Magacin Macura in Alt-Banovci
In einem Dorf an der Donau nahe Belgrad hat ein Kunstsammler eine alte Scheune gekauft und daraus etwas Neues gemacht, das mehr ist als nur ein Ausstellungsraum.
Text: Costadura, Leonardo, Berlin
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Dem serbischen Dorf ist das Magacin ein böhmisches Dorf.
Foto: Leonardo Costadura
Dem serbischen Dorf ist das Magacin ein böhmisches Dorf.
Foto: Leonardo Costadura
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Rosa Riegel: Zur Dorfstraße hin präsentiert sich das Magacin Macura knallig.
Foto: Robert Slavik
Rosa Riegel: Zur Dorfstraße hin präsentiert sich das Magacin Macura knallig.
Foto: Robert Slavik
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Ins Dach des 100 Meter langen Raums wurden Oberlichter eingefügt.
Foto: Robert Slavik
Ins Dach des 100 Meter langen Raums wurden Oberlichter eingefügt.
Foto: Robert Slavik
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Zwischen Innen und Außen sind Mensch, Tier und Natur im Einklang.
Foto: Leonardo Costadura
Zwischen Innen und Außen sind Mensch, Tier und Natur im Einklang.
Foto: Leonardo Costadura
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Die rote Rednerbühne dramatisiert den Ort, hat aber auch eine konkrete Funktion als Treppe zum Ufer.
Foto: Leonardo Costadura
Die rote Rednerbühne dramatisiert den Ort, hat aber auch eine konkrete Funktion als Treppe zum Ufer.
Foto: Leonardo Costadura
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Alles gesagt – kleine Mittel, große Effekte. Die Fahne ist ein Kunstwerk des Architekten.
Foto: Leonardo Costadura
Alles gesagt – kleine Mittel, große Effekte. Die Fahne ist ein Kunstwerk des Architekten.
Foto: Leonardo Costadura
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Blick in den Querriegel, der als Wohn- und Arbeitsraum dient.
Foto: Robert Slavik
Blick in den Querriegel, der als Wohn- und Arbeitsraum dient.
Foto: Robert Slavik
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Der Scheunengiebel ist in der neuen Struktur sichtbar.
Foto: Robert Slavik
Der Scheunengiebel ist in der neuen Struktur sichtbar.
Foto: Robert Slavik
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Den Riegel trägt eine in die Scheune eingestellte Stahlkonstruktion.
Foto: Robert Slavik
Den Riegel trägt eine in die Scheune eingestellte Stahlkonstruktion.
Foto: Robert Slavik
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Um die Scheune ...
Foto: Robert Slavik
Um die Scheune ...
Foto: Robert Slavik
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... zieht sich ein üppiger Garten ...
Foto: Robert Slavik
... zieht sich ein üppiger Garten ...
Foto: Robert Slavik
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... voller Obstbäume.
Foto: Robert Slavik
... voller Obstbäume.
Foto: Robert Slavik
„Was ist Kunst, Vladimir?“, frage ich den braungebrannten, drahtigen Mann. Vladimir Macura stammt aus der Krajina, dem einstmals vorwiegend serbisch bevölkerten Gebiet im heutigen Kroatien, und hat sich Anfang der neunziger Jahre in der Wojwodina angesiedelt, am großen Strom. Genau genommen am Donaukilometer 1701, im namentlich, baulich und demografisch alten Stari Banovci (Alt-Banovci). Der große Pfahl mit der Distanzangabe steht in seinem Garten, fast schon unauffällig zwischen Kunstwerken und Bäumen. „Kunst ist Liebe“, sagt Vladimir. So einfach. Liebe zum Wesen in den Dingen, könnte man sagen, denn hier im „Magacin Macura“ erhält alles seinen Platz und seine Wertschätzung: die Apfelbäume – jeder eine andere Sorte tragend –, der große Bananenstrauch, die alten, blau emaillierten Töpfe und die vielen Objekte aller Art, die nur einen Teil seiner Kunstsammlung ausmachen; denn Macura sammelt für sein Leben gern. „Irgendwann wird man halt ein bisschen besessen“, stellt er lakonisch fest.
Kunst gründet aber auch in der Liebe zu den Menschen und ihren Möglichkeiten. In einer Woche Ende August, als eine große Hitzewelle von grauem, aber mildem Nieselwetter abgelöst wurde, bevölkert eine Gruppe Wiener Architekturstudenten das Magacin Macura, jene Scheune, aus der in den letzten Jahren in aller Selbstverständlichkeit ein Museum geworden ist. Ihre Möglichkeiten und Ideen stehen an diesen Tagen im Mittelpunkt; sie sind hier, um in kleinen Arbeitsgemeinschaften ihre Projekte umzusetzen. Da sind einige, die aus alten Kleidern eine Picknickdecke nähen. Die Stoffstücke haben sie im Dorf eingesammelt und wollen zum Ende der Woche die Dorfbewohner zum gemeinsamen Mahl unter Bäumen einladen. Andere sind mit den Rädern von Wien bis hierhergefahren und haben die Reise filmisch dokumentiert. Aus Radio Beograd 2 tänzelt „Yumeji’s theme“ durch den Raum, während der Regen seine leichten Arpeggios aufs Scheunendach legt. Wie die Mönche eines Zen-Klosters den Wald, fegt die Gruppe an ihrem ersten Morgen in Banovci den Dielenboden.
Das Dorf, in dem die Scheune steht, liegt knappe dreißig Kilometer nordwestlich von Belgrad. Ein Boot treibt die Donau hinab, die hier meeresbreit ist. Stille, Wald, grauer Himmel, graues Wasser. Die Scheune liegt im rechten Winkel zum Strom, wie auf einem Balkon an einer Felskante über dem Fluss. Eine große, rote Bühne überbrückt den Niveauunterschied. Sie ist wie ein A geformt, sodass man von beiden Seiten die Stufen hinaufschreiten kann, um von oben wie auf einem Rednerpult über der Landschaft zu thronen und, wenn man will, vor den Wellen, den Vögeln und Bäumen seine Reden zu schwingen.
A wie „Alles“, eine Forderung, die sich im Museum auf einer roten Fahne wiederfindet. Sie hängt wie beiläufig vom alten Gebälk herab und verwandelt sich hier in eine Zustandsbeschreibung, denn das Magacin ist ein Raum, in dem alles möglich ist: Rückzug, Versammlung, Sprechen, Schweigen, Feiern, Arbeiten. „Die Architektur ist eigentlich das, was nach dem Bauen kommt –die Nutzung des Gebäudes“, sagt Milan Mijalkovic, der Architekt des Museums. Von ihm stammen auch die Alles-Fahne und die Bühne an der Donau.
Mijalkovic ist nicht nur Architekt, sondern auch Künstler. Er schaut auf die Gegenwart mit einem vermeintlich naiven, vermeintlich außenstehenden Blick, er gräbt sich entlang der Wurzeln durch die Zeitschichten der Gesellschaft und sucht nach optimistischen Zukunftsentwürfen. Was er hier umgesetzt hat, ist im heutigen wie herkömmlichen Sinne nachhaltig. „Nur was mit wenig Mitteln entsteht, ist nachhaltig“, ist er überzeugt. Für den Umbau der Scheune zum Museum standen 30.000 Euro zur Verfügung. Mijalkovic löste die Aufgabe, indem er einerseits so wenig Eingriffe in den Bestand wie möglich vornahm und andererseits die Materialkosten durch Recycling niedrig hielt. Dafür steckte er umso mehr Herzblut in das Projekt – alles bis ins kleinste Detail ist wohlüberlegt und liebevoll umgesetzt.
Zur Straße hin sitzt der Scheune ein Querriegel aus Sandwich-Paneelen auf. Die pinke Farbe der Fassade dient als Signal: „Hier ist etwas! Kommt her!“, ruft das Gebäude den vorbeifahrenden Autos und den Dorfbewohnern zu. Die simpleLagerhallenarchitektur des Querriegels ist eine typologische Fortsetzung oder zeitgenössische Entsprechung der jahrhundertealten Scheune. Das Bestandsgebäude musste vor allem vom Müll befreit werden, der sich im Inneren angehäuft hatte. Ansonsten waren der größte Eingriff die Fenster, die der Architekt ins Dach schneiden ließ. Flussseitig setzte er zwei Holzverschläge auf das Dach der Scheune, in denen sich zwei Aufenthaltsräume befinden.
Wenn man von der Straße durch die Buntglastür hineinkommt, muss man erst einmal den Garten auf ganzer Länge der Scheune abschreiten, zwischen Apfelbäumen und Sträuchern. Man erblickt ein paar große Bäume, einen langen Tisch, dann die Donau. So hat Mijalkovic die Länge des Bauwerks in Szene gesetzt, und so ist dem Besucher von Anfang an klar, dass er Zeit mitbringen sollte. Die Formulierung der „Tiefe des Raumes“, die Karl Heinz Bohrer einst für die Fußball-Berichterstattung prägte, wird hier einerseits archäologisch verstanden und andererseits beim Wort genommen: denn dieser Raum ist rund 100 Meter tief! Im Inneren rhythmisiert das Gebälk, die tragende Struktur den Raum; man fühlt sich ein wenig wie im Inneren eines alten Schiffes. Der abgewetzte Holzboden und die rauen Ziegelwände vervollständigen die Kulisse, vor der Kunstwerke jugoslawischer Dadaisten und Zenitisten, eine riesige Stuhlsammlung, Kommoden, Tische, Bücher, Fahrräder auf ganzer Länge entlang der Wände verteilt sind. Die Mitte wird mit weihevoller Rücksicht freigehalten. Hier soll immer etwas Neues entstehen können.
All das steht in grellem Kontrast zu den Kulturbauten, die für hunderte Millionen von Euro in Deutschland und anderswo in den reichen Industrieländern errichtet werden. Als Reisender, der aus Berlin nach Banovci kommt, kann ich gar nicht anders, als an Herzog & de Meurons „Kunstscheune“ zu denken, die gerade an der Potsdamer Straße im Entstehen begriffen ist. Sie sollte ursprünglich 200 Millionen Euro kosten, zu Baubeginn war aber schon klar, dass es mindestens 360 Millionen werden würden. Mittlerweile ist die Rede von 460 Millionen – Summen, die sich jeder Vorstellungskraft entziehen. Werden die Berliner zum Gebäude und den Werken, die im Goldkäfig ausgestellt sein werden, eine Verbindung aufbauen können?
Im Magacin Macura jedenfalls verbinden sich auf ganz eigene Art und Weise der Ort, die Natur, die Sammlung, der Bau und seine Nutzer. Exemplarisch kann man hier nachvollziehen, wie menschliches Siedeln im Kern darin besteht, sich auf schon existierende Strukturen zu setzen, sie zu integrieren und zu überschreiben. Hier ist alles alt und doch neu. Der Garten sieht so aus, als wäre er schon immer dagewesen, und auch das Gebäudeensemble kommt mit größter Selbstverständlichkeit daher, obwohl es eigentlich keinen größeren Kontrast zwischen jahrhundertealten Ziegeln und Holzbalken und modernem Kunststoff-Stahl-Verbund geben könnte.
Dass diesem Ort seine besondere Ruhe eigen ist, liegt an der Pflege und Liebe, die ihm zuteil wird. Pflegen heißt auf Latein colere, daher kommt das Wort Kultur. Nachdem Voltaires Candide durch die ganze Welt gereist ist und lauter Unglück erlebt hat, lauter Weltentwürfe hat scheitern sehen, findet er sich am Ende des Romans mit seinen Lieben Cunégonde, Pangloss, Martin und Cacambo in Konstantinopel zusammen in einem Häuschen mit Gartenstück; das Buch endet mit einem Satz, der ganze Regalmeter literaturwissenschaftlicher Forschung gefüllt hat: „Il faut cultiver notre jardin“ – „Wir müssen unseren Garten pflegen.“
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