Bauwelt

Kunstmuseum Ahrenshoop von Staab Architekten


Bescheiden und kostbar zugleich: Volker Staab entwarf für den Verein der Freunde und Förderer des Kunstmuseums Ahrenshoop eine Gruppe aus fünf Einraumhäusern. Deren Anordnung und äußere Hülle transformiert Traditionelles und fügt den Bau in die Nachbarschaft an der Ostseeküste.


Text: Hamm, Oliver G., Berlin


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    Foto: Stefan Müller

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Das Ostseebad Ahrenshoop ist seit langem als Künstlerort bekannt. Noch bevor die ersten Badegäste in das einstige Fischerdorf kamen, entdeckten Maler die einzigartige Landschaft der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zwischen Rostock und Stralsund. Zum Beispiel Paul Müller-Kaempff (1861–1941), der sich 1892 in Ahrenshoop ein Haus bauen ließ und zwei Jahre später hier eine Malschule gründete – die Keimzelle der späteren Künstlerkolonie. Ihm folgten zahlreiche andere, einige ließen sich hier an der Ostseeküste nieder. Dann kamen auch die Badegäste, für deren Unterbringung ein Hotel und Pensionen gebaut wurden. Im Jahr 1909 eröffnete dann der Kunstkaten Ahrenshoop, in dem auch heute noch in der Region entstandene Werke ausgestellt werden. Später stärkten das Künstlerhaus Lukas und das Neue Kunsthaus sowie Galerien den Ruf als Künstlerort. Ahrenshoop hat gut 700 Einwohner und dreimal so viele Gästebetten.
Seit Ende August hat der Ort nun ein neues Kunstmuseum, das sich als Ausstellungs-, Begegnungs- und Forschungszentrum versteht. Betrieben wird es von der Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop, die von über 100 privaten Stiftern und mehr als 370 Vereinsmitgliedern getragen wird. Sie verfügt über eine Sammlung von rund 500 Bildern, Grafikkonvoluten und Skulpturen, die nun im Neubau gezeigt werden können. Für diese und für Wechselausstellungen stehen insgesamt rund 900 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Ver-fügung. Hinzu kommen weitere 400 Quadratmeter für die Büros, das Depot und die Haustechnik. Die Gesamtkosten für den Neubau und das etwa 3000 Quadratmeter große Grundstück betrugen rund 7,7 Millionen Euro. Die räumliche und finanzielle Beschränkung provozierte in einem langen Planungsprozess augenscheinlich aber auch viel Gestaltungskraft.
Für den Bauplatz – dort, wo der Weg zum Hohen Ufer auf die Haupterschließungsstraße der Halbinsel, die Althäger Straße, trifft – war ursprünglich ein viel größeres Gebäude vorgesehen. In ihm sollten unter anderem rund 1800 Quadratmeter Ausstellungsfläche untergebracht werden. Das in einem Wettbewerb 2008 siegreiche Berliner Büro Staab Architekten entwarf dafür acht dicht beieinanderstehende Ausstellungshäuser auf einem gemeinsamen „Sockel“ aus Mehrzwecksaal, Cafeteria, Büro-, Depot- und Technikräumen sowie zen­tralem Foyer (Bauwelt 39–40.2008). Vorbild waren die für die Region typischen Reetdachhäuser, die die Architekten in eine moderne Bauform transformierten. Ursprünglich war geplant, die Dächer – die mit einem klassischen First abgeschlossen werden sollten – und die Fassaden mit einer einheitlichen Haut aus eloxiertem Aluminium zu überziehen. In die Fassade und in die Dachflächen sollten große Öffnungen eingeschnitten werden.
Bereits dieser bis zum Maßstab 1:100 weiterbearbeitete Entwurf fand einerseits viel Zustimmung, stieß andererseits wegen seiner geplanter äußere Erscheinung aber auch auf heftige  Kritik. Dass er nicht in der ursprünglichen Fassung realisiert wurde, ist jedoch nicht diesem Umstand zu verdanken. Entscheidender war, dass in der Zwischenzeit andere Bauprojekte in Ahrenshoop einen weiteren großen Mehrzwecksaal hatten obsolet werden lassen. Und es fehlte an Geld. Der Verein der Freunde und Förderer des Kunstmuseums Ahrenshoop, der die Bauherrschaft für das Gebäude übernommen hatte und schließlich über zwei Millionen Euro Eigenmittel aufbrachte, musste sich mit der Tatsache abfinden, dass Fördermittel nicht in der erhofften Höhe genehmigt wurden. Als Ausweg bot sich eine Reduzierung des Bauprogramms an – gewissermaßen eine Konzentration auf das Wesentliche, was sich im Nachhinein als Glücksfall erwiesen hat, wie selbst Volker Staab konstatiert.
An ihrem Grundkonzept der zu einem „norddeutschen Gehöft“ arrangierten Einzelhäuser mussten die Architekten nichts ändern. Die Reduzierung von acht auf fünf Häuser erlaubte es ihnen sogar, diese in lockererer Folge anzuordnen, als im ursprünglichen Entwurf. Auf ein Sockelgeschoss verzichteten sie, weil die Depot- und Technikräume im Untergeschoss und die Büroräume im Dachraum eines der fünf Häuser untergebracht werden konnten; die übrigen verbliebenen Nutzungsbereiche – dazu gehören der Kartenverkauf, ein Museumsshop und die Cafeteria – fanden im zentralen Foyer Platz. Die Überarbeitung kam dem Entwurf aber noch in zwei weiteren wesentlichen Punkten zugute: hinsichtlich der Belichtung der Ausstellungsräume und der äußeren Erscheinung der Gebäudegruppe.
Schatzkästchen
Das Kunstmuseum wurde nicht, wie ursprünglich vorgesehen, mit eloxiertem Aluminium eingehüllt, sondern mit Messingblech, das einen gewissen Anteil an Kupfer hat; darunter verbirgt sich ganz gewöhnlicher, gedämmter Stahlbeton. Die hinterlüftete Außenhaut lässt die fünf Häuser als nahezu identische Schatzkästchen erscheinen. Im Wechsel von Sonne und Wolken changieren sie in unterschiedlichen Farbtönen zwischen Goldgelb und Braun. Mit der Zeit werden die Messingtafeln Patina ansetzten, altern, wie auch Reetdächer altern und diesen dann farblich immer ähnlicher werden. Mit dem sich ändernden Licht verändern sich auch die Schatten, die die Häuser werfen. Die Muster, die so auf die einzelnen Fassadenflächen gezeichnet werden, lassen das Ensemble der nun unmittelbar „geerdeten“ Häuser immer wieder anders erscheinen.
Auch das Licht in den Häusern wandelt sich. Statt der ursprünglich geplanten Panoramafenster entschied man sich für – von außen nicht sichtbare – Oberlichtbänder in den nun gestutzten Firsten der fünf Häuser. Das einfallende Licht wird von kleinen geriffelten Spiegelgläsern gebrochen und in die Ausstellungsräume gestreut. Je nach Tages- und Jahreszeit können die Besucher die ausgestellten Werke immer wieder „in neuem Licht“ betrachten. Auf diese Weise korrespondieren die Kunstwerke intensiver mit dem Raum und indirekt auch mit der Umgebung, als dies in Museen mit konstanter Beleuchtung möglich ist. Bei Bedarf, vor allem in den Wintermonaten, kann auf Kunstlicht zurückgegriffen werden. Dessen Quellen sind unauffällig in den Kranz der Oberlichtbänder integriert.
In den vier Ausstellungshäusern – das fünfte Haus wird als Kabinett und für die museumspädagogische Arbeit sowie als Büro genutzt – lenkt nichts die Besucher von den Kunstwerken ab: Es gibt keine Fußleisten, die Wandflächen und Dachschrägen sind in einem gebrochenen Weiß verputzt und der Beton der Fußböden geschliffen. Nur ein schmales Fenster in der Ecke jedes Saales gewährt einen Ausblick in die Umgebung.
Diese Atmosphäre der Ruhe und des Ungestörten fehlt dem zentralen Foyer. Es wird das als Multifunktionsraum genutzt und ist leider etwas zu klein geraten. Das schränkt die Nutzung, einschließlich der Präsentation von einigen Kunstwerken, ein. Gerhard Marcks’ „Mädchen mit großem Tuch“ aus Gips mit Schellackpatina muss hier gar mit Ikonen des DDR-Kinderfernsehens Pittiplatsch und Schnatterinchen als Do-it-yourself-Findlingskunst im Vorgarten des Nachbarn konkurrieren. Die gerade erst gepflanzte Buchenhecke wird in wenigen Jahren Sichtschutz bieten.
Der Getränkeautomat
Die Gebäude des Kunstmuseums kommen im Wesentlichen mit sechs Materialien aus: Messing, Glas, Beton, Stahl (Oberlichtkonstruktion), Putz und kanadische Eiche (Möbel sowie Fenster- und Türrahmen). Nicht zuletzt deshalb wirken sie wie aus einem Guss. Die Reduzierung des Bauprogramms hat ihm sichtlich gut getan, mehr (Häuser) wäre in diesem Fall tatsächlich weniger gewesen: weniger Klarheit sowohl in der äußeren Form als auch in der inneren Raumaufteilung. Es gibt aber auch Nachteile. Abgesehen vom recht spartanischen Foyer, das bei Filmvorführungen oder Vorträgen gerade einmal siebzig Personen Platz bietet, betrifft dies vor allem die Cafeteria, die bestenfalls als Notlösung bezeichnet werden kann: Sie ist nicht mehr als ein erweiterter Flur zwischen Foyer und Außenterrasse, in dem sich die Besucher an einem Kaffeeautomaten selbst bedienen. An dieser Stelle wurde der Rotstift offensichtlich zu radikal angesetzt – mit Folgen, die nicht nur räumlich unbefriedigend sind, sondern auch finanzielle Auswirkungen haben werden: Schließlich entgehen der Stiftung, die einen jährlichen Etat von rund 600.000 Euro komplett selbst erwirtschaften muss, auf diese Weise mögliche Einnahmen.
Die Stiftung rechnet mit 60.000 Besuchern pro Jahr. Bis zum 23. März des kommenden Jahres wird in den vier Häusern die Eröffnungsausstellung „Um uns ist ein Schöpfungstag – von der Künstlerkolonie bis heute“ mit mehr als 140 Werken von über 90 Künstlern aus 120 Jahren gezeigt.



Fakten
Architekten Staab Architekten GmbH, Berlin
Adresse Dorfstraße 47G, 18347 ‎Ahrenshoop


aus Bauwelt 37.2013
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