Telegraph in Berlin
In Berlin-Mitte hat &MICA eine Nachkriegslücke mit einem Bürobau gefüllt. Für ein gutes Arbeitsklima soll neben der Architektur auch die Landschaftsarchitektur ihren Beitrag leisten.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
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Der Neubau an der Köpenicker Straße fungiert gleichzeitig als Vorderhaus und Seitenflügel. Im Gegensatz zur historischen Vorgängerbebauung ist der Zugang nun linksseitig.
Foto: Luca Abbiento
Der Neubau an der Köpenicker Straße fungiert gleichzeitig als Vorderhaus und Seitenflügel. Im Gegensatz zur historischen Vorgängerbebauung ist der Zugang nun linksseitig.
Foto: Luca Abbiento
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Auf dem Grundstück stand seit 1895 ein Post- und Telegraphenamt mit zwei Quergebäuden im Hof.
Nach Kriegszerstörung lag die Fläche brach, diente später als Parkplatz.
Foto: Jörg Zägel
Auf dem Grundstück stand seit 1895 ein Post- und Telegraphenamt mit zwei Quergebäuden im Hof.
Nach Kriegszerstörung lag die Fläche brach, diente später als Parkplatz.
Foto: Jörg Zägel
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Rückseite des an den Plattenbau angedockten Vorderhauses mit Seitenflügel
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
Rückseite des an den Plattenbau angedockten Vorderhauses mit Seitenflügel
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
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Treppenhaus ...
Foto: Luca Abbiento
Treppenhaus ...
Foto: Luca Abbiento
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... und Straßeneingang.
Foto: Luca Abbiento
... und Straßeneingang.
Foto: Luca Abbiento
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An Balkonen und auf dem Dach ...
Foto: Luca Abbiento
An Balkonen und auf dem Dach ...
Foto: Luca Abbiento
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... wurden Gabionen als „Pioneer-Units“ aufgestellt.
Foto: Luca Abbiento
... wurden Gabionen als „Pioneer-Units“ aufgestellt.
Foto: Luca Abbiento
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Ihr Konzept entwickelte Atelier Le Balto mit der Berliner Landschaftsarchitektin Ludivine Gragy.
Foto: Luca Abbiento
Ihr Konzept entwickelte Atelier Le Balto mit der Berliner Landschaftsarchitektin Ludivine Gragy.
Foto: Luca Abbiento
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Dank der Fahrrad-Tiefgarage blieb im Hof die Fläche frei für Begrünung.
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
Dank der Fahrrad-Tiefgarage blieb im Hof die Fläche frei für Begrünung.
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
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In den sanierten Quergebäuden ...
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
In den sanierten Quergebäuden ...
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
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... befinden sich weitere Büros und eine Cafeteria.
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
... befinden sich weitere Büros und eine Cafeteria.
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
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Neben einem Software-Dienstleister nutzt inzwischen auch ein Schweizer Sportschuh-Hersteller die Räume der Altbauten. Die Innenarchitektur verantwortete das Hamburger Studio Gourdin.
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
Neben einem Software-Dienstleister nutzt inzwischen auch ein Schweizer Sportschuh-Hersteller die Räume der Altbauten. Die Innenarchitektur verantwortete das Hamburger Studio Gourdin.
Foto: Büro Schramm für Gestaltung
Welch Ironie: Ausgerechnet die Digitalwirtschaft setzt aufs Arbeiten im Büro. Nicht nur im kalifornischen Silicon Valley, auch in Deutschland verordnen Arbeitgeber aus der digitalen Branche ihren Angestellten eine mehrtägige Anwesenheitspflicht im Firmensitz. Als Lockmittel bieten sie dazu Annehmlichkeiten, die die Bürowelt wie ein gehobenes Freizeitzentrum mit Bällebad, Videospielen und Obstkörben erscheinen lassen soll. Auch in der Köpenicker Straße, einer traditionellen Gewerbestraße im innerstädtischen Berlin, hat sich in ähnlichen Ausführungen die „New Economy“ niedergelassen.
Ein solcher Büroneubau steht schräg gegenüber dem Deutschen Architekturzentrum. Er ist Standort des Hauptmieters Taxfix, eines App-Anbieters, der eine vereinfachte Form der deutschen Steuererklärung entwickelt hat. Bauherr war die damals gerade noch solvente CreditSuisse aus Zürich. Auf den Neubau, der ein gründerzeitliches Vorderhaus samt Seitenflügel nachbildet, folgen zwei sanierte Quergebäude aus der Gründerzeit. Ein neungeschossiger Plattenbau zur Köpenicker Straße und ein elfgeschossiger Riegel zur anderen Blockseite vollenden die heterogene Lage. Man hätte vieles, eigentlich alles in diese Nachkriegslücke setzen können. Das Architekturbüro &MICA entschied sich für „eine Ruine“, wie es Architekt und Geschäftsführer Andreas Michels beschreibt, „die von der Natur zurückerobert wird.“
Im Winter ist dieses Wunschbild zumindest von der Straße kaum zu erkennen: Die rötliche Erdgeschossfassade ist zwar das übriggebliebene Relikt eines Post- und Telegraphenamts aus der Kaiserzeit und wurde als Riesenspolie charmant in den Neubau integriert. Von der Natur befallen ist aber die restliche Glas-Beton-Fassade nicht – oder noch nicht. Denn der Gang durch den Hof offenbart, das eine Landschaftsarchitektur gewählt wurde, die auf eine langfristige Berankung, verwilderte Höfe und begrünte Dachterrassen setzt.
Der Eindruck einer Ruine soll durch die Nacktheit der Betonstützen geweckt werden, führt Michels aus. Die Stützen prägen geschossweise auskragend die Vorder- und Rückseite des Neubaus sowie die Innenräume. Als Vorbilder schwebten dem Architekten jene Skelettbauten vor, die als Fehlinvestitionen des vorletzten Immobilienbooms vor allem in Südeuropa zu finden sind. Eine vergleichbare Hinterlassenschaft steht aber auch in der Köpenicker Straße, nureinige hundert Meter östlich, neben dem geräumten autonomen Wagenplatz „Köpi“. Es sei ihnen darum gegangen, die Architektur zurücktreten und der Landschaftsarchitektur den Vortritt zu lassen, sagt Michels. Das Projekt ist also nicht zuletzt ein Werk des Atelier Le Balto. Statt der Natur durch die immer wieder anzutreffen-de Manier deutscher Heckenzucht eine Ordnung aufzuzwingen, erfreuen sich die Berliner Landschaftsarchitekten am gezielten Wildwuchs. In der Köpenicker Straße wählten sie einheimische Pflanzen wie Hopfen und Birken, die sie um ortsfremde Pflanzen ergänzten.
Der Gang durch den Hof führt nun einem verästelten Weg folgend durchs winterlich spärliche Grün. Auf dem Dach und auf Balkonen stehen Gabionen, von fünf Seiten begrünte Drahtgeflechtkörbe, aus denen es einem japanischen Modell nach in alle Richtungen sprießen soll. Doch der letzte Betreiber hatte das Bewässerungssystem nicht gewartet und viele Pflanzen vertrocknen lassen. Im Sommer kämpfe man sich dafür im Hof bereits an Schmetterlingsschwärmen vorbei, verspricht Michels; in der kalten Jahreszeit sind zumindest die zahlreichen Nistkästen von Vögeln umzwitschert.
Natürlich hat der Beton-Neubau, der für den ökologischen Ausgleich mit Geothermie, Photovoltaik und einer Tiefgarage mit 200 Radstellplätzen (gegenüber 10 Autostellplätzen) aufwartet, seine Schwächen. Dass das Café im vorderen Erdgeschoss nur als privater Entspannungsort den Taxfix-Mitarbeitern zur Verfügung steht, obwohl es ohne Weiteres auch öffentlich-kommerziell betrieben werden könnte, ist bedauerlich. Die Innenräume wirken überladen, was eher dem Geschmack des Nutzers geschuldet ist. Viel los ist an diesem Mittwochmorgen in den Büroräumen trotz aller Annehmlichkeiten nicht – womöglich treffen die „Techies“ später ein? Dennoch kann dem Neubau selbst im Winter eine angenehme Atmosphäre im Hof wie im Innern und eine angemessene Fügung ins Straßenbild zugestanden werden. Die Natur tut ihr Übriges.
Wie es beim Bürobau nicht laufen sollte, ist dafür auf der anderen Spreeseite zu sehen. In dem Gewerbegebiet „Media-Spree“, einem Trauerakt der Berliner Stadtentwicklung, stehen über 10 Prozent der Büroflächen leer. Zum Vergleich: Bei Mietwohnungen beträgt der Leerstand in der gesamten Stadt 0,3 Prozent.
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