Tierkrematorium in Drnov, Tschechien
Wenn der treue Begleiter des Menschen stirbt, ist der Abschied schwer. Ein Tierkrematorium mit Aufbahrungshalle realisierte das Prager Büro von Petr Hájek. Eine Architektur an der Schwelle zweier Welten.
Text: Klíma, Petr, Prag
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Das Krematorium entstand durch den Umbau zweier Garagen, die zu einem alten Flugabwehrgelände gehören.
Foto: Petr Hájek Architekti
Das Krematorium entstand durch den Umbau zweier Garagen, die zu einem alten Flugabwehrgelände gehören.
Foto: Petr Hájek Architekti
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Die verspiegelte Fassade mit einer Fläche von 6 auf 11 Metern soll als „Schwelle zwischen zwei Welten“ verstanden werden.
Foto: Peter Fabo
Die verspiegelte Fassade mit einer Fläche von 6 auf 11 Metern soll als „Schwelle zwischen zwei Welten“ verstanden werden.
Foto: Peter Fabo
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Mit der Außenfassade berufen sich die Architekten auf die „endliche Geschwindigkeit des Lichts“. Die Komposition erinnert ihnen zufolge an die Kunstwerke Richard Serras und Anish Kapoors.
Foto: Martin Chum
Mit der Außenfassade berufen sich die Architekten auf die „endliche Geschwindigkeit des Lichts“. Die Komposition erinnert ihnen zufolge an die Kunstwerke Richard Serras und Anish Kapoors.
Foto: Martin Chum
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Das Projekt ist zweigeteilt in einen technischen ...
Foto: Martin Chum
Das Projekt ist zweigeteilt in einen technischen ...
Foto: Martin Chum
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... und einen kontemplativen Bereich.
Foto: Martin Chum
... und einen kontemplativen Bereich.
Foto: Martin Chum
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Mit den schlichten Innenräumen ...
Foto: Peter Fabo
Mit den schlichten Innenräumen ...
Foto: Peter Fabo
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... halfen die Architektinnen den Betreibern des Krematoriums auch dabei, ...
Foto: Tomáš Vocelka
... halfen die Architektinnen den Betreibern des Krematoriums auch dabei, ...
Foto: Tomáš Vocelka
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... die Kosten für den Bau auf einem akzeptablen Niveau zu halten.
Foto: Tomáš Vocelka
... die Kosten für den Bau auf einem akzeptablen Niveau zu halten.
Foto: Tomáš Vocelka
In den meisten Ländern der westlichen Welt ist in den letzten Jahren die Zahl allein lebender Menschen deutlich gestiegen. Für viele von ihnen sind Hunde oder Katzen zu Weggefährten geworden; in zahlreichen Familien stellen Tiere heutzutage „rechtmäßige“ Mitglieder des Haushalts und Objekte fürsorglicher Pflege dar. Dieser Wertewandel in der Gesellschaft spiegelt sich auch in der Legislative (ein Tier ist kein Ding) und der Praxis von Landwirtschaftsbetrieben, Kosmetik- und anderen Firmen wider. Die Veränderung unserer Beziehung zu Haustieren zeigt sich auch in der Entstehung eines eigenen Gebäudetyps: des Tierkrematoriums.
Während an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Einäscherung Ausdruck des Fortschritts und Instrument gegen die Vereinnahmung selbst des Todes durch die katholische Kirche war, geht es in der Gegenwart generell um eine Ritualisierung des Abschieds von den Verstorbenen, auch bei der hygienischen Liquidierung des Körpers durch Verbrennen. Eine symbolische Bedeutung ebenso wie eine praktische Dimension haben neben Krematorien, die für Menschen bestimmt sind, auch Tierkrematorien. In Tschechien wurde das erste Tierkrematorium 2003 gegründet, heute existieren etwa ein Dutzend solcher Gebäude im Land. Doch nur wenige von ihnen verfügen auch über eine eigene Einäscherungsanlage. Eines davon ist „Die ewigen Jagdgründe“ – das Haus wurde zwischen 2018 und 2021 nach einem Entwurf des Ateliers des Prager Architekten Petr Hájek realisiert.
Um die Entstehung des Krematoriums hatten sich die Besitzerinnen mehr als zehn Jahre bemüht. Geleitet wurden sie dabei von der Überzeugung, dass Tiere die bessere Seite im Menschen verkörpern und deshalb einen würdevollen Abschied verdienen. Nach einer Reihe von Schwierigkeiten fanden sie einen einzigartigen Ort: einen verlassenen Bunker, Bestandteil eines Flugabwehrgeländes, das in den 1980er Jahren etwa dreißig Kilometer nordöstlich von Prag angelegt worden war. Auch wenn der Komplex seit Mitte der 1990er nicht mehr diesem Zweck dient, wird seine Geschichte vor Ort durch das Museum für Flugabwehr samt der erhalten gebliebenen Ausstattung vergegenwärtigt. Das Krematorium entstand durch den Umbau zweier Garagen, die in einen Hang eingebettet sind. Die darauf wachsenden Wildpflanzen machen aus dem Areal eine Enklave „wilder Natur“ in der mittelböhmischen Kulturlandschaft. Die relativ isolierte Lage wurde zu einer der charakteristischen Eigenschaften und zugleich Vorzug des Gebäudes. Dank ihr wird der Weg zum Krematorium zu einer Wanderung ans Ende dieser Welt.
Am Ziel wird man mit den offenen Armen der Stützmauern empfangen, die den Raum vor den ursprünglichen Garageneinfahrten begrenzen. Die Umwandlung der Garagen für den neuen Zweck stellte für Hájek und sein Team einen scheinbar einfachen Auftrag dar. Der neuen Nutzung kam sowohl die Stahlbetonkonstruktion der Mauern und Decken entgegen als auch der lapidar angelegte Raum mit den zwei Stellplätzen, wie ein daran anschließender Nebenraum auf einer Gesamtfläche von 250 Quadratmetern, in dem die Architekten das gewünschte Programm umsetzten. Mithilfe von Trennwänden aus Betonelementen brachten sie im ursprünglichen Nebenraum, mit eigenem Eingang, ein Empfangszimmer, ein Büro und eine Toilette unter. Den benachbarten Stellplatz teilten sie dann in eine Aufbahrungshalle – den Raum des letzten Abschieds –, ein Foyer, ein Lager und eine Garderobe mit Sanitäranlagen für das Personal. In der räumlich abgetrennten zweiten Garage platzierten sie die Kadaverannahme und den Einäscherungsraum mit Ofen und Kühlanlage.
Ihr sichtbarster Eingriff ist eine Wand, die sie vor die ursprüngliche Außenmauer setzten und mit 6000 „Spiegelflittern“ bedeckten. Darin liegt eine breite Tür, die in den Einäscherungsraum führt. Jeder einzelne der hexagonalen Flitter – hergestellt aus plattiertem Polycarbonat – wurde von Hand auf die Unterlage geklebt, sodass das Ergebnis eine nicht ganz ebene Oberfläche ist. Die Spiegelung der Umgebung verändert sich je nach Standort und Blickwinkel der Gäste. Die spiegelnde Fläche bricht die Welt und bringt sie zum Vibrieren, ähnlich einem pointillistischen Bild. So hat die Wand bisher auch kein einziger Vogel mit der wirklichen Umgebung verwechselt. Es handelt sich um eine beeindruckende, effektvolle Lösung, bei der das Gebäude den Besuchern die Umgebung in Form eines verpixelten Mosaiks zurückwirft, zugleich aber auch eine zweckmäßige Antwort auf die Frage gibt, wie man mit der Vorderseite umgehen soll. Wesentlich ist auch die symbolische Bedeutung der Wand, die die Architektinnen als „Tor in eine andere Dimension“ gestalten wollten. Und tatsächlich hat die Fassade des Krematoriums eine starke transzendentale Wirkung und verflüssigt die Grenze von Zeit und Raum. Unsere Welt verliert sich in der Spiegelung und wird gleichzeitig in „jene Welt“ extrapoliert, zu einer Spiegelung der umliegenden Landschaft wie auch der introspektiven Landschaft des Geistes.
Die neue Fassade beeinflusst auch den Innenraum. Die Lücke zwischen der ursprünglichen und der neuen Außenmauer schlossen die Architekten nämlich mit einer reinen Polycarbonatplatte ab und brachten durch das so entstandene Oberlicht Tageslicht ins Innere. Ansonsten hielten sie den Innenraum sehr schlicht. Für die Oberflächen wählten sie eine begrenzte Farbskala: Die ursprünglich roh belassenen Böden versahen sie mit einem grauen Estrich, die neuen Trennwände sowie die bestehenden Betonwände und -decken vereinheitlichten sie mit einem weißen Anstrich und ließen zudem darauf sichtbare Spuren des Verputzens und weitere Unvollkommenheiten der Oberflächen bestehen.
Durch den leicht plastischen Charakter der Oberflächen erlaubten sie dem natürlichen Licht, das über das Dachfenster des Vorraums dringt, den Raum sowie die Atmosphäre weich zu modellieren. Einen weißen Anstrich wählten sie auch für den Großteil der Türfutter und -flügel (mit Ausnahme der verglasten Tür zum Büro) und einen Teil der Trapezbleche an der Unterdecke. Stellenweise akzentuierten sie das verzinkte Metall. Einfache Formen verliehen sie auch mehreren Möbelstücken, die aus Massivholz oder Sperrholz hergestellt wurden. Durch eine Reduktion der Menge und Intensität sinnlicher Eindrücke in den Innenräumen lenkten sie die Aufmerksamkeit der Menschen, die ein Tier verloren haben, auf ihr eigenes Inneres, auf das Abschiedsritual. Einen meditativen Charakter verliehen sie insbesondere der Aufbahrungshalle. Durch die Platzierung des Aufbahrungstischs unter einer transluzenten Unterdecke hüllt ihn gedämpftes, diffuses Licht, das den Raum seiner scharfen Züge entledigt und in einen Ort der Besinnung und des letzten Lebewohls verwandelt. Gerade in der Möglichkeit, aus dem Rahmen der Alltagserfahrung hinauszutreten und mit dem Wesen des Seins wie auch des Nichts in Berührung zu kommen, ist eine der größten Qualitäten der „Ewigen Jagdgründe“ – eines Baus, dem eine außergewöhnliche Lage geschenkt wurde und dessen Potenzial auszuschöpfen dem Team von Petr Hájek voll und ganz gelungen ist.
Aus dem Tschechischen von Florian Tilzer
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