiert. Die Bebauung ist weitläufig und offen, eine städtisch wirkende Raumbildung nicht vorhanden, gleichzeitig gibt es aber auch große Einzelbauten: eine mittelalterliche Burganlage, ein Kaufhaus aus den sechziger und Wohnblock aus den siebziger Jahren, Richtung See den Campus der Regionalen Schule mit Bauten aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Gleich gegenüber erhebt sich ein massives, turmartiges Gebäude, daneben steht ein Flachbau mit Satteldach. Das auf den ersten Blick nicht gleich einzuordnende Objekt ist ein neuer Sakralbau, und zwar für die katholische Bevölkerung von Löcknitz. Man höre und staune: Diese Gemeinde wächst!
Das vorpommersche Binnenland wird gemeinhin nicht unbedingt mit Aspekten von Wachstum welcher Art auch immer in Verbindung gebracht. Auch Löcknitz war lange Zeit ein schrumpfender Ort; die Einwohnerzahl sank von 3700 im Jahr 1990 auf 2900 im Jahr 2005. Seitdem aber ist der Ort langsam, aber stetig wieder größer geworden, zählte über 3200 Einwohner im Jahr 2019. Der Zuzug kommt von Osten: Bis zur deutsch-polnischen Grenze sind es nur zehn Kilometer, in die westpommersche Hauptstadt Stettin gerade 25. Und Stettin wächst. Wächst und wird teurer: Häuslebauer – die Polen sind begeisterte Häuslebauer (
Bauwelt 3.2014) – haben es im Umfeld der 400.000-Einwohner-Stadt zunehmend schwer, an Baugrund zu kommen. So weichen sie aus, ins strukturschwache Vorpommern, schicken die Kinder dort auf deutsch-polnische Schulen und pendeln zur Arbeit über die Grenze.
An einer Begegnungsstätte für die katholischen Neubürger in Löcknitz und Umgebung herrschte also Bedarf – bislang fand sich die nächste katholische Kirche erst in der 17 Kilometer westlich gelegenen Kleinstadt Pasewalk. Der leerstehende Restaurant-Bau in der Straße „Am See“ bot sich an für eine Umnutzung zum Gemeindezentrum, verfügte der kurz vor Untergang der DDR als Jugendclub errichtete Bau doch über einen ausreichend großen Saal. Andächtige Stimmung aber kommt dort nicht auf. Und so fiel im fernen Berlin – der Pastoralraum des Erzbistums ist groß, reicht von dort fast bis nach Rügen – die Entscheidung für einen „richtigen“ Andachtsraum: und zwar in dem kleinen, quadratischen Anbau, der einst als Kiosk die zum See oder zum Freilufttheater Spazierenden mit Snacks und Getränken versorgte.
Gerade mal 14 Quadratmeter maß die kleine Gasbetonkonstruktion, über der sich ein großes Dach zur Straße streckte, den Gästen Unterstand bietend. 14 Quadratmeter sind nicht viel für eine Kapelle. Doch die Aufgabe, die sich Bernd Bess stellte, war nicht in erster Linie quantitativer Natur: „Wie wird ein Kiosk zur Kapelle?“, fragte sich der Berliner Architekt. Und wie könnte dieser Kleinstbau städtebauliche Präsenz entfalten? Ansatzpunkt des Entwurfs war ein 90 Zentimeter messender Versprung im Grundriss, der so etwas wie Haupt- und Seitenschiff schafft – beides sei hier in Anführungszeichen gedacht. Indem Bess Haupt- und Nebenapsis einfügte, gelang es ihm, die trennende Wirkung zu überspielen, die Raumgrenzen zu verwischen. Vor allem aber ließ sich der kleine Bau in die Vertikale strecken. Erhellt von Zenitlicht, wird die Orientierung des hohen Raums nach oben gelenkt, ins Himmlische. Städtebauliche Präsenz gab es dadurch von selbst.
Monumental aber wird der nur 7,50 Meter hohe Turm erst durch einen weiteren Kunstgriff, den Bess aus dem 25 Zentimeter höher gelegenen Boden des Kiosks entwickelte: Um das Innere stufenlos zu betreten, reicht eine breite Betonrampe vor in Richtung Straße, die die Vertikale auf den Vorplatz legt: eine „Bindung“ des kleinen Baus an sein Umfeld im Ungers‘schen Sinne.
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