Bauwelt

L’Orangerie in Lyon


Der Bürobau „L’Orangerie“ aus Lehm von Clément Vergély Architectes mit Diener & Diener ist eine Oase inmitten einer Betonwüste.


Text: Striedinger, Franziska, Madrid


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    Der dreistöckige Lehmbau (farbig markiert) wird auf dem Grundstück von drei Seiten durch höhere Gebäude in konventioneller Bauweise gefasst, wodurch ein kleiner, dafür dicht begrünter Innenhof entsteht.
    Foto: Benjamin Vergély

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    Der dreistöckige Lehmbau (farbig markiert) wird auf dem Grundstück von drei Seiten durch höhere Gebäude in konventioneller Bauweise gefasst, wodurch ein kleiner, dafür dicht begrünter Innenhof entsteht.

    Foto: Benjamin Vergély

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    Der rechteckige Grundriss der Orangerie ist durch einen Erschließungskern mittig geteilt und bedient die einzelnen Büroräume.
    Foto: Benjamin Vergély

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    Der rechteckige Grundriss der Orangerie ist durch einen Erschließungskern mittig geteilt und bedient die einzelnen Büroräume.

    Foto: Benjamin Vergély

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    Die Wanddicke verjüngt sichnach oben ...
    Foto: Clement Vergély Architectes

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    Die Wanddicke verjüngt sichnach oben ...

    Foto: Clement Vergély Architectes

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    ... von 80 cm auf 50 cm.

    Foto: Clement Vergély Architectes

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    ... von 80 cm auf 50 cm.

    Foto: Clement Vergély Architectes

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    Im Übergang von Außen nachInnen kommt der Dreiklang der Materialien ...
    Foto: Fabrice Fouillet

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    Im Übergang von Außen nachInnen kommt der Dreiklang der Materialien ...

    Foto: Fabrice Fouillet

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    ... Stampflehm, Naturstein und Holz zur Geltung.
    Foto: Fabrice Fouillet

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    ... Stampflehm, Naturstein und Holz zur Geltung.

    Foto: Fabrice Fouillet

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    Die hellen Innenräume mit offener Deckenkonstruk­tion haben bodentiefe Fenster. Die Grundrisse sind für die Büronutzung flexibel.
    Foto: Erick Saillet

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    Die hellen Innenräume mit offener Deckenkonstruk­tion haben bodentiefe Fenster. Die Grundrisse sind für die Büronutzung flexibel.

    Foto: Erick Saillet

Auf der Halbinsel zwischen den Flüssen Saône und Rhône wächst in Lyon das neue Stadtquartier „La Confluence“ aus dem Boden. 2030 soll das Großprojekt fertiggestellt sein. Das Schwemmland zwischen den Flüssen war lange nicht für eine Bebauung geeignet. Großmarkt, Gefängnis, Gendarmerie und ein Zirkus siedelten sich mit der Zeit an: Nutzungen, die sonst am Stadtrand zu finden sind. Der öffentliche Entwicklungsvertrag zum Plangebiet wurde 1999 unterzeichnet. Damit entstand ein Ort für Utopien: zukünftig sollen hier 20.000 Menschen ihr neues Zuhause finden und in einem bunten Mix aus Arbeiten, Wohnen und Freizeit, auch Besucherinnen und Besucher angezogen werden. Bis 2015 wurde die erste Phase auf der Saône-Seite rea­lisiert, die zweite Phase auf der Rhône-Seite nach dem Generalplan von Herzog & de Meuron und Michel Desvigne beinhaltet die Umgestaltung desehemaligen Lebensmittelgroßmarktgeländes und die Sanierung des angrenzenden Viertels. DieLandschaftsplanung sieht Stadtwälder und Wiesen mit neuen Wasserflächen vor, welche neben einem positiven klimatischen Effekt auch die Biodiversität fördern sollen.
Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Start des Projekts ist die Confluence zu einem begehrten Ort geworden. Das 2012 fertiggestellte Einkaufszentrum im Kern des Plangebiets soll die Versorgung des Quartiers sichern und ist ein Magnet für Menschen aus Lyon und dem Umland. Erprobt wird hier auch Zukunftsmobilität für die letzte Meile: ein autonomer Minibus, der kostenlos zwischen Tram und Bürogebäuden pendelt. Das „Musée des Confluences“ (Bauwelt 4.2015) wurde 2014 an der Spitze der Halbinsel eröffnet und hat die Anmutung einer futuristischen Museumsmaschine. Umgeben von Brachland und Baustellen wartet das touristische Highlight auf die Einbettung in den geplanten Grünraum und eine lebendige Nachbarschaft.
Im Zuge der zweiten Phase entstand auch der Urban Block B2 mit dem Bürogebäude „L’Oran­­ge­rie“. Zwischen fünf gemischt genutzten Gebäuden von Diener & Diener und Clément Vergély Architectes entstand ein urbaner Pocket-Park. Aus Lehm und Holz liegt die dreigeschossige Orangerie zwischen den konventionell errichteten, hohen Nachbarbauten und ordnet sich dem grünen Hof zu. Die kleine Oase mitten in der Stadt kann was: hier lässt es sich gut die Mittagspause verbringen und in gemeinschaftlich genutzten Gemüsebeeten gärtnern.

Rückgriff auf die regionale Tradition

Die Lehmfassade der Orangerie kommt brückenartig daher und betont erkennbar ihre tragen­de Funktion. 14 monumentale Parabelbögen umschließen den dreigeschossigen Holzkern. Dem projektverantwortlichen Architekten Stefan Jeske von Clément Vergély zufolge ging es „um eine Demonstration: die Geschichte des Lehmbaus in der Region um Lyon fortzuschreiben, sowie andere Architekten und Bauherren zu inspirieren, den roten Faden wieder aufzunehmen. Wir wollen den Lehmbau aus der ländlichen Nische zurückholen und in einem neuen Stadtquartier präsentieren, in dem die Wohntürme, meist aus Beton, bis zu 50 Meter hoch wachsen.“ Lehm hat in Lyon eine eigene Tradition: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Massivbau mit Lehm sehr präsent – so stammte der Urgroßvater des modernen Pisé-Baus François Cointeraux (1740–1830) aus Lyon; und in den 1980er Jahren lehrte und baute die ökologische Vordenkerin Françoise-Hélène Jourda hier.
Ein im Masterplan vorgesehenes dreigeschossiges Gebäude, welches im Dialog mit den Lagerhallen des ehemaligen Großmarktes steht, brachte Clément Vergély Architectes auf die Idee, mit dem Material erneut zu experimentieren. Innovativer Lehmbau sollte mit ausdrucksstarker Architektur vereint werden.
Die massive, beinahe sakrale Wirkung des Gebäudes löst sich im Inneren auf und offenbart eine kompakte Holzstruktur. Treppen- und Funktionsräume sind allseitig mit Holz verkleidet und an den Außenwänden finden sich Aussparungen in der Wand, welche die rohe Lehmfassade frei­legen. Im Vorbeigehen wird sichtbar, dass sogar auf eine Dämmschicht verzichtet wurde. In jedem Geschoss befinden sich zwei Coworking-Räume, welche für Schulungen und Events genutzt werden. Aber auch Einzelarbeitsplätze können gebucht werden. Das intensiv begrünte Dach ist begehbar und lädt mit einer Terrasse zum Verweilen in der Sonne ein.

380 Tonnen Lehm in 286 Fertigteilen

Durch die Vorproduktion der Lehmblöcke wird die Arbeit auf der Baustelle stark vereinfacht. Der Prozess ist im Vorfeld gut planbar und kann hinsichtlich optimaler Homogenität und Feuchtigkeit genau überwacht werden. Lage für Lage wurde der Lehm in die standardisierten Metallschalungen gestampft, wobei für ein gleichmäßiges Oberflächenbild präzises Handwerk erforderlich ist. „Lehmbauer Nicolas Meunier stampfte die Lehmerde ‚as found‘, also ohne jegliche Zuschläge. Durch Siebung werden allenfalls zu große Steinkaliber aussortiert“, so Jeske. Am Fuß eines jeden der 286 bis zu vier Tonnen schweren Blöcke sind auskragende Gewindestangen eingestampft, um den Transport mit dem Kran zu gewährleisten. Die Blöcke wurden auf Lehmmörtel verlegt und millimetergenau mit einem Laser ausgerichtet. Nach der Ausrichtung entfern-te man die Gewindestangen und füllte die entstandenen Hohlräume auf.
Da Lehm ohne Bewehrung nur Druckkräfte aufnehmen kann, werden die Horizontalkräfte in die Holzdecken geleitet. Die Lehmbögen wurden geschossweise erstellt und mit den Holzbalkendecken über Metallauflager verbunden, welche in die Blöcke eingelassen sind. Um den Öffnungsanteil von 40 Prozent zu erreichen war eine großeFassadenstärke nötig. Die Mauerdicke verjüngt sich von 80 Zentimeter im Erdgeschoss auf 50 Zentimeter im dritten Geschoss. Vorteil: Durch die massive Fassade konnte gänzlich auf eine Wärmedämmung verzichtet werden. Auch eine zusätzliche Klimatisierung ist durch Deckenventilatoren und natürliche Belüftung nicht notwendig. Die rohen Baumaterialien unterstreichen visuell die Low Tech-Lösungen.
Die 380 Tonnen Lehm stammen aus dem Erd­aushub einer 30 Kilometer entfernten Baustelle – die vor Ort befindliche Erde war zu belastet, um für ein neues Leben als Fassade in Frage zu kommen. Durch den Rückgriff auf ein Abfallprodukt einer anderen Baugrube reduzierten sich die Materialkosten für den Lehm auf den Transport. Die vorgefertigten Holzbauteile stammen aus den Vogesen und Österreich. Der Stein für den Sockel kommt aus dem 80 Kilometer entfernten Villebois. Materialwahl und kurze Transportwe­-ge reduzieren die graue Energie und wirken somit positiv auf die CO2-Bilanz des Gebäudes. Baut man die unbehandelten Lehmblöcke zurück, so ist eine kreislaufgerechte Wiederverwendung des Rohmaterials möglich.
Bis es jedoch so weit ist, macht das Gebäude Mut, über die weitere Implementierung von Lehmbauten in unseren Innenstädten nachzudenken. Dazu leitet auch der projektverantwortliche Jeske selbst an: „Dieses Projekt soll Nachahmer finden.“ Dann womöglich nicht nur als exotisches Einzelgebäude, das sich gut vermarkten lässt, sondern als breit akzeptierte Be­tonalternative.



Fakten
Architekten Clément Vergély Architectes, Lyon; Diener & Diener Architekten, Basel
Adresse 3 R. Jacqueline et Roland de Pury, 69002 Lyon, Frankreich


aus Bauwelt 23.2022
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