Universität UTEC in Lima
Die Eröffnung des Hauptgebäudes der Universität UTEC in Lima 2015 glich einem architektonischen Paukenschlag: Ein internationaler Wettbewerb war vorausgegangen, Kenneth Frampton war Präsident der Jury, und der Bau von Grafton schien das Versprechen der Architektinnen zu bestätigen: entstanden war eine vertikale Infrastruktur, die das Lernen beflügelt. Inzwischen häuft sich die Kritik am elitären Charakter des Baus.
Text: Golda-Pongratz, Kathrin, Barcelona
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Eine große Schnellstraße trennt das Quartier und führt zur Steilküste Costa Verde. Der Campus ist von der Straße aus weitgehend abgeriegelt.
Foto: Alex Bryce
Eine große Schnellstraße trennt das Quartier und führt zur Steilküste Costa Verde. Der Campus ist von der Straße aus weitgehend abgeriegelt.
Foto: Alex Bryce
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In den höheren Teilen des Baus sind die Verwaltung und die Büros der Professoren untergebracht, die Hörsäle liegen in den Sockelgeschossen.
Foto: Alex Bryce
In den höheren Teilen des Baus sind die Verwaltung und die Büros der Professoren untergebracht, die Hörsäle liegen in den Sockelgeschossen.
Foto: Alex Bryce
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Die terrassierte Seite des Unigebäudes ist den kleinteiligen Strukturen des Barrancos zugewandt.
Foto: Alex Bryce
Die terrassierte Seite des Unigebäudes ist den kleinteiligen Strukturen des Barrancos zugewandt.
Foto: Alex Bryce
Am Anfang des ungewöhnlichen Entwurfs stand der Vergleich mit Machu Picchu – ein bestechender Vergleich, der das UTEC-Projekt im wüstenhaften Lima konzeptionell mit der Terrassenarchitektur und -landschaftskultur der Inka im andinen Hochland Perus verbindet. Bilder sind es auch, die das fertiggestellte Gebäude durch die Linse namhafter Architekturfotografen bei den Biennalen und in den Architekturzeitschriften international vermittelt haben. Nach seiner eindrücklichen Präsentation auf der Architekturbiennale in Venedig 2016 wurde es vom RIBA zum „besten neuen Gebäude der Welt“ gekürt.
Der Langzeit- und erlebende Blick aus der Nachbarschaft heraus birgt eine andere Perspektive. So kommt es, dass Menschen, die neben oder mit diesem weltbekannten Bauwerk leben, dessen Ruhm kaum nachvollziehen können. Durch mein eigenes temporäres Zuhause-Sein in Barranco seit Ende der Neunziger Jahre, im Rahmen meiner städtebaulichen Forschung in Lima, bin ich mich mit den unterschiedlichen Reaktionen auf den Bau und seiner Wirkung im Raum in einer Art Langzeitbeobachtung vertraut. Die Orts- und Territoriumskenntnis werfen zusätzlich Fragen auf zur Lage, Form und städtebaulich-architektonischen Einbindung dieses prägnanten Sichtbetongebäudes. Die Grenze zwischen Limas Stadtteilen Barranco und Miraflores markiert die Bajada de Armendariz, die wie ein Schlund in die Steilküste Costa Verde geschnitten ist und die am Meer sich entlangschlängelnde Küstenstrasse mit der Ende der sechziger Jahre angelegten Via Expresa verbindet. Dort, wo es die Menschen sogartig aus dem stillen Küstenvorort auf einer mehrspurigen Schnellstraße nach Lima zieht, erhebt sich seit fünf Jahren das UTEC-Gebäude als vertika-ler Campus einer Privatuniversität. Es ist umgeben von staatlichen Tsunami-Warnschildern ob der Küstennähe in dieser erdbebengefährdeten Region und von rasend schnell wachsenden Skeletten weiterer Hochhäuser und großformatigen Schildern, die den Immobilienerwerb in Wohntürmen an dieser Stelle bewerben.
Fragwürdige Interpretation
Es ist durchaus kein Zufall, dass das Grundstück bis dato unbebaut war: bis zum Baubeginn befand sich dort eine leichte Erhebung, Überreste einer sogenannten Huaca namens La Viñita. Die verbleibenden Fragmente dieser jahrtausend-alten Verehrungsstätte der Küstenkultur Limas, die sich über das 5000 Quadratmeter große Grundstück erstreckte und vom Nationalen Kulturinstitut als archäologisches Erbe katalogisiert ist, wurde durch den Neubau, der auf die ortsfremde (die Hauptstadt Lima liegt plan am Pazifik) Hochlandkultur Bezug nimmt und so ein Anknüpfen an Tradition suggeriert, nicht integriert sondern im Wortsinn ausgelöscht.
Es ist also fraglich, ob es an dieser Stelle angemessen ist, eine „neue Geographie“ in eine gewachsene Stadtlandschaft zu implantieren, eine Stadtlandschaft die schon vorher unter den baulichen Eingriffen in die Klippen der Costa Verde litt und diesem Trend des In-die-Höhe-Strebens von spekulativ-hedonistischer Architektur nicht mehr gewachsen ist. Die „heroische Geste“ (Interview in The Guardian, 15.1.2017) des Gebäudes verwirft und verschiebt vielmehr in rasenden Schritten die Geographie eines der erhaltenswertesten kleinmaßstäblichen Viertel der Stadt. Die Geste fegt zunächst über eine prähispanische archäologische Stätte und dann über kleine Ranchos und Casonas hinweg. Die in der internationalen Presse beschriebene „Pufferfunktion“ des Baus zur Stadtautobahn hin empfinden Anwohner – auch im Zusammenhang mit anderen städtebaulichen Eingriffen und einer fehlenden Regulierung der Bauhöhe – als Bruch und als Sinnbild des bedrohlichen Trends, die kleinen Wohnstrukturen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in rasender Geschwindigkeit durch Hochhäuser zu ersetzen. Die lokalen Infrastrukturen kollabieren und der urbane Maßstab geht verloren.
Die Großform des Gebäudes und der Baustoff Beton wecken in Peru sicherlich weniger Assoziationen an den britischen oder europäischen, sondern an den ureigenen peruanischen Brutalismus, der vor allem in der Zeit der Militärdiktatur (1968–80) Gebäude der Macht entstehen ließ, die das Stadtbild radikal verändert haben. Unweigerlich denkt man an markante Bauten wie das um 1980 entstandene Edifício Policía de Investigaciones del Perú am Marsfeld oder an das 1975 in Sichtbeton errichtete Militärhauptquartier Pentagonito im Stadtteil San Borja, welches in den Neunziger Jahren zum Folterort der Fujimori-Diktatur wurde und als Symbol der Menschenrechtsverletzungen in die – noch nicht aufgearbeitete – jüngere Geschichte eingegangen ist.
Abschottung und Durchlässigkeit
Der fehlende Regen in Lima und die sandigen Winde haben alle diese Betonriesen der Stadt in ein bräunlich-schmutziges Grau getaucht, das wohl auch das UTEC-Gebäude über die Jahre annehmen und sich so kontextuell anpassen wird.
Die den noch verbleibenden kleinen Strukturen Barrancos zugewandte terrassierte Seite des UTEC-Gebäudes hat dennoch den Effekt einer undurchdringlichen Wand und eines urbanen Bruchs. Auch ist die einstige lokale Forderung nach einem Park und nach der Integration der archäologischen Reste in die Nachbarschaft noch im kollektiven Gedächtnis. Die vielbeschriebene Durchlässigkeit des Gebäudes ist von außen nicht wahrnehmbar – eine Abschottung, die auch der Logik der peruanischen Privatuniversitäten geschuldet ist, die strenge Zugangskontrollen haben und ein Verweben mit dem öffentlichen Raum und dem öffentlichen Leben nicht ermöglichen. Ob die Zwischenräume, die das Bauwerk im Inneren als Hybride zwischen Innen- und Außenräumen entfaltet, von den Studierenden entsprechend genutzt werden können ist ebenfalls fraglich: Lima hat etwa acht Monate im Jahr ein neblig-feuchtkühles Klima, sodass Wind und Feuchtigkeit ausgesetzte Zwischenräume wenig Aufenthaltsqualität bieten. In den heißen Monaten Januar und Februar, in denen sie Schatten und Kühle spenden könnten, bleiben die Universitäten geschlossen.
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