Lern-Pavillon in Braunschweig
Pavillon für die TU Braunschweig
Text: Raischl, Anna, Berlin
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Der Pavillon ist derart filigran ummantel, dass die Grundidee einer fliegenden Ebenenlandschaft am Ufer der Oker, wie sie das Massenmodell suggeriert, deutlich bleibt.
Foto: Iwan Baan
Der Pavillon ist derart filigran ummantel, dass die Grundidee einer fliegenden Ebenenlandschaft am Ufer der Oker, wie sie das Massenmodell suggeriert, deutlich bleibt.
Foto: Iwan Baan
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Für die Verbesserung der Akustik im von Metall und Glas dominierten Raum sorgen Vorhänge, Teppichböden und Trapezprofile.
Foto: Iwan Baan
Für die Verbesserung der Akustik im von Metall und Glas dominierten Raum sorgen Vorhänge, Teppichböden und Trapezprofile.
Foto: Iwan Baan
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Oberlichter, seitliche Vollverglasung und Ebenenverschnitte ermöglichen eine gleichmäßige Tageslichebeleuchtung.
Foto: Lemmart
Oberlichter, seitliche Vollverglasung und Ebenenverschnitte ermöglichen eine gleichmäßige Tageslichebeleuchtung.
Foto: Lemmart
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Alle Bauteile sind trennbar ...
Foto: Lemmart
Alle Bauteile sind trennbar ...
Foto: Lemmart
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... und zur verlustfreien Wiederverwertung nutzbar.
Foto: Iwan Baan
... und zur verlustfreien Wiederverwertung nutzbar.
Foto: Iwan Baan
Auf dem Campus der Technischen Universität Braunschweig gibt es einen neuen Ort für Studierende. Im vergangenen November stellten Max Hacke und Gustav Düsing den „Study-Pavilion“ fertig. Heute, Mitte Juni, ist der offizielle Eröffnungstag. Im Schatten alter, hoher Ahornbäume steht ein rundum verglastes Gebäude. Ein extrem dünn auslaufendes Flachdach bedeckt ein Doppelgeschoss mit zentralem Kern und vielen weißen, dünnen Stahlstützen. Filigrane Stahltreppen erschließen außenliegende Balkoninseln. Menschen sitzen auf allen Balkonen verteilt, laufen die Treppen hinauf oder verschwinden durch die Türen nach Drinnen.
Der Bau liegt an der Pockelstraße, direkt an einem Platz. Auf der anderen Seite des Platzes steht ein ebenfalls zweigeschossiger Bau. Das Altgebäude ist der Gründungsbau der Universi-tät, mit dicken, speckigen Mauern aus Werkstein und hohen Rundbogenfenstern. So wuchtig die Mauern des Altgebäudes, so leicht kommt die Hülle des Pavillons daher.
Viele Neugierige sind heute da und betreten das Gebäude. Sie erkunden den offenen, hel-len Bau und laufen die quer über den Raum verteilten Treppen hinauf. Die TU sucht seit Jahren Nachverdichtungsmodelle, erklärt die Präsidentin der TU Braunschweig Angela Ittel in der Eröffnungsrede. Dem Campus fehlen soziale Knotenpunkte und Orte, an denen Studierende gemeinsam arbeiten können. Für den Studiengang Architektur gab es bislang keine festen Räumlichkeiten, in denen Gruppen entwerfen und zeichnen konnten. Die Zeichensaalgruppen suchten sich Arbeitsräume auf dem Campusgelände selbst.
2016 lobte die Universität einen internen Wettbewerb aus, um mehr Lern- und Zeichenplätze für Studierende am Campus bieten zu können. Ursprünglich lag das Wetbewerbsgebiet hinter einer Hochhausplatte, umgeben von Fakultätsgebäuden. Dann entschied sich die Ausloberin für den Platz an der zentralen Achse. Gustav Düsing und Max Hacke lehren beide Entwerfen an der TU Braunschweig. Sie nahmen am Wettbewerb teil und überzeugten die Jury von ihrem Entwurf in modularer Stahl-Holzhybridbauweise.
An diesem Junitag führen die beiden Architekten uns in Gruppen durch den Raum. Das Dach des Study-Pavilions, erklärt Düsing, liegt auf einem weißen, dreidimensionalen Gitter aus miteinander verschraubten Stahlhohlprofilen. Drei auf drei auf drei Meter große Lufträume spannen die Stützen und Träger auf und stellen das einfache Grundgerüst des Baus dar. Holzplattformen liegenauf den horizontalen Gitterquadraten auf und bilden die Decken für das Erdgeschoss. Düsing und Hacke planten bereits beim Entwurf das Lebensende des Gebäudes mit. Je weniger Details, erklärt Düsing, desto flexibler der Bau. Er muss nicht abgerissen werden, wenn es keinen Bedarf mehr gibt, sondern kann, in seine Einzelteile zerlegt, andernorts wieder aufgebaut werden.
Modulsystem als vielseitiger Rahmen
Die Plätze im Obergeschoss sind für die Architekturstudierenden gedacht. Die Größe der Plattformen im Obergeschoss stimmten die Architekten auf die Zeichenkreise ab. Wo sonst Studierende arbeiten, spielen zur Eröffnung Kinder Fangen und laufen über Brücken von Insel zu Insel. Das Gitter ist multifunktional, erzählt Hacke. Die quadratischen Profile haben einen Durchmesser von zehn mal zehn Zentimetern und versorgen die Arbeitsplätze mit Strom. Lampen sind horizontal in die Träger integriert, Steckdosen und Kabel vertikal in die Stützen. Achtzig Prozent der Energieversorgung basieren auf regenerativen Energiequellen durch Fernwärme in Kombination mit Erdsonden, die das Gebäude im Sommer kühlen sollen. Die Stahlstützen entwässern das Dach, indem sie das Regenwasser intern in den Boden leiten.
Es gibt – abgesehen vom Kern im Erdgeschoss – keine Wände. Gelbe Vorhänge fallen von der Decke, zwei entlang der Hauptachse, zwei an der Fassade, und ein grauer Vorhang bildet den Seminarbereich auf der Kerndecke. Der Pavillon ist übersichtlich und von allen Sei-ten fällt gleichmäßig Licht ein. Mittig erhellt eine Oberlichtkuppel das Obergeschoss. Hacke und Düsing reduzierten den Bau auf wenige Farben: Weiß für die Stahlelemente und Hellgrau für die Teppichböden. Die Zeichenpläne an den Stellwänden und die Menschen im Raum beleben diesen Ort. Hier gibt es weder Büros noch eine hierarchische Raumverteilung, nur jeden Tag aufs Neue einen Platz auf einem der überdachten Balkone oder drinnen, mit freiem Blick auf das Okerufer.
Eine vollverglaste Fassade bringt auch kritische Kommentare mit sich, denn es gibt energiesparendere Materialien. Hacke antwortet im Gespräch mit einer einfachen Gleichung: Die Ressource teilt sich auf eine Menge Menschen auf, denn der Pavillon ist, wie er sagt, immer komplett voll und täglich von 8 bis 22 Uhr offen. Es sei schon vorgekommen, dass Studierende abends Stühle in die Tür stellen, damit sie länger bleiben können. Für die beiden Architekten lie-fert die Aneignung den Beweis für gut genutzte Energie.
Im Anschluss an die Reden und Führungen verlassen die Besucher das Gebäude. Es wird ruhig, und nach und nach trudeln Studierende ein. Sie sitzen draußen und drinnen, in kleinen Gruppen oder allein. Deckenplatten knarzen, wenn sich jemand über einem bewegt. Auch andere Fakultäten der TU Braunschweig brauchen neue Räume. Ein weiterer sozialer Treffpunkt für Studierende soll bald auf dem Nordcampus entstehen.
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