Bauwelt

Sekundarschule Lycée Notre-Dame des Oiseaux in Paris


Der Teilneubau der Lycée Notre-Dame des Oiseaux schafft Fläche, wo wenig Platz war. Bien Urbain und Fayolle Pilon stapelten neue Räume in die Höhe und vergruben die Turnhalle unter dem Schulhof.


Text: Kabisch, Wolfgang, Paris


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    Eine Sporthalle, Klassen- und Fachunterrichtsräume waren innerhalb der engen Grenzen des Schulgrundstücks unterzubringen.
    Foto: BU + 11h45

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    Eine Sporthalle, Klassen- und Fachunterrichtsräume waren innerhalb der engen Grenzen des Schulgrundstücks unterzubringen.

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    Vor dem Neubau: Das ehemalige Wohnhaus an der Straße ...
    Foto: Architekten

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    Vor dem Neubau: Das ehemalige Wohnhaus an der Straße ...

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    ... und der Ergänzungsbau aus den 1960er Jahren – beide wurden abgerissen.
    Foto: Architekten

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    ... und der Ergänzungsbau aus den 1960er Jahren – beide wurden abgerissen.

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    Die Mensa konnte durch den Neubau in das Verbindungsgebäude vergrößert werden.
    Foto: BU + 11h45

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    Die Mensa konnte durch den Neubau in das Verbindungsgebäude vergrößert werden.

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    Die Sporthalle im Untergeschoss.
    Foto: BU + 11h45

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    Die Sporthalle im Untergeschoss.

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    Ein Klassenraum im Obergeschoss des Verbindungsbaus.
    Foto: BU + 11h45

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    Ein Klassenraum im Obergeschoss des Verbindungsbaus.

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    Der Neubau an der Straße bricht mit der strengen Reihung der Pariser Fassaden, ...
    Foto: BU + 11h45

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    Der Neubau an der Straße bricht mit der strengen Reihung der Pariser Fassaden, ...

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    ... passt sich farblich aber an mit seinem gelblichen Sichtmauerwerk. Foto: BU + 11h45

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    ... passt sich farblich aber an mit seinem gelblichen Sichtmauerwerk.

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    Die Klassenräume im Verbindungsbau profitieren atmosphärisch von der Bepflanzung der vorgelagerten Terrassen.

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    Die Klassenräume im Verbindungsbau profitieren atmosphärisch von der Bepflanzung der vorgelagerten Terrassen.

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    Auch für den Schulhof musste noch Platz sein: Neubau des Lycée Notre-Dame des Oiseaux in Paris
    Foto: BU + 11h45

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    Auch für den Schulhof musste noch Platz sein: Neubau des Lycée Notre-Dame des Oiseaux in Paris

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Wenn man in Frankreich auf den 16. Bezirk von Paris zu sprechen kommt, ist man sich schnell einig: Dort, im Westen der Hauptstadt, lebt das wohlsituierte Bürgertum. Zwischen Bois de Boulogne und rechtem Seine-Ufer ist fast alles schön und sehr teuer. Die Bewohner sind überwiegend konservativ orientiert. Sozialer Wohnungsbau ist zum Beispiel unerwünscht. Geflüchtete und Wohnsitzlose werden auch schon mal mit Gewalt aus dem Viertel vertrieben. Man tut sich schwer mit Veränderungen.
Dass es in diesem Pariser Arrondissement eine angesehene und erfolgreiche katholische Privatschule gibt, scheint da ebenfalls ins Bild zu passen. Dabei ist das Gymnasium „Notre-Dame des Oiseaux“ unabhängig von seinem Status als Privatschule interessant. Es ist generell ein beachtenswertes Beispiel für die bauliche Erweiterung, Renovierung und Modernisierung einer Schule im spezifisch französischen System und lehnt sich mit seiner Architektur behutsam gegen manche konservative Strömung im Stadtteil auf.
In Frankreich sind Privatschulen nicht unbedingt eine Besonderheit. In derartigen Einrichtungen werden zurzeit immerhin weit über zwanzig Prozent aller Schulpflichtigen unterrichtet. Die Träger sind in großer Überzahl katholische Vereine mit circa zwei Millionen Schülern. Es gibt aber auch Schulen in Trägerschaft der jüdischen Gemeinde und muslimische Privatschulen. All diese Institutionen sind vermehrt nach der strikten Trennung von Staat und Kirche entstanden, die 1905 mit dem Ende der Affäre Dreyfus durchgesetzt und Stück für Stück gesetzlich verankert wurde.
Um staatlich anerkannt und den öffentlichen Schulen gleichgestellt zu werden, müssen die Träger inzwischen einen Vertrag mit dem Staat abschließen. Damit stehen ihnen dann die Bezahlung der Lehrkräfte und die Erstattung ei­nes Teils der laufenden Kosten zu. Der Staat bestimmt Lehrplan und Ausbildung des Lehrpersonals. Jede Missionierung zugunsten einer Re­­li­gion ist untersagt. Alle müssen außerdem den Mitgliedern einer jeden Religionsgemeinschaft offenstehen. Eine Kirchensteuer gibt es in Frankreich übrigens nicht. Das bedeutet auch, dass die Inves­titionen in Schulgebäude und Freianlagen von den privaten Vereinen erbracht werden müssen. Sie finanzieren sich über Schulgeld, Schenkungen und sonstige Einkünfte. Womit wir wieder bei Notre-Dame des Oiseaux wären.

Eine lange Wunschliste

Sechs Jahre, von 2015 bis 2021, hat das Vorhaben der Renovierung, des Teilabrisses und anschließenden Neubaus der verschiedenen Baukörper in Anspruch genommen. Davor bestand das Ensemble an der Rue Michel Ange aus einem dreigeschossigen Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert als eine Art Hinterhaus, in dem sich Klassenräume und Schulküche befanden, einem ehemaligen Wohnhaus direkt an der Straße, das die Verwaltung beherbergte, einem Verbindungsbau aus den sechziger Jahren mit Klassenzimmern und Mensa und einem Schulhof, der mangels Turnhalle zusätzlich als Sportplatz genutzt werden musste.
Die Renovierung war längst überfällig. Schlicht zu eng für 1700 Schüler geworden, entsprach die Schule kaum mehr den aktuellen Normen und Ansprüchen. Sie hatte weder einen funktionierenden Eingangsbereich, noch existierten wettergeschützte Verbindungen zwischen den Gebäuden. Es gab weder eine Sporthalle noch eine Bibliothek oder Labors für die Naturwissenschaften. Die Zugänge waren nicht barrierefrei, Mensa und Küche zu beengt. Und vieles mehr. Das „Cahiers des Charges“ (Pflichtenheft) für potenzielle Architekten des Umbaus wurde im Laufe der Zeit immer länger. Der Trägerverein entschied sich schließlich notgedrungen dafür, einen Wettbewerb unter fünf Architekturbüros auszuschreiben. Daraus ging das Team der Architekturbüros Bien Urbain und Fayolle Pilon als Gewinner hervor.
Im März 2018 war dann unter extremen Bedingungen Baubeginn. Der laufende Schulbetrieb musste aufrechterhalten bleiben – man konnte die Schüler ja nicht einfach auf die Straße setzen, schon gar nicht in einer Privatschule, die auf ihre Einnahmen angewiesen ist. Und Ausweichquartiere waren in diesem verdichteten, hochwertigen Stadtquartier unmöglich zu finden. Dann kam auch noch die Covid-Pandemie dazu. Trotz alledem konnte das modernisierte Gymnasium im Januar 2021 in Betrieb genommen werden.

Der neue Organismus

Nähert man sich heute Notre-Dame des Oiseaux auf der schnurgeraden Rue Michel Ange, fällt die Schule zunächst kaum auf. An die Stelle des früheren Wohnhauses, das eher wie ein Fremdkörper gewirkt hatte, ist ein Neubau mit heller Backsteinfassade getreten. Er orientiert sich in Höhe und Farbe an seiner Umgebung. Die großen, unregelmäßigen Fensteröffnungen der Betonkonstruktion lockern das generell strenge Straßenbild auf. Hier befindet sich auch der neue Eingangsbereich, der den gesamten Schulkomplex erschließt und kontrollierbar macht. Zum Schulhof hin erscheint der Bau mit seinen 3600 Quadratmetern Nutzfläche verschach­­telt und wuchtiger. Die unterschiedlichen Raum­­grö­ßen und Funktionen drücken sich durch leichte Vorsprünge und Verdrehungen in der Fassade aus. Das verleiht ihm dann doch eine gewisse Signalwirkung.
Der anschließende niedrigere Übergang zum Altbau – mit seiner Mensaerweiterung im Erd­geschoss und den darüberliegenden, begrünten Terrassen vor den Klassenzimmern – ersetzt den ehemaligen, architektonisch wenig anspruchsvollen Zweckbau aus den sechziger Jahren. Dieser Neubau verfügt über 2800 Quadratmeter. Mehr hat der Bebauungsplan (PLU) nicht zugelassen, den Bien Urbain und Fayolle Pilon bis zum äußersten ausgereizt haben. Selbst wenn es zunächst unscheinbar wirkt, stellt dieses Gebäude doch das entscheidende Gelenk im Gesamtplan dar – mit dem die Architekten wahrscheinlich auch den Wettbewerb für sich entscheiden konnten. Er schafft auf allen Ebenen direkte Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Gebäuden. Ein gelungener Ersatz für die ursprüngliche chaotische Erschließung.
Der langgestreckte, dreistöckige Altbau wurde mit weit geringeren finanziellen Mitteln renoviert. Dafür entstand eine nagelneue Sporthalle in einem Tiefgeschoss, das sich vom Keller des gerade beschriebenen „Gelenkbaus“ bis weit unter den Schulhof erstreckt. Ein Gewinn!
Nach Aussagen der Architekten beliefen sich die Bruttogesamtkosten für die Rundumerneuerung des Gymnasiums auf 9,2 Millionen Euro. Das erscheint in Anbetracht des Ergebnisses als günstig. Experimente bei der Innenausstattung, der Farbgebung oder dem Zuschnitt der Klassenräume waren bei diesem Budget offenbar nicht möglich. Und auch nicht bei der Gestaltung des Übergangs zwischen dem privatem (Schulhof) und öffentlichen Bereich (Straße), der durch seinen dunklen einfachen Metallzaun unverhältnismäßig abweisend ausgefallen ist. Leider.
Insgesamt hat der Trägerverein von den Architekten einen überzeugenden Umbau seiner Schule erhalten. Die Planenden haben aus nur noch bedingt nutzbaren Einzelelementen eine funktionierende Einheit konstruiert, die sich auch ästhetisch als Aushängeschild präsentieren lässt. Denn eine Schule, die sich primär über Schulgeld finanziert, muss auf ihre äußere Wirkung achten. Im konservativen 16. Bezirk kann man als Motiv der Eltern bei der Entscheidung für eine katholische Schule das Prestige einer guten Erziehung verbunden mit ausgezeichneten Ergebnissen vermuten. Wenn die Architektur jetzt nach außen zusätzlich eine gewisse Modernität und Aufgeschlossenheit signalisiert, ist das nicht nur für das lokale Zielpublikum ein überzeugender Mehrwert.



Fakten
Architekten Bien Urbain, Montreuil; Fayolle Pilon, Paris/ Montreuil
Adresse 12 Rue Michel Ange, 75016 Paris, Frankreich


aus Bauwelt 5.2023
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