Medizinhistorisches Museum der Charité in Berlin
Für den Umbau des Berliner Medizinhistorischen Museums ließen sich Rustler Schriever Architekten von dessen Sammlung inspirieren. Die Eingriffe schreiben das denkmalgeschützte Gebäude fort.
Text: Schäfer, Theresa, Frankfurt am Main
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Das Gebäude vor der Erneuerung. Am Rand des Charité-Campus und einst direkt an der Mauer gelegen, liegt es heute längst nicht im Abseits: Das Alexanderufer ist eine belebte Verbindung von der Invalidenstraße zum Hauptbahnhof und Bundestag, und mit dem Futurium befindet sich ein weiterer Publikumsmagnet gleich jenseits des Bahnviadukts.
Foto: Architekten
Das Gebäude vor der Erneuerung. Am Rand des Charité-Campus und einst direkt an der Mauer gelegen, liegt es heute längst nicht im Abseits: Das Alexanderufer ist eine belebte Verbindung von der Invalidenstraße zum Hauptbahnhof und Bundestag, und mit dem Futurium befindet sich ein weiterer Publikumsmagnet gleich jenseits des Bahnviadukts.
Foto: Architekten
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Die Sanierung lässt das Museum in den Stadtraum wirken ...
Foto: Marcus Ebener
Die Sanierung lässt das Museum in den Stadtraum wirken ...
Foto: Marcus Ebener
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... und hat ihm auch einen angemessenen Außenraum verschafft.
Foto: Marcus Ebener
... und hat ihm auch einen angemessenen Außenraum verschafft.
Foto: Marcus Ebener
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Der kleinteilige Grundriss wurde im Zuge der Neugestaltung zu größeren Raumfolgen umgestaltet. Im Bild: das Foyer.
Foto: Marcus Ebener
Der kleinteilige Grundriss wurde im Zuge der Neugestaltung zu größeren Raumfolgen umgestaltet. Im Bild: das Foyer.
Foto: Marcus Ebener
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Der Wechselausstellungssaal im ersten Obergeschoss
Foto: Marcus Ebener
Der Wechselausstellungssaal im ersten Obergeschoss
Foto: Marcus Ebener
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Das Erdgeschoss mit Blick aus der „Virchowkabine“ ins Foyer
Foto: Marcus Ebener
Das Erdgeschoss mit Blick aus der „Virchowkabine“ ins Foyer
Foto: Marcus Ebener
Aufblühen in der kaiserlichen Reichshauptstadt, Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau, Mauerbau und daraus folgende Restriktionen, Mauerfall, neue Spielräume nach der Wende – die deutsche Geschichte, die bis heute viele Orte in Berlin prägt, ist auch am Gebäude des Medizinhistorischen Museums der Charité spürbar. Wie der Name verrät, kommt diesem Ort eine weitere historische Bedeutung zu. Im Inneren befinden sich Ausstellungsstücke aus 300 Jahren Medizingeschichte. Hervorgegangen ist das Museum aus dem Pathologischen Museum Rudolf Virchows, das 1899 auf dem heutigen Charité Campus Mitte eröffnete. Bis 1914 war es für die Öffentlichkeit zugänglich. Erst ab 1998 eröffnete das Museum unter neuem Namen einzelne Ausstellungsebenen wieder für den Besucherverkehr. Nun sanierten und konzipierten Rustler Schriever Architekten das denkmalgeschützte Museumsgebäude erstmals grundlegend neu.
Das Berliner Büro verknüpft die historischen Exponate und das Gebäude durch eine formale Übernahme der Schaugläser Virchows in die rote Backsteinfassade. Sechs zweigeschossige Schaufenster öffnen das Gebäude auf der Nordostseite nach außen. Die Schaufenster sind tief in die Fassade eingelassen, die Rahmen kaum sichtbar. Innen schließt eine zweite Ebene mit öffenbaren Fenstern daran an. Der Raum dazwischen ist belüftet. In die Lüftungsdurchlässe ist die Form von Zellen eingefräst – Rudolf Virchow schließlich war es, der 1858 die Zellularpathologie entwickelte. Die Laibungen im Zwischenraum sind mit kleinen Ösen ausgestattet. An ihnen können Exponate befestigt werden, sodass sich das Museum mit seinen Inhalten im Stadtraum präsentieren kann. In der Reihe dieser Schauvitrinen sitzt ein neuer Eingang, dessen Rahmen aus brünierter Baubronze in Form einer schmalen Wandung aus der Fassadenebene herausgezogen ist.
Der neue Eingang ersetzt die enge Eingangssituation an der Stirnseite des Gebäudes. Dort zeugen Gitterstäbe vor den Fenstern davon, dass das Gebäude einst unmittelbar an der Berliner Mauer stand. Ein Reststück der Mauer steht noch im Außenraum. Wie geht man mit diesen Zeitschichten um? Rustler Schriever entschieden sich, die Gitterstäbe nicht zugunsten eines freien Ausblicks zurückzubauen, während sie die in der Nachkriegszeit eingebauten Fenster im Erdgeschoss der Nordostfassade durch die bereits erwähnten Schauvitrinen ersetzten.
Im Inneren lösten sie die kleinteilige Raumstruktur auf. Die neue Großzügigkeit wirkt den niedrigen Raumhöhen des Bestands entgegen. Das Tragwerk ließen sie sanieren, den Terrazzoboden aufbereiten. Die Leitungsführung für die klimatische Ertüchtigung verschwindet hinter Vorsatzschalen an den Wänden. Weitere Einbauten wie Aufzüge fügen sich ebenso unauffällig ein. Im Keller legten sie die alten Gewölbestrukturen frei, genauso wie die Holztragstruktur im Dach. Die neuen Gauben sind ein Zitat des ursprünglichen Zustands aus dem Jahr 1899. In der Hörsaalruine veranschaulichen abgebrochene Mauern, Putzreste und frei von der Decke herabhängende Bewehrungsstäbe eindrucksvoll den Bombeneinschlag und den Wiederaufbau. Hier ließ das Planungsteam die Technik erneuern, eine neue Garderobe sowie einen Teppichboden für die Akustik einbauen. So ist der ehemalige Hörsaal auch zukünftig für Veranstaltungen gerüstet.
Für die Ausstellungsräume entstand im Erdgeschoss ein langes schmales Foyer parallel zum neuen Vorplatz. Das neue Virchow-Kabinett ist als Multifunktionsraum unter anderem für die Museumspädagogik gedacht. Ein Schaulabor gewährt den Besuchern einen Blick in den Museumsbetrieb. Die Ausstellungsflächen im ersten Obergeschoss sind nun dank der klimatischen Ertüchtigungen für den Wechselausstellungsbetrieb ausgelegt. Im zweiten und dritten Obergeschoss findet die hauseigene Sammlung ihren Platz. In allen drei Geschossen ist der hintere Bereich für Ausstellungen mit Kunstlicht konzipiert. Im Untergeschoss sind Garderoben und weitere dienende Räume untergebracht. Verwaltung und Depotflächen beschränken sich auf das vierte Obergeschoss respektive das Dachgeschoss. Ein Objektlabor steht der Forschung zur Verfügung.
Die Eingriffe führen die Öffnung des Museumsgebäudes für die Öffentlichkeit fort. Das setzt sich fort im neu gestalteten Außenraum. Der Vorplatz aus Granit dient als Niveauausgleich zwischen Straße und Gebäude und ermöglicht so einen barrierefreien Zugang. In der Dunkelheit leuchten Schriftzüge an den Fassaden, die an Reagenzgläser erinnern sollen.
Durch präzises Subtrahieren und Addieren sowie sorgsame Detaillierungen greifen Neues und Altes selbstverständlich ineinander. Auch wenn die formalen Anlehnungen an den Bestand zum Teil überladen erscheinen, schreiben sie das denkmalgeschützte Gebäude doch zeitgemäß fort.
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