Bauwelt

Sanierung eines sozialen Wohnungsbaus in Antwerpen


In Antwerpen konnte der Abriss der Fierenshöfe, eines sozialen Wohnungsbaus der Dreißigerjahre, verhindert werden. Der Komplex wurde sorgfältig saniert. Trotzdem bietet er wieder günstigen Wohnraum an. Voraussetzung war ein Bauherr mit Agenda.


Text: Bokern, Anneke, Amsterdam


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    Foto: Karin Borghouts

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    Blick nach Norden über den Stadtteil Sint-Andries. Die Fierenshöfe bestehen aus einem großen Wohnblock (Vordergrund) und einem L-förmigen Gebäude im westlichen Nachbarblock (verdeckt). Links: Hofzufahrt an der Westseite. Grundriss: Obergeschoss zweier neuer Maisonette-Wohnungen.
    Foto: Karin Borghouts

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    Blick nach Norden über den Stadtteil Sint-Andries. Die Fierenshöfe bestehen aus einem großen Wohnblock (Vordergrund) und einem L-förmigen Gebäude im westlichen Nachbarblock (verdeckt). Links: Hofzufahrt an der Westseite. Grundriss: Obergeschoss zweier neuer Maisonette-Wohnungen.

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    Vor dem Umbau: Ursprünglich hatte Fierens einen geschlossenen Block geplant, doch ein Eckhaus, das nicht erworben werden konnte, verhinderte die vollständige Ausführung.
    Foto: Karin Borghouts

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    Vor dem Umbau: Ursprünglich hatte Fierens einen geschlossenen Block geplant, doch ein Eckhaus, das nicht erworben werden konnte, verhinderte die vollständige Ausführung.

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    Nach dem Umbau: Die Architekten haben die Ecke mit einem Neubau gefüllt, der turmartig abschließt.
    Foto: Karin Borghouts

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    Nach dem Umbau: Die Architekten haben die Ecke mit einem Neubau gefüllt, der turmartig abschließt.

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    Viele alte Elemente wie Treppenläufe oder Wohnungs-türen waren noch erhalten.
    Foto: Karin Borghouts

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    Viele alte Elemente wie Treppenläufe oder Wohnungs-türen waren noch erhalten.

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    Blick von einer Dachterrasse.
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    Blick von einer Dachterrasse.

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    In einigen Wohnungen entstand durch die Badver-größerung die eigenwillige Situation eines Bades mit Balkon-Zutritt.
    Foto: Karin Borghouts

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    In einigen Wohnungen entstand durch die Badver-größerung die eigenwillige Situation eines Bades mit Balkon-Zutritt.

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    Wohnung im neuen Eckhaus.
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    Im Erdgeschoss einer Maisonette-Wohnung; Blick auf den neu gepflasterten Hof. Unter dem Hof wurde eine Fahrradgarage angelegt.
    Foto: Karin Borghouts

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    Im Erdgeschoss einer Maisonette-Wohnung; Blick auf den neu gepflasterten Hof. Unter dem Hof wurde eine Fahrradgarage angelegt.

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    Abb.: Verfasser

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    Vorher: Bestandswohnung
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    Vorher: Bestandswohnung

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    Heute: Vier-Zimmer-Wohnung
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    Heute: Vier-Zimmer-Wohnung

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    Fünf-Zimmer-Wohnung
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    Fünf-Zimmer-Wohnung

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    Gemeinschaftswohnung
    Abb.: Verfasser

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    Gemeinschaftswohnung

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G. FIERENS ARCHITEKT K.M.B.A. steht in weißen Buchstaben auf einer braunen Kachel, die auf jeder Ecke der Fierenshöfe in die Fassade eingelassen ist. Gustave Fierens war offensichtlich stolz auf sein Projekt. Bei der Eröffnung 1939 waren die beiden nach dem Baumeister benannten Blöcke der größte Sozialwohnungskomplex in der Innenstadt von Antwerpen. Sie stehen im Vier-tel Sint-Andries, zwischen dem Zentrum und dem schicken Süden der Stadt. Ein Gebäude ist achtgeschossig und umschließt einen großen Hof; das zweite ist fünfgeschossig und legt sich L-förmig um einen zweiten, kleineren Hof. Beide Gebäude haben eine Konstruktion aus Stahlbeton und sind gehüllt in Fassaden aus gelbem und rotem Klinker. An vielen Stellen finden sich liebevolle Details wie die für das Projekt entworfenen Torgitter, Hausnummern und Briefkästen. 205 Wohnungen zählte der Komplex ursprünglich, alle um die 65 Quadratmeter groß und ausgestattet mit damals modernen Annehmlichkeiten wie Badezimmer, Zentralheizung und Müllschlucker. Wer hier in den 1940er Jahren eine Wohnung ergatterte, schätzte sich glücklich.
80 Jahre später boten die Fierensblöcke ein anderes Bild. Nach langer Vernachlässigung waren sie in beklagenswertem Zustand und standen, abgesehen von einer Zwischennutzung als Eventlocation, zuletzt 15 Jahre leer. 2015 kündigte die Eigentümerin, die Wohnungsbaugesellschaft Woonstad, ihren Abriss an, was aber auf Protest von Architekturfreunden und Anwohnern stieß. Ihnen kam die AG Vespa zu Hilfe. Die kommunale, aber autonome Gesellschaft setzt sich für bezahlbaren Wohnraum und Stadterneuerung ein, unter anderem indem sie heruntergekommene Immobilien aufkauft, sie saniert oder durch Neubauten ersetzt. 2016 lancierte die AG Vespa eine Ausschreibung für die Renovierung der Fierenshoven, die die niederländischen Büros Happel Cornelisse Verhoeven (HCVA) und Molenaar & Co gewannen. Sie hatten sich gemeinsam beworben, da HCVA bereits Erfahrung mit Projekten in Belgien hatte, während Molenaar & Co mit der Renovierung des 1922 erbauten Justus van Effenblocks in Rotterdam ein Referenzprojekt vorweisen konnte, das in vielerlei Hinsicht vergleichbar war und obendrein zahlreiche Preise abgeräumt hatte.
Die Aufgabe lautete, die Fierenshoven energetisch zu sanieren und die Bandbreite an Wohnungstypen zu vergrößern. Viele der Wohnungen fügten die Architekten zusammen, sodass 122 Wohnungen mit 65 bis 130 Quadratmetern entstanden. Die Wohnungen in den unteren beiden Geschossen des großen Blocks wurden vertikal zusammengelegt und dienen nun als Maisonnettes für Familien mit direktem Zugang zum Innenhof. Der Schlüssel zum Verbinden der Wohnungen waren die Treppenhäuser. In jedes zweite Treppenhaus wurde ein Aufzug eingebaut, das andere dient nur noch als Fluchtweg. Die verglasten Schächte der alten Aufzüge sind zu Lichtelementen geworden, in denen auch Feuerwehrschläuche und andere Utensilien aufbewahrt werden.

Erbstücke einer Vernachlässigung

Überhaupt galt als Leitsatz: minimale Veränderungen der historischen Substanz und maximale Wiederverwendung von Bauteilen. Da über Jahrzehnte kaum etwas erneuert wurde, waren noch viele Elemente erhalten. So sind die Treppenhäuser weitgehend im Originalzustand, mit ornamentalen Terrazzoböden, schwungvollen Treppengeländern und Stahlfensterrahmen. Die Architekten beschlossen deshalb, sie nicht zu dämmen und zu Übergangszonen zwischen innen und außen zu erklären. Die Wohnungen wurden dagegen alle von innen isoliert. Einzige Ausnahme sind die Wohnungen, die an der Hoffassade der kurzen Seite des L-Blocks liegen, denn diese war in so schlechtem Zustand, dass man sich doch für eine Außenisolierung entschied.
Alle Fenster wurden durch neue Holzkastenfenster mit Dreifachverglasung ersetzt. Vor der Sanierung waren sie weiß gestrichen, aber Farbuntersuchungen brachten das Farbschema von Gustave Fierens zutage. Nun sind die Fensterrahmen zur Straße wieder ockergelb, zum Hof sandfarben. Auch die neuen Fliesenböden und Einbauküchen in den Wohnungen wurden auf Grundlage des Farbschemas gestaltet und sorgen für etwas Charakter im Standardinterieur. Noch erstaunlicher ist, dass sich die Mühe gemacht wurde, 750 alte Türen nicht einfach auszutauschen, sondern aufwändig aufzuarbeiten.
Vor der Sanierung war der große Hof komplett gepflastert. Er zeigt sich nun immer noch recht steinern, aber immerhin ist das neue Pflaster – natürlich mit Schachbrettmuster in Fierensfarben – permeabel, zudem wurden drei Bäumchen gepflanzt. Auch 75 Prozent der Dachfläche wurde begrünt. Dazwischen liegen gemeinschaftliche Dachterrassen mit Pergolen und Pflanzkübeln. An eine der Dachterrassen grenzt ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche, den die Bewohner für Veranstaltungen nutzen können. Zum Gebäudekomplex gehören noch einige andere Gemeinschaftsräume sowie vier Gästezimmer und eine Waschküche. Der Gemeinschaftsraum im achten Geschoss aber ist ein echtes Erlebnis: Er bietet einen unschlagbaren Ausblick über Antwerpen. Der Raum befindet sich im einzigen Neubauteil des Ensembles: einem Turmbau auf der Südostecke des Hofblocks. Ursprünglich stand hier ein kleines Haus, das die Wohnungsbaugesellschaft in den 1930er Jahren nicht hatte kaufen können, weshalb Fierens seinen Block auf der Ecke nie vollenden konnte. HVCA haben es durch einen Neubau mit sechs Wohnungen ersetzt. Für dessen Fassaden wurden salzglasierte Kacheln angefertigt, die beinahe denselben Braunton wie die Kacheln an Fierens’ Sockel haben. Dennoch machen die ungleichmäßigen Fugenbreiten, die Betonstürze und Metallgeländer vor den französischen Balkonen des Neubaus vor allem deutlich, wie vergleichsweise hochwertig Details und Ausführung des Altbaus sind.
Die Übernahme durch die AG Vespa war ein Glücksfall. Welch anderer Bauherr hätte im obersten Geschoss einen Gemeinschaftsraum angesiedelt? Ein Glücksfall ist auch, dass die AG Vespa die Wohnungen nach Fertigstellung nicht verkauft hat, sondern sie selbst vermietet zu Preisen, die 20 Prozent unter der ortsüblichen Miete liegen (im August kostete eine große Fünf-Zimmer-Wohnung ca. 1300 Euro kalt). Auch bei der Wahl der Architekten hat die Gesellschaft Gefühl bewiesen, denn HVCA und Molenaar & Co haben den Bestand mit viel Respekt behandelt und in die Gegenwart befördert. Vom Umbau profitieren nicht nur die Bewohner, denn entlang der Nationalestraat, die für Passanten lange eine verrammelte Durststrecke bildete, liegen nun wieder Geschäfte und Cafés im Erdgeschoss, durch deren verglaste Rückwände man bis in den Hof sehen kann. So spielen die Fierenshöfe wieder die Rolle in der Stadt, die sie verdienen.



Fakten
Architekten Happel Cornelisse Verhoeven, Rotterdam; Molenaar & Co, Rotterdam
Adresse 51.212345210081395, 4.3970861378027974


aus Bauwelt 17.2024
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