Kommunaler Wohnungsbau in London
Henley Halebrown haben im teuren London eine 1950er-Jahre-Siedlung nachverdichtet. Bewohner der drei Häuser sollen auf lange Sicht ihre Mietwohnungen in ihr Eigentum umwandeln können.
Text: Schittich, Christian, München
-
Die beiden fünfgeschossigen Häuser Taylor Court (im Bild hinten) & Chatto Court (im Vordergrund, mit Brücke) schließen an der Well Street einen Zeilenbau zum Hof zusammen.
Foto: Nick Kane
Die beiden fünfgeschossigen Häuser Taylor Court (im Bild hinten) & Chatto Court (im Vordergrund, mit Brücke) schließen an der Well Street einen Zeilenbau zum Hof zusammen.
Foto: Nick Kane
-
-
-
Der nun geschlossene Hof hinter den Häusern Taylor Court und Chatto Court.
Foto: Nick Kane
Der nun geschlossene Hof hinter den Häusern Taylor Court und Chatto Court.
Foto: Nick Kane
-
Wohnung und Treppenhaus im Taylor Court.
Foto: David Grandorge.
Wohnung und Treppenhaus im Taylor Court.
Foto: David Grandorge.
-
-
In einem leicht konkaven Schwung zeichnet Wilmott Court den Straßenverlauf der Well Street nach.
Foto: Jim Stephenson
In einem leicht konkaven Schwung zeichnet Wilmott Court den Straßenverlauf der Well Street nach.
Foto: Jim Stephenson
-
Die drei Projekte wurden mit dem RIBA National Award 2023 prämiert ...
Foto: Jim Stephenson
Die drei Projekte wurden mit dem RIBA National Award 2023 prämiert ...
Foto: Jim Stephenson
-
... auch aufgrund „durchdachter Verkehrsfläche“, so die Jury, wie dem Treppenhaus im Wilmott Court.
Foto: Jim Stephenson
... auch aufgrund „durchdachter Verkehrsfläche“, so die Jury, wie dem Treppenhaus im Wilmott Court.
Foto: Jim Stephenson
-
London gilt vielen als Schreckensszenario einer fehlgeleiteten Wohnungspolitik. Tatsächlich ist die Situation dort mehr als angespannt: Die Mietpreise sind mit die höchsten der Welt; Mieterinnen und Mieter haben so gut wie keine Rechte. Selbst Menschen mit hohem Einkommen können sich ein zentrumsnahes Wohnen kaum noch leisten, während innerstädtische Immobilien als Spekulations- und Anlageobjekte leer stehen. Gerade Bevölkerungsgruppen mit geringem und mittlerem Einkommen sehen sich gezwungen, ihre Viertel in Richtung Randbezirke zu verlassen. Um dem entgegenzuwirken, versucht die Stadt seit 2012 Sozialwohnungen mittels eines ambitionierten Querfinanzierungsmodells zu errichten: der Verkauf von Eigentumswohnungen ermöglicht den Bau der Sozialwohnung. Die Durchführung unterliegt den einzelnen Bezirken. Im Bezirk Hackney, nordöstlich des Zentrums, konnten auf die Weise in den letzten zwölf Jahren etwa 1000 neue Wohnungen geschaffen werden. Zielsetzung des Programms ist es, geförderte Wohnungen ohne die üppige Zugabe öffentlicher Gelder zu errichten.
Dafür stellt der Bezirk eigene Grundstücke zur Verfügung – vor allem ungenutzte Brachflächen oder Flächen mit untergeordneter Verwendung wie Stellplätze. Vor Baubeginn wird etwa ein Drittel der geplanten Wohnungen ausschließlich an Privatpersonen (aber nicht an größere Investoren) verkauft. Mit den dadurch erzielten Einnahmen lässt sich an gleicher Stelle der Bau von einem Drittel Sozialwohnungen sowie bezuschussten Mietswohnungen nach dem London Living Rent-Programm (LLR) finanzieren.
Beim LLR bezuschusst der Bezirk zeitlich begrenzt die Miete mit etwa einem Viertel des marktüblichen Vergleichspreises. Das hierdurch angesparte Geld soll der Mieter oder die Mieterin später einmal als Eigenkapital zum Kauf der Wohnung verwenden. Das Modell steht ebenso wie die Sozialwohnungen der Häuser bevorzugt Menschen aus dem jeweiligen Stadtteil zur Verfügung. Die Anlagen Taylor & Chatto sowie Wilmott Court, für die Henley Halebrown 2013 nach einem eingeschränkten Auswahlverfahren den Zuschlag erhielten, entstanden auf die Weise auf kommunalem Grund – als Nachverdichtung einer typischen Londoner Nachkriegssiedlung mit umgrünten Wohnzeilen. Beide Einheiten ersetzen kleinere Bestandsgebäude in nicht erhaltenswertem Zustand.
Verteilen, überbrücken, mischen
Mit der Gestaltung der Taylor & Chatto Courts nutzen die Architekten die Gelegenheit, an der belebten Well Street die Bauflucht aus der Vorkriegszeit wieder herzustellen und damit der gesamten Siedlung ein neues Gesicht zu geben. Zwei der drei jeweils fünfgeschossigen Häuser schließen sie als Kopfbauten an bestehende Wohnzeilen an; das Dritte sitzt symmetrisch dazwischen und ist mit dem östlichen der beiden anderen durch eine Brücke verbunden. Das Verteilen der Baumasse auf drei Volumina ermöglicht es, den neu geschaffenen Hof visuell und physisch mit der Straße zu verbinden.
Das Angebot an Wohnungstypen ist so gemischt wie die Bewohnerschaft. Die beiden unteren Geschosse der Taylor & Chatto Courts nehmen Maisonettewohnungen mit eigenen Haustüren ein. Die Geschosswohnungen im zweiten Obergeschoss sowie die darüber liegenden Maisonetten werden über Laubengänge und eine Brücke erschlossen. Durch die äußere Erschließung wird eine höhere Flächeneffizienz erreicht.
Der 270 Meter entfernt liegende Neubau Wilmott Court schließt die südwestliche Ecke der Siedlung und wird von einer ruhigeren Stichstraße erschlossen. Hier sind die Wohnungen um ein helles, dreigeschossiges Treppenhaus angeordnet. Acht weitere zweigeschossige Wohnungen gruppieren sich um einen darüberliegenden, offenen Innenhof.
Für Henley Halebrown spielt das für London so typische Sichtmauerwerk bei vielen ihrer Projekte eine zentrale Rolle – um die Häuser in die von Ziegeln geprägte Umgebung einzufügen und ihnen einen städtischen Charakter zu verleihen. Die Vorsatzschalen der Außenwände in Hackney ließen die Architekten von Hand in einem wilden Verband mauern (damit diese zwar eine Textur, aber kein Muster zeigen) und mit einem leicht pigmentierten Mörtel verfugen. Das bindet die einzelnen Steine zusammen und lässt trotzdem die Struktur des Mauerwerks erkennen. Einen spannungsvollen Kontrast dazu bilden bei den Taylor & Chatto Courts die Eingangselemente mit ihren Rahmen und Türen aus hellem Holz sowie großflächigen Verglasungen, ebenso wie die scharfen Linien der Betonelemente.
Vor allem beim Wilmott Court verleihen vorgestellte Rahmen aus durchgefärbten Betonfertigteilen dem Gebäude Tiefe, die leichte Biegung der Fassade, die dem Straßenverlauf folgt, erzeugt eine zusätzliche Spannung. Die präzise Ausführung trägt dazu bei, die plastische Wirkung der mehrschichtigen Wand zu unterstreichen. Die in der Tiefe gestaffelte Fassade ist ein wiederkehrendes Merkmal in den Wohnungsbauten von Henley Halebrown. Durch die Anordnung von Loggien und Laubengängen auf vorgelagerten Betonrahmen schafft das Büro einen Puffer zwischen den privaten Wohnungen und dem öffentlichen Raum. „Die technisch notwendige Wand ist von der wahrnehmbaren getrennt“, erklärt Simon Henley: „Aus der Haut wird ein Zwischenraum, ein Aufenthaltsort.“ Auch hierdurch verdeutlichen die Wohnhäuser: Geförderter Wohnungsbau ist in hoher Qualität möglich. Und er kann das Stadtbild bereichern.
x
Bauwelt Newsletter
Immer freitags erscheint der Bauwelt-Newsletter mit dem Wichtigsten der Woche: Lesen Sie, worum es in der neuen Ausgabe geht. Außerdem:
- » aktuelle Stellenangebote
- » exklusive Online-Beiträge, Interviews und Bildstrecken
- » Wettbewerbsauslobungen
- » Termine
- » Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und jederzeit wieder kündbar.
Beispiele, Hinweise: Datenschutz, Analyse, Widerruf
0 Kommentare