Depot Boijmans Van Beuningen in Rotterdam
Arjen Ketting von MVRDV im Gespräch über die Spiegelfassade des neuen Depots für das Rotterdamer Museum
Text: Crone, Benedikt, Berlin
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Blick auf das Depot im Frühjahr. In der Fassade spiegelt sich der Turm des 1935 vom Architekten Ad van der Steur realisierten Museumsbaus.
Foto: Ossip van Duivenbode
Blick auf das Depot im Frühjahr. In der Fassade spiegelt sich der Turm des 1935 vom Architekten Ad van der Steur realisierten Museumsbaus.
Foto: Ossip van Duivenbode
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Foto: Ossip van Duivenbode
Foto: Ossip van Duivenbode
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Das Museum (rechts im Bild) wird derzeit saniert und bleibt voraussichtlich bis 2026 geschlossen
Foto: Ossip van Duivenbode
Das Museum (rechts im Bild) wird derzeit saniert und bleibt voraussichtlich bis 2026 geschlossen
Foto: Ossip van Duivenbode
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Baustelle, 2019
Foto: Ossip van Duivenbode
Baustelle, 2019
Foto: Ossip van Duivenbode
Archive liegen oft im Dunkeln, in versteckten Räumen und bunkerartigen Kellern. Das neue Kunstdepot für das Museum Boijmans Van Beuningen, das 2021 eröffnen soll, hat dagegen eine zentrale Lage in einem Musemspark und soll für Besucher zugänglich sein. Ist das Depot damit nicht eher eine Museumserweiterung als ein Archiv?
Nein, denn es ist kein kuratierter Ausstellungsraum. Als wir den Wettbewerb gewannen, gab es die Idee einer Zweiteilung des Gebäudes: der Großteil wären Archivräume, daneben hätte es einen öffentlichen Teil gegeben, von dem die Besucher einen Einblick in die Arbeit des Depots erhalten können. Nachdem wir den Wettbewerb gewonnen hatten, drehte der Bauherr das Verhältnis um, und wünschte sich, dass nahezu alles öffentlich wird. Es wird gern die Anekdote des Museumsdirektors bemüht, 99 Prozent des Gebäudes sollen nun zugänglich sein, und nur 1 Prozent – die Räume des Sicherheitsdienstes – nicht. Wir begrüßen diese Öffnung, aber wir müssen dabei viel zusammendenken: Besucherströme, Luftfeuchtigkeit, Klimatisierung, Brandschutz, Diebstahlsicherheit, …
… und den steigenden Meeresspiegel. Um auf Überflutungen vorbereitet zu sein, befindet sich keine Kunst im Erdgeschoss.
Korrekt. Das Museum hat bisher viele Werke im Keller gelagert und kämpft immer wieder mit Überflutungen. Im neuen Depot wird daher keine Kunst in einer Höhe unter sechs Metern gelagert.
Auffällig an dem Bau sind seine spiegelnde Fassade und seine Form, die manche als große Salatschüssel bezeichnen, aufgrund des geplanten Dachgartens.
Nicht zu vergessen, dass das Wort Depot sich wunderbar in seine zwei Silben zerlegen lässt, de pot, Niederländisch für „der Topf“.
Warum wählten Sie diese Topf-Form?
Das Depot befindet sich im Museumspark und belegt mit seiner Grundfläche ein Stück von dessen Rasenfläche. Mit einem Dachgarten wollen wir das verlorene Grün nicht nur ausgleichen, sondern aufwerten. Da wir den Fußabdruck des Gebäudes zudem möglichst klein halten und gleichzeitig das Gebäude nicht höher als den Turm des Museums werden lassen wollten, vergrößert sich der Durchmesser von 40 Metern im Erdgeschoss auf 60 Meter im obersten Geschoss. So entstand eine schüsselartige Form, in der die geforderte Nutzfläche untergebracht werden kann. Auch war die Lage mitten im Park, umgeben von bedeutenden Institutionen, für uns ein Argument gegen eine klare Vorder- und Rückseite. Stattdessen zeigt sich der Rundbau in alle Richtungen mit einer ähnlichen Fassade. In dieser spiegeln sich der Park – und die benachbarten Gebäude.
Woraus bestehen die Spiegelpaneele?
Aus zwei Schichten Glas, die von einer PVB-Folie zusammengehalten werden und mit einer Folie für den Spiegeleffekt hinterlegt sind. Im Ofen wurden die Paneele erhitzt und in Form gebogen. Das Abkühlen musste möglichst langsam erfolgen, damit sich die Ecken, die immer zuerst abkühlen, nicht so stark zurückbiegen.
Mit wem haben Sie die Paneele entwickelt?
Wir haben mit verschiedenen Firmen kooperiert, vor allem aber mit dem fassadenerfahrenen Ingenieursbüro ABT zusammengearbeitet. Es war auch nicht einfach, einen Hersteller zu finden, der biegbare Spiegelpaneele in dieser Größe und Flexibilität anfertigen kann.
Wo haben Sie ihn gefunden?
In China – hier war die Bereitschaft, zu experimentieren, groß genug und die Herstellung nicht zu teuer. Allerdings hat der Ausbruch der Corona-Pandemie die Lieferung kurzzeitig unterbrochen und den Bauprozess verlängert.
In der Fassade wird die Umgebung nicht glatt und 1:1 gespiegelt, sondern mit Brüchen und Sprüngen, von Paneel zu Paneel. War dieser irritierende Effekt gewünscht?
Wären die Paneele kleiner gewesen, hätten wir eine Art Disco-Kugel erhalten. Auch größere Paneele waren bautechnisch schwierig. Wir haben uns schließlich für 64 Paneele je Ring entschieden, denn die Zahl 64 lässt sich durch viele andere Zahlen teilen und bietet eine große Flexibilität, wo zum Beispiel Fenster eingesetzt werden. Insgesamt kamen so 1664 Paneele zusammen, die sich auf 26 den Bau umlaufende Ringe verteilen. Die Entscheidung über den Zuschnitt der Paneele hatte also weniger mit dem Spiegeleffekt zu tun, als mit ihren Kombinationsmöglichkeiten. Dennoch hat die Fassade natürlich eine interessante spielerische Wirkung: Das Spiegelbild zieht durch die Krümmung zum Beispiel die Nachbargebäude in die Länge, was die Rotterdamer Skyline höher wirken lässt als sie ist.
Bereits im Baustellenzustand lassen sich reihenweise Leute vor dem Depot ablichten. Ist das Gebäude für die neue Medienwelt von Instagram und Co entworfen?
Wir haben es nicht als Selfie-Spot geplant, aber ich verstehe die Freude daran, Aufnahmen mit den Spiegelungen zu machen. Was wir kalkulierten, war die Reflexion der Leute, die in Zukunft in dem Gras des Parks liegen und zu dem Gebäude aufschauen können. Die Landschaftsgestaltung um das Gebäude soll außerdem so ausgeführt werden, dass in der Spiegelung der Eindruck entsteht, der Bau hätte beim Platzieren auf den Boden einen kleinen Riss im Park verursacht.
Als Betrachter wird man in der Reflexion sehr klein, ein vernachlässigbarer Punkt auf dem Bürgersteig, die Nachbarbebauung und der Himmel gewinnen an Präsenz. Die Wirkung des Gebäudes ist also vollständig abhängig von der Erscheinung der Umgebung.
Ein Anwohner fragte uns in einer öffentlichen Sitzung: Warum wollen Sie das Gebäude mit Bildern der Umgebung verkleiden? Ich finde das super, es ist wie eine Huldigung der Stadt. Und sobald die Besucher den verhältnismäßig kleinen Eingang passieren, vorbei an einer 45 Zentimeter dicken Betonwand, wird ihnen auch wieder bewusst, dass sie etwas Besonderes betreten. Spätestens in dem 40 Meter hohen Atrium sind die Spiegelbilder der Fassade vergessen und die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Funktion des Gebäudes: das Archivieren und Restaurieren wertvoller Werke.
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