Kunsthaus Baselland in Münchenstein
Buchner Bründler Architekten haben ein ehemaliges Champagnerflaschenlager auf dem Dreispitz für das Kunsthaus Baselland nutzbar gemacht.
Text: Geipel, Kaye, Berlin
-
Wagemutige Mischung aus Gewerbe, Kunstmuseum, Architekturarchiv und Loftwohnen. Im Hintergrund der dominante Turm von Herzog & de Meuron.
Foto: Kaye Geipel
Wagemutige Mischung aus Gewerbe, Kunstmuseum, Architekturarchiv und Loftwohnen. Im Hintergrund der dominante Turm von Herzog & de Meuron
.
Foto: Kaye Geipel
-
Das große Foyer, mit einem bis unter die Decke reichenden Raumvolumen - hier noch im leeren Zustand.
Foto: Maris Mezulis
Das große Foyer, mit einem bis unter die Decke reichenden Raumvolumen - hier noch im leeren Zustand.
Foto: Maris Mezulis
-
Die markanten Lichtdome bringen nicht nur zenitales Licht in die Ausstellungsräume - ...
Foto: Maris Mezulis
Die markanten Lichtdome bringen nicht nur zenitales Licht in die Ausstellungsräume - ...
Foto: Maris Mezulis
-
... sie sind auch Wahrzeichen des Museums und Teil der neuen Tragkonstruktion.
Foto: Maris Mezulis
... sie sind auch Wahrzeichen des Museums und Teil der neuen Tragkonstruktion.
Foto: Maris Mezulis
-
Ein Mittelgang erschließt die Galerieräume.
Foto: Maris Mezulis
Ein Mittelgang erschließt die Galerieräume.
Foto: Maris Mezulis
-
Die Außenwände aus Kalksandstein und die stählernen Fachwerkträger wurden erhalten.
Foto: Gina Folly/Werke von Andrea Bowers: Chandeliers of Interconnectedness, Feminist Fans, Moving in Space without asking Permission alle 2022 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Die Außenwände aus Kalksandstein und die stählernen Fachwerkträger wurden erhalten.
Foto: Gina Folly/Werke von Andrea Bowers: Chandeliers of Interconnectedness, Feminist Fans, Moving in Space without asking Permission alle 2022 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
-
Das neue Museum versteht sich als Anlaufpunkt für die lokale Kunst, verknüpft mit der internationalen
Debatte.
Foto: Maris Mezulis
Das neue Museum versteht sich als Anlaufpunkt für die lokale Kunst, verknüpft mit der internationalen
Debatte.
Foto: Maris Mezulis
-
Die Auftaktausstellung stand unter dem Stichwort Rewildung - Renaturierung.
Bild: Pati Grabowicz
Die Auftaktausstellung stand unter dem Stichwort Rewildung - Renaturierung.
Bild: Pati Grabowicz
Als einziger Beitrag hatte der Entwurf im Wettbewerb zumindest Teile des Bestands angenommen. Das Projekt fügt sich zwischen mächtige Nachbarn einerseits und vermittelt zu anderen Kreativnutzungen andererseits: Willkommen in der „productive city“!
Das Konzept einer vorbildlichen ‚productive city‘ geht in etwa so: den Bestand im bis dahin monofunktionalen Gewerbegebiet um eine Reihe ambitionierter Neubauten ergänzen; dabei keine Tabula Rasa mit dem Vorhandenen machen, sondern die Neu- beziehungsweise Umbauten als inselförmige Ankerpunkte der Bildung, des Wohnens und der Kultur unter die weiterhin funktionierenden Gewerbebauten mischen. Grüne Erholungsflächen dazwischen streuen und die Infrastruktur neu verknüpfen.
Ein solches Konzept umzusetzen ist auch in der wohlhabenden Schweiz ein Kraftakt. Das Baseler Dreispitz-Areal, einst das Zollfreilager, hat ihn sich zum Ziel gesetzt. Erster Eindruck nach dem Verlassen der nahegelegenen Tramstation: solch eine Mischung braucht nicht nur viel Zeit zum Wachsen, sie braucht auch eine gehörige Portion Geduld von den Bewohnern, den dort Arbeitenden und Lernenden. Baustellen, wohin man blickt. Ich balanciere ein gutes Stück Weg auf einer Gehwegkante zwischen Lastwägen auf der einen und Kanalarbeiten auf der anderen Seite und suche nach dem passenden Einstieg in die Helsinkistraße. Schließlich sehe ich den Turm, den ich als hilfreiche Orientierung auf dem Weg zum neuen Kunsthaus auf dem Handy ausfindig gemacht hatte.
Sich behaupten gegen den schwergewichtigen Nachbarn
Als die Christoph-Merian-Stiftung, der das Gelände an der Helsinkistraße 5 gehört, 2014 einen Wettbewerb für das Kunsthaus auslobte, stand zwei Häuser weiter dieser Turm bereits kurz vor der Fertigstellung. Hochwertige Schweizer Architektur schob sich da in den Himmel, eine achtgeschossige Betonskulptur mit umlaufenden Balkonen hinter einem Betonraster in den Obergeschossen auf einem monumentalen, fast völlig geschlossenen Sockel. Wie ein überdimensionaler Gemüsehobel steht der Bau heute am Ende der Straßenachse, von Riesenhand an mehreren Seiten eindrucksvoll eingedrückt.
Der Turm stammt, wie auch die zwanzig Jahre zurückreichende „Vision“ nebst Masterplan von 2017 für das anschließende Quartier Dreispitz Nord, von Herzog und de Meuron. Der Turm beherbergt in den oberen Geschossen Loft-Wohnungen. Im mehrgeschossigen Sockel ist seit 2014 das zuvor auf verschiedene Orte verteilte Archiv des Büros untergebracht.
Für den Wettbewerb des Kunsthauses Baselland spielte dieser Bau insofern eine wichtige Rolle, als sich das neue Museum vom dominanten Nachbarn architektonisch absetzen musste. Das ist auf den ersten Blick ausgezeichnet gelungen. Die umgenutzte Scheunenarchitektur hält dem großen Nachbarn ästhetisch stand. Drei scharfkantige Lichtkamine, die die Architekten Buchner Bründler wie riesige Samurai-Schwerter ins Dach gesteckt haben, machen aus der ehemaligen Lagerhalle ein räumliches Experiment und die Besucherinnen neugierig auf den Inhalt.
Über eine Schräge und zwei angestellte Treppen erklimmt man die Laderampe des einstigen Lagers für Champagnerflaschen. Glasscheiben anstelle der alten Tore geben den Blick frei auf das Innere. Man sieht ein großes, die gesamte Gebäudehöhe nutzende Foyer das vieles gleichzeitig sein kann: Empfang, Ausstellungshalle, Raum zum Produzieren und Diskutieren und vermutlich auch zum Feiern.
Wettbewerbsgewinn für ein partielles Reuse-Konzept
Buchner Bründler haben den Wettbewerb 2015 mit einem Reuse-Konzept gegen eine Handvoll anderer Büros gewonnen, von denen die Mehrheit die alte Halle abreißen wollte. Zu marode schien die Substanz. Buchner Bründler haben die Halle zumindest partiell erhalten, weil sie sich für das Ausstellen von Kunst gut eignet. Eine Zwischendecke wurde eingefügt, drei Galerieräume reichen bis zum Dach. Dazwischen gibt es kleinere Ausstellungsräume.
Dass nichtsdestoweniger vieles verändert werden musste, wird deutlich, wenn man vom 400 Quadratmeter großen Foyer einbiegt in den zweigeschossigen Bereich des Museums. Dort stößt man erst einmal auf eine roh gezimmerte Holzwand voll mit Büchern und zwei eingearbeiteten Leseplätzen. Dieses freistehende Regal für die Freihand-Bibliothek des Kunsthauses ist zusammengefügt aus ehemaligen Dachbrettern der Halle, die nicht mehr zu verwenden waren.
Erhalten wurden aber das stählerne Dach-Fachwerk, die Gebäudehülle aus Kalkstein und der Asphaltboden. Für das neue Zwischengeschoss und die prismenartigen Kamine kam viel Beton zum Einsatz. Geschuldet ist dies auch dem Umstand, dass der Wettbewerbsgewinn bereits zehn Jahre zurückliegt. Heute wäre vermutlich mehr Holz im Spiel.
Das von seiner Größe her relativ bescheidene Museum ist in mehrfacher Hinsicht ein herausragender Baustein für das Quartier. Architektonisch, weil es die vielerorts beliebte Scheunentypologie auf überzeugende Weise in einen Mix unterschiedlicher Ausstellungsräume für Kunst übersetzt hat, ohne dass die Scheune bloß eine formale Metapher wäre. Vom Format her, weil sich das Konzept auf gut bespielbare 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche beschränkt und einen auch für die Nachbarschaft nutzbaren multifunktionalen Großraum bereithält. Und programmatisch, weil die Museumsleitung unter der Führung von Ines Goldbach, die zuvor am Hamburger Bahnhof in Berlin und den Hallen für neue Kunst in Schaffhausen tätig war, konsequent versucht, internationale und lokale Positionen gegenüberzustellen. Auch die heute unausweichlichen Konflikte werden thematisiert. Der Titel der Eröffnungsausstellung „Rewilding“ zielt auf Klimafragen und gesellschaftlichen Wandel, gearbeitet wird für ein „interkulturelles Publikum“.
Engagierte Transformation eines Gewerbeareals
Man verlässt den Dreispitz mit seinem neuen Museum in der Überzeugung, dass „Inselbildung“ mit gut nutzbaren öffentlichen Räumen und kulturelle Nutzungen in solchen Transformationsquartieren unverzichtbar sind. Direkt hinter dem Museum schließt sich ein Zentrum für Kunstausbildung an, der „Campus des Bildes“. Auch der hat unter einem Vordach einen allseits zugänglichen öffentlichen Raum. Zwischen die beiden Bauten wurde ein grüner Keil aus Bäumen und Sitzbänken geschoben. In der Nachbarschaft haben sich bereits das Haus der elektronischen Kunst HEK und die Baseler Hochschule für Gestaltung und Kunst angesiedelt.
Solche Entwicklungsprozesse zu steuern, bei denen Freiraumgestaltung, Erschließung und die Repräsentationsansprüche der neuen Nutzerinnen auf ein bestehendes Gewerbeumfeld abgestimmt werden müssen, ist aufwendig und komplex. Seit Anfang des Jahrtausends hat die Stiftung, der der Dreispitz gehört, daran gearbeitet, das ganze über einen ersten visionären Masterplan zu entwickeln. Lange sah es so aus, also ob sie sich an der Aufgabe verhoben habe. Heute geht man vorsichtiger und eher schrittweise vor. Ein neuer Masterplan von 2017 konzentriert sich auf einen Teilbereich. Ohne Mut und Durchhaltevermögen von Seiten der Auftraggeber, in solch ein neu gedachtes Stück Stadt zu investieren, geht es nicht – auch das zeigt die Dreispitz-Entwicklung.
Dass dies alles nicht zum Nulltarif zu haben ist, merkt man, wenn man nach den Mietkonditionen für das 400 Quadratmeter große Foyer fragt. Wer von außen kommt und hier etwas veranstalten will, zahlt 2100 Franken für sechs Stunden Bespielung.
x
Bauwelt Newsletter
Immer freitags erscheint der Bauwelt-Newsletter mit dem Wichtigsten der Woche: Lesen Sie, worum es in der neuen Ausgabe geht. Außerdem:
- » aktuelle Stellenangebote
- » exklusive Online-Beiträge, Interviews und Bildstrecken
- » Wettbewerbsauslobungen
- » Termine
- » Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und jederzeit wieder kündbar.
Beispiele, Hinweise: Datenschutz, Analyse, Widerruf
0 Kommentare