Villa Kameleon in Zoersel
Mit der Villa Kameleon ergänzten FELT im flämischen Zoersel die Wohn- und Alltagsdomäne Monnikenheideum um ein Haus, das Menschen mit geistiger Behinderung ein selbstständiges Leben ermöglicht.
Text: Del Paese, Beppa
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Die sechs Fassaden sind abwechselnd ...
Foto: Stijn Bollaert
Die sechs Fassaden sind abwechselnd ...
Foto: Stijn Bollaert
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...verputzt und gefließt.
Foto: Stijn Bollaert
...verputzt und gefließt.
Foto: Stijn Bollaert
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Die Treppe sticht dank ihrer spielerischen Weichheit den Fahrstuhl und regt jene Bewohner, die sie benutzen können, zu Bewegung an.
Foto: Stijn Bollaert
Die Treppe sticht dank ihrer spielerischen Weichheit den Fahrstuhl und regt jene Bewohner, die sie benutzen können, zu Bewegung an.
Foto: Stijn Bollaert
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Grün sind alle seine Farben – die Fassadenkacheln sind Hell-, Mittel- und Dunkelgrün ...
Foto: Stijn Bollaert
Grün sind alle seine Farben – die Fassadenkacheln sind Hell-, Mittel- und Dunkelgrün ...
Foto: Stijn Bollaert
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... und finden sich im Innenraum wieder.
Foto: Stijn Bollaert
... und finden sich im Innenraum wieder.
Foto: Stijn Bollaert
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Ergänzende Farbtupfer bringen Lampen, Raumteiler und Schränke.
Foto: Stijn Bollaert
Ergänzende Farbtupfer bringen Lampen, Raumteiler und Schränke.
Foto: Stijn Bollaert
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Der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss öffnet sich über große Fenster zur Natur. Die Bewohner und Bewohnerinnen essen und kochen gemeinsam.
Foto: Stijn Bollaert
Der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss öffnet sich über große Fenster zur Natur. Die Bewohner und Bewohnerinnen essen und kochen gemeinsam.
Foto: Stijn Bollaert
Matschig ist es und grau im Wald bei Zoersel, Flandern, Anfang März. Die 22.000-Seelen-Stadt und ihre Umgebung wirken ländlich. Marie Lafosse vom Genter Architekturbüro FELT sagt, ja, „rural“, beschreibe die Lage ganz gut. Sie sagt, es sei hier so schön, wenn die Sonne scheint. Kam sie als Projektleiterin, habe sie immer ein Stück abseits geparkt, um einige Meter durch das fleckige Licht unter den Baumkronen zu gehen. Beruhigend sei das. Man könnte nun auch unken: abwegig, abgelegen, etwa sogar abgeschoben; gut verdeckt, verblendet, versteckt, aus dem Bewusstsein der „Normalos“ verdrängt. Monnikenheide ist ein Zentrum für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung und genau das nicht: separiert. Es ist ganz einfach ein Teil Zoersels. Die neueste Ergänzung auf dem mehrere Hektar großen Gelände setzten FELT architecten mit der Villa Kameleon um. Das Haus ist knapp anderthalb Jahre bewohnt.
Was ist überhaupt normal? Erika Racquet vom Sozialdienstleister Monnikenheide-Spectrum sagt, wer wisse das schon genau. Jedenfalls, wer hier lebt, braucht Unterstützung – einige mehr, andere weniger. Neben der Bezeichnung „Menschen mit geistiger Behinderung“ steht im Niederländischen die Beschreibung „anders valide“ für die Menschen im Zentrum dieser Wohnanlage zur Verfügung. Diejenigen, welche in der kleinen „Kolonie“ im Zoerseler Wald wohnen, haben mindestens eine angeborene kognitive Beeinträchtigung, die einem gänzlich selbst organisierten Leben im Weg steht, manche mehrere und einige darüber hinaus körperliche Einschränkungen. Ziel von Monnikenheide ist es, jedem ein Maximum an Freiheit und Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Dabei gehen pädagogisches Konzept und Architektur Hand in Hand.
Auf der „Domäne“ in Zoersel sind 86 Menschen zuhause. Einige von ihnen, die Selbständigsten, bewohnen Häuser im Stadtgebiet. Außerdem kommen Gäste zur Tagesbetreuung, und es gibt eine Wohngruppe für Kurzzeitaufenthalte. Diese Anlaufstelle steht auch für Kinder offen. Darüber hinaus hilft das Team von Monnikenheide-Spectrum Eltern, sich an Anlaufstellen zu wenden, die über Sorge-, Pflege- und Aktivitätsangebote, offizielle Unterstützungsmöglichkeiten und Antragsformalien informieren. Insgesamt, erklärt Racquet, hätten im vergangenen Jahr knapp fünfhundert Menschen die Angebote ihrer Organisation wahrgenommen.
Ins Leben gerufen haben Monnikenheide vor fünfzig Jahren Wivina und Paul Demeester, angestoßen durch die Geburt ihres Sohns Steven mit Trisomie 21. Dass es der Bauherrschaft von Anfang an um architektonische Qualität ging, schreibt sich ein in den Werdegang von Wivina Demeester – als flämische Ministerin für Finanzen, Haushalt und Gesundheitswesen machte sie sich in den neunziger Jahren stark für die Position eines staatlichen Meisterarchitekten, des „Vlaamse Bouwmeester“. Diese Position trägt wesentlich zum hohen Stellenwert bei, den Baukunst heute in der Region genießt.
Mit der Architektur des Projekts von Monnikenheide betrauten das Ehepaar 1971 Luc Van den Broeck. Er entwarf einen dreifach-H-Flachbau, der den baumbestandenen Charakter des Terrains respektiert. Die Tradition setzt sich fort. Wer heute einen Platz in einer der Wohngruppen erhält, findet sich auch in architektonischer Hinsicht in einer kleinen Oase wieder: In Sichtweite der Villa Kameleon steht etwa ein Haus für zwei Wohngruppen, entworfen von 51N4E, Baujahr 2012; und 2020 haben UR architecten eine Pavillongruppe nahe dem Hauptgebäude erneuert. Den Hauptbau selbst erweiterte 2003 Jo Peeters und ergänzte ein Schwimmbad.
Auch das FELT-Projekt geht auf eine persönliche Motivation zurück. Der Neubau für vier Bewohner und fünf Bewohnerinnen wurde durch die finanzielle Beteiligung eines Großvaters möglich. Die jüngste Bewohnerin ist 23, die älteste 45 Jahre alt, sieben Mitglieder der Wohngemeinschaft sind zum ersten Mal bei den Eltern ausgezogen. In der Villa Kameleon können sie ein assistiertes, aber eigenverantwortliches Leben führen.
Architektin Lafosse erklärt, dass der sechseckige Grundriss des Hauses der Prämisse folgt, jeder privaten Wohneinheit eine zweiseitige Ausrichtung zu geben. Diese Einheiten – sechs auf der oberen, drei auf der unteren Etage – umfassen neben dem eigentlichen Zimmer mit Kitchenette jeweils ein Badezimmer mit WC und Dusche. In der Grundausstattung sind sie alle gleich, mit Anpassungen für die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Personen. Die rollstuhlgerechten Räume befinden sich im Erdgeschoss, dort ist etwa das Waschbecken unterfahrbar, und es gibt einen Hebe-Lift, der beim Aufstehen hilft. Im Obergeschoss steht zudem ein Wannenbad für alle bereit und im Erdgeschoss eine Wohnküche als Ort familiären Zusammenlebens.
Aus der Grundrissorganisation, so selbsterklärend sie ist, resultiert ein relativ gedrungener Baukörper. Die hexagonale Form fällt beim Nahekommen nicht sofort ins Auge. Diesen leicht plumpen Rahmen entledigen die Architekten durch eine zwar stringente, jedoch subtil changierende Fassadengestaltung seiner Schwere. Drei der Außenwände sind weiß verputzt. In ihnen sitzen regelmäßig angeordnete mittelgroße Fenster. Die anderen drei Seiten sind mit grünen Kacheln belegt und von bodentiefen, großzügigen Fenstern durchbrochen. Die Grüntöne sind je Seite einfarbig: Lind-, Mai- und Tannengrün. Die Farben wiederholen sich in den Fensterumrahmungen und im Innenraum als Zargenumfassung der Zimmertüren. Auch Küchen- und Kitchenette-Schränke sind grün.
Die farbliche Kennzeichnung dient, neben einem Namenschild und Foto je Zimmer, der persönlichen Note. Im Obergeschoss reihen sich die Türen jeweils paarweise um einen Ringflur, in dessen Zentrum eine Helixtreppe weich nach unten fließt. Über ihr lässt eine flache Dachlaterne ausgiebig natürliches Licht in den Raum strömen. Die Treppe ist das Erschließungs- und Überhaupt-Highlight. Ein kleines Manko liegt an ihrer Unterseite, wo die zuvorkommend abgerundeten Kanten sich leider nicht wiederfinden. Wie auch dem ein oder anderen Türrahmen aus Holz, kam, wie es scheint, schon ein Rollstuhl – hoffentlich kein Kopf – der scharfen Kante zu nah.
Das inklusive Design des Hauses erwies sich im Gebrauch hie und da als gut gemeint, jedoch knapp vorbei an den Fähigkeiten der Nutzer. Etwa lagen scheinbar ergonomisch vorteilhafte Rundknöpfe an Schubladen dem Einen oder der Anderen etwas schwer in der Hand. So wurden sie unterdessen ersetzt. Derart beweist das Haus seine „Normalität“, schließlich passt jede, die wohnt, ihre Umgebung nach Belieben an. Was wäre auch eine Villa Kameleon ohne Wandlungsfähigkeit?
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