Kegelbahn in Wülknitz
In Wülknitz, Landkreis Meißen, eröffnete 2018 eine neue Kegelbahn. KO/OK, ein junges Büro, dessen Partner aus Stuttgart und Leipzig zusammenarbeiten, konnte seinen Wettbewerbsbeitrag verwirklichen. Ein Projekt, das von Sensibilität für Rahmenbedingungen zeugt.
Text: Landes, Josepha, Berlin
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Der kompakte, niedrige Baukörper lässt den Blick von der Straße zum Bolzplatz frei.
Foto: Simon Menges
Der kompakte, niedrige Baukörper lässt den Blick von der Straße zum Bolzplatz frei.
Foto: Simon Menges
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Unter der Veranda stehen mittlerweile Bänke des Bistros.
Foto: Simon Menges
Unter der Veranda stehen mittlerweile Bänke des Bistros.
Foto: Simon Menges
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Im Hintergrund die orangefarbene Turnhalle aus DDR-Zeiten, im Anschnitt der 30er Jahre Altbau – jetzt Gemeindeamt.
Foto: Simon Menges
Im Hintergrund die orangefarbene Turnhalle aus DDR-Zeiten, im Anschnitt der 30er Jahre Altbau – jetzt Gemeindeamt.
Foto: Simon Menges
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Ausblick von der Veranda aufs Spielfeld.
Foto: Simon Menges
Ausblick von der Veranda aufs Spielfeld.
Foto: Simon Menges
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Schwellenloser Eingang
Foto: Simon Menges
Schwellenloser Eingang
Foto: Simon Menges
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Umkleidekabine mit Oberlicht und Aufputz-Installationen; Sanitärräume mit Raster-Versprung im Sockel; Kegelanlage, gebaut von Möckel Kegelbahnen aus Markneukirchen
Foto: Simon Menges
Umkleidekabine mit Oberlicht und Aufputz-Installationen; Sanitärräume mit Raster-Versprung im Sockel; Kegelanlage, gebaut von Möckel Kegelbahnen aus Markneukirchen
Foto: Simon Menges
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Das erwartbare Knallen der Kugeln war den Bauherren
n der Planung kein Dorn im Ohr. Auf Schallschutzelemente verzichteten die Planer aus Kostengründen.
Foto: Simon Menges
Das erwartbare Knallen der Kugeln war den Bauherren
n der Planung kein Dorn im Ohr. Auf Schallschutzelemente verzichteten die Planer aus Kostengründen.
Foto: Simon Menges
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Während des Baus entstand der Wunsch nach einer Bar im Sportbereich. Schnitt: Die Konstruktion eines Köcherfundaments ist dem industriellen Hallenbau entlehnt.
Foto: Simon Menges
Während des Baus entstand der Wunsch nach einer Bar im Sportbereich. Schnitt: Die Konstruktion eines Köcherfundaments ist dem industriellen Hallenbau entlehnt.
Foto: Simon Menges
Lokomotive heißen Sportvereine nicht von ungefähr – der ESV Lok Wülknitz liefert die Erklärung gleich doppelt: Eisenbahner Sport Vereinigung. Der in den zwanziger Jahren als SG Traktor gegründete Sportclub der 700 Seelen-Gemeinde in Nordsachsen hat vor nicht allzu langer Zeit, im Sommer 2018, eine neue Vereinsstätte bekommen: ein Sportlerheim mit Kegelbahn. Besonders hingerissen sind die Wülknitzer nämlich von kugelrundem Sportbedarf wie Kegelkugeln und Fußbällen.
Die Eisenbahn hält in Wülknitz einmal in der Stunde. Abwechselnd verkehrt sie nach Elsterwerda, Richtung Norden, fünf Stationen, und mit dem Ziel Chemnitz, über Riesa, zwei Stationen Richtung Süden. Die Bahnanbindung, den Eisenbahnersportverein und im weiteren Sinn auch das neue Sportgebäude verdankt der Ort dem seit Anfang des 20. Jahrhunderts ortsansässigen Imprägnierwerk. Hier wurde zu Hochzeiten des Netzausbaus begonnen, Bahnschwellen wetterfest zu machen; und auch die Ortsentwicklung fand Anstoß durch die Fabrik. Für den Haushalt der kleinen Gemeinde ist das Gewerbe bis heute ein Segen.
Am verwahrlosten Bahnhof liegen sich das Betriebsgelände des Imprägnierwerks und eine 1927 für dessen Beschäftigte errichtete, nun frisch sanierte Wohnanlage gegenüber. Das Angerdorf Wülknitz befindet sich knapp einen Kilometer östlich dieser – auf Sächsisch „murksischen“ – Willkommensgeste. Auf halben Weg dorthin, an der schnurgeraden, in den dreißiger Jahren angelegten Bahnhofstraße reihen sich die vor wenigen Wochen dichtgemachte Markant-Kaufhalle, das Gemeindeamt (einst die Dorfschule), mittelprächtige Wohngebäude und eigentlich nicht viel mehr. Obwohl, in zweiter Reihe, gleich neben dem Häuschen von einer Gemeindeverwaltung, knallt eine orangefarbene Kiste von einer Turnhalle und schimmert ein grauer, noch flacherer Bau. Das ist die neue Kegelbahn.
Ein neues Zentrum auf halbem Weg
2016 lobte die Gemeinde einen Wettbewerb aus, der das etwas unschlüssige Zwischenland von Bahnhof und altem Dorfkern deutlicher zum Zentrum werden lassen sollte. Die alte Kegelbahn, Treffpunkt für Jung und Alt, befand sich bis dahin noch nahe der Werkssiedlung, gleichzeitig in äußerster Randlage vis-à-vis einem Solarfeld, und war sehr marode. Zwischen Gemeindeamt und Bolzplatz hingegen zerfiel das alte Hortgebäude, das, solange noch Jugendliche Interesse daran gehabt hatten, als Jugendclub genutzt worden war.
Ob eine Instandsetzung oder ein Neubau zum Zweck des Kegelbahnumzugs, sinnvoller wäre, das zu entscheiden war den vierzehn Teilnehmern des Wettbewerbs überlassen. Punkten konnten KO/OK Architekten mit ihrem Vorschlag einer äußerst flächen- und konstruktionseffizienten neuen Holzkonstruktion aus vorgefertigten Elementen. Die beiden Partner von KO/OK, gebürtige Tübinger und Kommilitonen an der Bauhaus-Universität Weimar, hatten ihr Büro gerade erst gegründet, ein jeder an seinem Wohnort – Fabian Onneken in Leipzig und Jan Keinath in Stuttgart.
Ihre Kegelbahn setzten sie in einer Flucht hinter das Gemeindeamt. Der Blick von der Bahnhofstraße auf den dahinterliegenden Bolzplatz bleibtso frei. Um das Gebäude zieht sich des Sommers eine Blumenwiese. Waren die Mittel für die Bauaufgabe streng und eng, mangelten sie für die Gestaltung des Freiraums. Gelbe, sandgebundene Wege führen in ein Haus, das durch und durch von Pragmatismus zeugt, ohne sich Langeweile oder Resignation hinzugeben. KO/OK haben es geschafft eine graue Kiste zu bauen, die weich und nahbar wirkt. Dabei blieben sie im intensiven Austausch mit den Gemeindevertretern und über den gesamten Planungsprozess hinweg nah an ihrer Ursprungsidee.
Für die Fassade wählten die Architekten einen klassischen Aufbau, dem sie jedoch mit Proportionenspiel Leben verleihen. Ein vorgehängter, niedriger Betonsockel, mit Zuschlag aus Elbesand, erdet den Bau in kühlem Grau. Darüber strukturieren Lisenen, die im Holzbauraster von 62,5 Zentimetern tanzen, eine mit ins Grünliche tendierendem Hellgrau lasierte, vertikale Lärchenholzschalung. Das Gesims fasst eine mittelgraue, einfach zurückgetreppte Zinkkante – kein schmaler, sondern ein markierter Dachabschluss. Großflächige, bodenhohe Fenster reihen sich in die Fassadenstruktur und öffnen die öffentlichen Bereiche von Kegelbahn und Sportlerbar zum Bolzplatz. Alle privaten Räume, Umkleiden und Sanitär, werden über das Dach belichtet. In Richtung der Zuwegung umfängt das Fassadenbild zudem eine Art Veranda als Freiluft-Bistro mit Blick aufs Kick-Geschehen. Das Außenmobiliar des Horts, geschmiedete Sitzgruppen und Fahrradständer, wollten die Nutzer am liebsten ersetzt wissen, zum Glück aber fehlte dafür das Budget. Die einfach gestalteten Formen, nun in rot und grün frisch lackiert, passen gut zur Sprache des Neubaus – sie könnten dagewesen, könnten aber auch neu sein.
Im Inneren setzt sich der schnörkellos präzise Umgang mit der Bauaufgabe fort. Hier treten der naturbelassene Ton der Lärche an den Decken, weiße Wände sowie blauer und roter Linoleumbelag in Einklang. Die Elektro-Ausstattung wurde durchgehend in Aluminiumrohren auf Putz verlegt, auch die Beschläge sind in Alu gehalten. Die Raumstruktur ist simpel. Selbsterklärend erstrecken sich die Umkleideräume für Kegler und Fußballer in einer Spange links des Eingangs. Die Kegelanlage mit vier Classic-Bahnen nimmt den Großteil, etwa zwei Drittel des Innenraums, ein. Ausgestattet wurde sie, auf Wunsch der Sportler, von einer Firma aus dem Erzgebirge, die, so wissen die Experten, ihre Aufstellflächen mit den stärksten Prallwänden umfasst.
Ländliches Bauen für Zusammenhalt
Mit einem Blick auf die anderen von jenem Hersteller aus dem Erzgebirge gebauten Kegelbahnen wird deutlich: Die Wülknitzer Bauaufgabe ist nicht alltäglich. Meist werden Kegelbahnen heute in Stand gesetzt, denn Kegelvereine sind häufig Traditionsclubs. Die Aufgabe, so Architekt Onneken, sei schon ziemlich einzigartig gewesen. Was die Architekten an ihr bewiesen haben, ist, dass ein geringes Budget kein Hindernis für Qualität darstellen muss. Sie haben Funktionen gebündelt und so das Raumprogramm gestrafft. Dafür konnten hochwertige Materialen wie die langlebige Keimfarbe für die Fassade und der fein sandgestrahlte Segmentsockel verbaut werden. Die Baukosten beliefen sich auf 1,2 Millionen Euro. Unterstützt wurde die Gemeinde von der Sächsischen Aufbaubank, die im Rahmen einer Sportförderung fast die Hälfte der Kosten übernahm.
Wülknitz mag ein bisschen trostlos erscheinen, das Kegelbahn-Projekt zeigt aber, dass die Frage, ob der sächsisch-ländliche Raum ohnehin schon verloren sei, sich relativieren ließe, mit Engagement von Innen und Außen, im Miteinander. Im vergangenen Jahr erhielten KO/OK und die Wülknitzer für ihre Kegelbahn den zweiter Preis im Sächsischen Landeswettbewerb „Ländliches Bauen“.
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