Bauwelt

Werkhalle in Schlins


Wie lässt sich Lehm großmaßstäblich implementieren? Für Martin Rauch von Lehm Ton Erde Baukunst mit vorgefertigten Stampflehmelementen. Ein Besuch in der Erden Werkhalle in Schlins


Text: Aicher, Florian, Leutkirch


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    In der 67 auf 24 Meter großen Erden Werkhalle in Schlins werden Stampflehm- elemente fabriziert.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    In der 67 auf 24 Meter großen Erden Werkhalle in Schlins werden Stampflehm- elemente fabriziert.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Kopfbau für die Verwaltung ist derzeit im Bau.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Kopfbau für die Verwaltung ist derzeit im Bau.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die Halle besteht aus einer durchgehenden Stampf­lehmwand im Süden; im Norden entschied man sich für eine Holzkonstruktion mit V-Stützen zur Queraussteifung in Anlehnung an den traditionellen Fachwerksbau.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Die Halle besteht aus einer durchgehenden Stampf­lehmwand im Süden; im Norden entschied man sich für eine Holzkonstruktion mit V-Stützen zur Queraussteifung in Anlehnung an den traditionellen Fachwerksbau.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Das Gefach ist mit einem stabilen Gemenge aus Hackschnitzel und Lehm gefüllt.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Das Gefach ist mit einem stabilen Gemenge aus Hackschnitzel und Lehm gefüllt.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Beim Holzbau achtete man darauf, möglichst wenig zu verkleben. Mechanische Verbindungen gewährleisten eine klare Bauteiltrennung.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Beim Holzbau achtete man darauf, möglichst wenig zu verkleben. Mechanische Verbindungen gewährleisten eine klare Bauteiltrennung.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Durch den Roboter eingebaute Schichten aus Trasskalk bilden wasserbeständige horizontale Schwellen in der Wand, ...
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Durch den Roboter eingebaute Schichten aus Trasskalk bilden wasserbeständige horizontale Schwellen in der Wand, ...

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... die insbesondere bei gefährdeten Bereichen wie Gebäudeecken den Abfluss bremsen.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    ... die insbesondere bei gefährdeten Bereichen wie Gebäudeecken den Abfluss bremsen.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Auf Gleisen werden die maximal 1,5 Meter hohen und vier Tonnen schweren Elemente in der Halle transportiert.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Auf Gleisen werden die maximal 1,5 Meter hohen und vier Tonnen schweren Elemente in der Halle transportiert.

    Foto: Hanno Mackowitz

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Bei Lehm Ton Erde Baukunst denkt man bereits an ein Netz dezentraler Produktionsstätten.
    Foto: Hanno Mackowitz

    • Social Media Items Social Media Items
    Bei Lehm Ton Erde Baukunst denkt man bereits an ein Netz dezentraler Produktionsstätten.

    Foto: Hanno Mackowitz

Als Architektur – die gesellschaftlichste der Künste – vor einem halben Jahrhundert die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums zurückgewann, spielte der Holzbau eine große Rolle. Neben Skandinavien und der Westküste der USA ragt dabei Vorarlberg mit den „Baukünstlern“ heraus. Später brachte die Kunde aus dieser Gegend, man baue nun mit Lehm, das Fass zum Überlaufen. Barfuß in feuchter Erde – das soll die Zukunft des Bauens sein?
Diese Vorurteile sind längst passé. Doch immer noch liegt Martin Rauch der Bezug zum handwerklichen Aspekt schöpferischen Tuns am Herzen – „Get Your Hands Dirty“ hat er 2012 in Harvard gelehrt. Der Pionier des Lehmbaus ist heute international bekannt. Anfängliches Kopfschütteln über seine Bauten aus Lehm mit dem charakteristischen Bild der gestampften Schichten wich anerkennendem Staunen; seinen Wohnbauten wurde dergleichen zugestanden. Den Anstrich des Exzentrisch-Exotischen legte der Lehmbau ab, als er seine Tauglichkeit für große Projekte mit dem Ricola-Lagerhaus von Herzog & de Meuron (2012) und dem Alnatura-Verwaltungsbau von haas cook zemmrich STUDIO 2050 (Bauwelt 9.2019) unter Beweis stellte.
Begleitet wurde dieser Größensprung durch fertigungstechnische Erweiterung. Wurden bei den frühen Rauch-Wänden der Lehm als Einzelfertigung vor Ort zwischen einer Gleitschalung verdichtet – gestampft – so geschieht dies nun in einer Halle mit dem Vorzug großtechnischer Vorrichtung und schwerer Maschinen. Von industrieller Produktion zu sprechen wäre insofern falsch, als noch immer jedes Projekt einzeln behandelt wird, also keine reine Serienfertigung vorliegt.
Stofflich kann man die Lehmwand einen monolithischen Grünling nennen: ein nichtgebrannter Ziegel. Diese Bauweise wird seit Jahrhunderten praktiziert – mit je eigenen Methoden, die Erosion des Wetters abzuwenden. Das Brennen des Lehms als bedingten Erosionsschutz eröffnet die Expansion des Ziegelbaus im 19. Jahrhundert und ist ein Kind des fossilen Zeitalters. Nebenbei: Bis zum ersten Weltkrieg wird dieses Baumaterial am Land noch vorwiegend lokal vor Ort gewonnen. Zunehmende technische Aufrüstung verdrängt dann die kleinen Ziegeleien; diesem Konzentrationsprozess verdankt sich die heutige Dominanz zweier Unternehmen.
Diese Dynamik problematisiert die angesprochene Erweiterung. Um größere Aufgaben zu bewältigen oder genereller: um beim Bau heute die angemessene, bedeutende Rolle spielen zu können, sind andere Produktionsbedingungen vonnöten. Angemessen ist Lehmbau aus heutiger Sicht unbedingt: Die CO2 Bilanz ist sensationell. Der Stoff liegt in nahezu jeder Baugrube vor, Transportaufwand kann minimal ausfallen, es bedarf keiner Umwandlungen unter hohem Energieaufwand – der eigentlich materielle Aufwand besteht in mechanischer Kraft.

Maßstabssprung im Lehmbau: Die Erden Werkhalle

Wurde diese unter Martin Rauch vorwiegend aus seinem Atelier vor Ort organisiert, so gibt es seit 2020 dafür einen neuen Ort: die Erden Werkhalle (Entwurf Martin Rauch) – ein Raum für Produktion, Logistik, Forschung und Lehre. Dazu kommt ein Kopfbau für Planung, Verwaltung, Kantine und Veranstaltungen. Der wächst Zug um Zug, soweit es die Auslastung zulässt, was derzeit trotz einer auf 40 Beschäftigte gewachsenen Belegschaft eher selten der Fall ist. Hier ist die Generation am Werk, die auf Martin Rauch folgt; der verfolgt mit Wohlwollen, dass ein kleines Team seine Impulse aufgreift und auf ein neues Niveau hebt.
Rückgrat der neuen Halle ist die südliche Längs- wand mit 67 Meter Länge, 11 Meter Höhe und 0,6 Meter Stärke. Sie ist derzeit die wohl weltweit größte, vor Ort ausgeführte homogene Wand in Stampflehm. Versetzt angeordnete Scheiben bilden im Bereich der Überlagerung „Pfeiler“, auf denen das Holztragwerk des Daches aufsitzt. Die Nischen fassen außen raumhohe thermische Solarkollektoren, die zur Temperierung der Halle beitragen. Die Nordseite mit den Werktoren ist eine Holzkonstruktion mit V-Stützen zur Queraussteifung im Verbund mit den Leimbindern des Daches, das zwischen Dachbegrünung Aufbauten für Oberlicht und weitere Solarkollektoren aufweist. Die Längsaussteifung übernehmen großformatige diagonale Holzgitter, wie sie an Scheunen der Gegend anzutreffen sind. Den Raumabschluss bildet eine innovative Wand in Anlehnung an den traditionellen Fachwerksbau: Das großzügige Gefach zwischen schräg gestellten Balken ist mit einem stabilen Gemenge aus Hackschnitzel und Lehm geschlossen, das sichtbar bleibt. Der Hallenboden ist geglätteter Beton mit einem Unterbau aus beheiztem Lehm. Register verteilen die solare Energie von rund 300 Quadratmeter Kollektorfläche, sodass bis in 1,5 Meter Tiefe 23 Grad herrschen – eine gewaltige Batterie ohne ein Gramm Lithium, Kobalt oder Nickel.
Herzstück der neuen Halle ist eine komplexe Maschine, die mischt, vortreibt, verteilt und verdichtet. Die Leute hier sagen Roboter und nennen sie „Roberta“. Wer je Lehm manuell gestampft hat, bewundert insbesondere die tellergroßen Stempel für das Stampfen des erdfeuchten Stoffs. Auf einer Schiene von 40 Meter Länge, ca. 1,50 Meter über Hallenboden laufend, stellt Roberta Lehmwand her. Neben und unterhalb der Schiene verläuft eine feststehende Schalwand, ihr gegenüber variabel fixierbar die zwei­te Wand aus üblichen Schalungselementen aus Stahl einschließlich Abstrebung. Schicht um Schicht wird die Lehm-Kies-Mischung von ca. 15 auf acht Zen­timeter verdichtet, im Schnitt drei Arbeitsgänge pro Stunde, in Stärken von zehn bis 80 Zentimetern. Eine integrierte Kreissäge teilt die Wand dann in handhabbare Blöcke. Die Höhe beträgt max. 1,50 Meter, was in der Regel ein halbes Geschoss bedeutet. Neben diesem Maß bildet das Gewicht von ca. vier Tonnen pro Block ein Limit.
Zur Zeit des Besuchs hängen an der Wand vor dem Steuerpult von Roberta Werkpläne von ca. drei Meter Länge. Darauf zu sehen sind Block für Block, isometrisch und als Wandabwicklung, ein 30 Mio. Euro teures Tagungszentrum mit Übernachtungsmöglichkeit in Süddeutschland, entworfen von Architektin Anna Heringer.
Nach Zuschnitt der Blöcke werden diese in genauer Reihenfolge in der Halle zum Austrocknen aufgestellt. Das ist nach circa drei Wochen abgeschlossen. Es folgt eine sorgfältige Verpackung mit Gurtbändern und Kantenschutz aus Brettern und fertig ist die Wand für die Welt da draußen. Die Welt wiederum ist zu Besuch in der Halle, sei es zu Führungen, Workshops mit Hochschulen, Seminaren.
So elementar die Fertigung ist, es kommt auch hier aufs Detail an. Beispiel Erosionsschutz. Wind und Regen waschen die Lehmanteile der Wand aus; schnelles Abfließen des Wassers gilt es zu verhindern. Im Unterschied zu älteren Bauten werden heute in regelmäßigen Abständen Schichten aus Trasskalk von einigen Zentimetern Stärke eingebaut. Besonders gefährdete Bereiche wie Gebäudeecken werden dichter bestückt, ermöglicht durch Steuerung von Roberta. Darüber hinaus wird experimentiert und nach Bedarf optimiert – durch unterschiedliche Sieblinien oder Zuschläge etwa oder Integration von Installation wie Heizregister. Dem Bild der Wand wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Konsistenz des Stoffs bringt es mit sich, dass Fugen unproblematisch verschließbar sind; so sind große Wände fugenlos und homogen herstellbar.
Bemerkenswert: Roberta ist älter als die Erden Werkhalle. Auch wenn sie mit jedem Neuein­satz verbessert wurde, geht ihr erster Einsatz auf die Ricola-Halle vor zehn Jahren zurück. Dort, wie auch beim Alnatura-Bau, kam sie in einer provisorischen Feldfabrik zum Einsatz. Das macht bei großen Projekten Sinn: Der einmalige Transport der Maschine und Bau einer Fertigungsstraße kann erheblich effizienter sein als der Transport von vielen Tonnen Lehmblöcken. So denkt man bei Lehm Ton Erde Baukunst bereits an ein Netz dezentraler Produktionsstätten. Solche Werkstätten lassen die Dichotomie von Handwerk und Industrie hinter sich und bereiten den Weg zum postfossilen Bauen.



Fakten
Architekten Lehm Ton Erde Baukunst, Schlins
Adresse Quadernstraße 7, 6824 Schlins, Österreich


aus Bauwelt 23.2022
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

24.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.