Wetterschutzbau in Larrabetzu
Im baskischen Larrabetzu haben die Architekten von Behark den Stadtplatz um ein vermisstes Detail ergänzt – einen Aterpe. Der für die Region typische Wetterschutzbau komplettiert die Raumkanten und lädt die Anwohner zu mannigfaltiger Bespielung ein: Dorffest, Markttreiben oder Tanz.
Text: Aizpurua Aguiriano, Inés, Barcelona
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An der Platzkante sitzt der Aterpe so, dass er von verschiedenen Positionen im Stadtraum gut sichtbar ist.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
An der Platzkante sitzt der Aterpe so, dass er von verschiedenen Positionen im Stadtraum gut sichtbar ist.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
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Elemente wie der alte Brunnen sind als identitätstiftende Merkmale integriert.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Elemente wie der alte Brunnen sind als identitätstiftende Merkmale integriert.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
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Die Verbindung zwischen Innen und Außen, ohne Türen oder Tore, machen den Aterpe zu einem selbstverständlich auftretenden Bestandteil des Dorfplatzes.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Die Verbindung zwischen Innen und Außen, ohne Türen oder Tore, machen den Aterpe zu einem selbstverständlich auftretenden Bestandteil des Dorfplatzes.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
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Das Büdchen, auf Baskisch „Txozna“, wird nur bei Festen genutzt.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Das Büdchen, auf Baskisch „Txozna“, wird nur bei Festen genutzt.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
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Auch anderntags strukturiert es den Raum.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Auch anderntags strukturiert es den Raum.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
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Die Kraft des Projekts liegt auch darin, wie einfach die Materialien Stein, Holz und Beton eingesetzt und gefügt sind.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Die Kraft des Projekts liegt auch darin, wie einfach die Materialien Stein, Holz und Beton eingesetzt und gefügt sind.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
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Der Neubau sitzt auf dem Bestand aus Naturstein auf, integriert jedoch auch neue Elemente wie einen Betonsockel mit Sitzbank und eine Holzplattform.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Der Neubau sitzt auf dem Bestand aus Naturstein auf, integriert jedoch auch neue Elemente wie einen Betonsockel mit Sitzbank und eine Holzplattform.
Foto: Mikel Ibarluzea Barruetabeña
Das Dorf ist so klein, dass man den Ortskern beinahe schon vom Rand sehen kann. Und doch gibt es auf dem Weg einiges zu bestaunen: mittelalterliche Paläste, eine von Schülern angefertigte Adaption von Picassos „Guernica“ oder auch eine neue städtebauliche Maßnahme in Form einer Treppenrampe. Auf dem Dorfplatz trinken Einheimische neben Pilgern, die auf dem nördlichen Jakobsweg eine Pause einlegen, ein Gläschen, und in einer Ecke erfrischt sich ein Kind mit Wasser aus dem Brunnen am alten Rathaus.
Hinter diesem Brunnen erhebt sich seit kurzem ein Volumen aus Stein und Holz – eine anmutige Struktur, die einen großen schattigen Raum schafft, durch den die Luft strömt. Dieser ist der erste Eindruck des vom Architekturbüro Behark entworfenen überdachten öffentlichen Raums im Zentrum von Larrabetzu, ganz in der Nähe von Bilbao. Einige imposante Gebäude sowie ein gut erhaltenes, als „Denkmalkomplex“ gelistetes mittelalterliches Zentrum lassen die frühere Bedeutung des Ortes erahnen.
Als der Stadtrat 2014 die Architekten Beñat Saratxaga und Gentzane Goikuria, die Gründungspartner von Behark, mit einer Studie zur Sanierung des Rathauses beauftragte, sahen diese im benachbarten Gebäude, das sich in sehr schlechtem Zustand befand, Potenzial, es für die Dorfgemeinschaft nutzbar zu machen.
Wiederherstellung der „Agora“
Die Bedeutung des zentralen Platzes als Treffpunkt ist allen südeuropäischen Ländern gemein, und das Baskenland bildet da keine Ausnahme. Aufgrund des eher regnerischen Klimas ist dieser öffentliche Raum im Norden der Iberischen Halbinsel jedoch spezifisch gestaltet: Neben der üblichen Morphologie der „Herriko Plaza“ (Dorfplatz), die aus der Kirche, dem Rathaus und einem leeren gepflasterten Platz besteht, auf dem sich fast alles abspielt – Märkte, Versammlungen, Volksfeste –, gibt es hier oft einen Bereich, der durch eine hölzerne Dachkonstruktion definiert ist, die an den Eingang der Kirche angebaut ist, einen „Aterpe“ (Unterstand). In Larrabetzu ist das anders: Die Kirche befindet sich nicht auf dem Dorfplatz, sondern an der Hauptstraße; und so fehlt der Aterpe. Diesen Mangel wollten die Architekten beseitigen.
Das Ganze war nicht einfach. Aufgrund der Wirtschaftskrise, unterschiedlicher Vorstellungen für die Nutzung des Raums, notwendiger baulicher Eingriffe in das benachbarte Rathausgebäude und eines Wechsels der Baufirma dauerte die Fertigstellung des nur 125 Quadratmeter großen Projekts rund sieben Jahre. Ohne die damit verbundenen Komplikationen zu bestreiten, betonen die Architekten, dass diese Rückschlä-ge ihnen die Gelegenheit boten, den ursprünglichen Entwurf zu verfeinern und zu vervollkommnen – und trotzdem käme das Endergebnis der ursprünglichen Absicht immer noch sehr nah. Der Titel des Projekts „Last chance for a slow dance“ (nach dem Song der Band Fugazi) lässt erahnen, wie langwierig der Prozess war, und zeigt zugleich, dass mit dem Ergebnis große Hoffnungen verbunden sind.
Da es sich um einen Ort handelt, der zur historischen Altstadt gehört, musste das neue Bauwerk die Geometrie des ursprünglichen Gebäudes wahren. Durch den modernen Einsatz der Materialien wird allerdings ein Ergebnis erzielt, das sich wie ein „neues Gebäude, das schon immer da war“ anlässt. Um den Dorfbewohnern leichter zu machen, den Neubau anzunehmen, beschlossen die Architekten, bestimmte Elemente des Vorgängerbaus zu erhalten, da sie darin Teile einer kollektiven Erinnerung sahen: Dazu zählen der Brunnen, die von einem Stützmäuerchen gehaltene alte Treppe und die Wand zum Rathaus.
Holz und Stein für alle Lebenslagen
Das Bauwerk überdeckt ein zu drei Seiten geneigtes, ziegelgedecktes Dach. Die Dachbalken werden von einer umlaufenden Struktur aus laminierten Holzrippen getragen. Den Kontakt zum Boden stellt ein Sockel her, der zum einen aus Teilen der ursprünglichen Steinmauer und Treppe besteht, zum anderen aus einer neuen Sichtbetonmauer mit Natursteinverkleidung. In den durch die Hülle gebildeten Hauptkörper ist eine Zwischenebene eingezogen, die auf einem an der Rathauswand aufragenden Holzpfeiler und einem großen Kragträger aus Beton ruht – eine Geste mit starker Präsenz.
Die schlichten Materialien Holz und Stein haben traditionellen und symbolischen Gehalt, sie sind nicht nur im Bauwesen, sondern auch in der baskischen Volkskultur präsent. Die Kultur des Baskenlandes hat sich aus engem Kontakt mit der Natur entwickelt, Holz und Stein werden als Musikinstrumente wie das Txalaparta, ein Percussion-Instrument, oder für typische Sportarten wie das „Aizkolaritza” genutzt – das traditionelle, auch in Wettbewerben ausgeübte, Holzhacken. Behark setzen das Material auf einleuchtend einfache Weise zum Bauen ein, die der jeweiligen Funktion entspricht: Das Holz hat unterschiedliche Farben, wenn es als Tragwerk, Boden oder Verkleidung benutzt wird. Auch die Beschaffenheit des Betons unterscheidet sich entsprechend dieses Ansatzes in Sockel und Unterzug.
Das von den Holzrippen der Hülle gebildete Geflecht erzeugt einen Rhythmus, der ein modernes und homogenes Bild entstehen lässt und dadurch das Bauwerk von den Gebäuden rund um den Platz absetzt und in den Mittelpunkt rückt. Dank der Proportionen des Tragwerks wird es von außen als ein Baukörper wahrgenommen, der den urbanen Raum flächig begrenzt, von innen jedoch als geräumiger und luftiger öffentlicher Raum, der Geborgenheit vermittelt und gleichzeitig als Schutz vor schlechtem Wetter dient. Am eindrucksvollsten ist der Bau bei Nacht, wenn er dank der in der Hülle integrierten LED-Leisten strahlt und auch den Platz in sein Licht taucht.
Refugio oder Refugium
Im Laufe des Prozesses waren verschiedene Funktionen für das Bauvorhaben angedacht, darunter auch ein „Refugio“, eine Schlafstätte für Pilger – die Idee wurde zu Gunsten des nun realisierten flexiblen Raums verworfen. In ihm ist der einzige Projektteil mit einer zugewiesenen Funktion die kleine „Txozna“, ein Büdchen mit Theke im Erdgeschoss, das für Feste genutzt wird. Dieser Baukörper ist mit dem selben dunklen Holz verkleidet wie der obere Teil der Wand zum Rathaus. Wenn er nicht benutzt wird, ist der Kiosk ein unauffälliger aber strukturierender Teil des Innenraums. Die Zwischenebene, zu der man über die vom Platz ausgehende Treppe gelangt, wird künftig einen zweiten Zugang zum ersten Stock des Rathauses schaffen. Bis dahin ist sie als Multifunktionsfläche angedacht, die als Bühne für ein kleines Konzert oder zum Verweilen am Nachmittag genutzt werden kann.
Das Erdgeschoss ist dank seiner beiden großen Öffnungen sehr durchlässig. Sie ermöglichen einen ungehinderten Zugang und Kontinuität des angrenzenden öffentlichen Raums. Die Öffnungen waren im Verlauf des Projekts ein Streitpunkt, da zunächst die Möglichkeit ins Spiel gebracht worden war, Türen einzubauen, mit denen der Raum bei Bedarf hätte geschlossen werden können. Die Entscheidung dagegen führt jedoch überhaupt erst dazu, dass eine Erweiterung des Stadtraums, ähnlich einem Aterpe, entstand.
Bereit zum Weitertanzen
Die Tatsache, dass die Errichtung des Aterpe der Renovierung des Rathauses vorausging, hat sich derart auf dessen Gestaltung ausgewirkt, alsdass der ursprüngliche Entwurf für das Verwaltungsgebäude sogar abgeändert wurde, um ihn besser anzupassen – an das, was eigentlich als ergänzende Maßnahme gedacht gewesen war. Und hier unterscheidet der Raum sich erheblich von der traditionellen Konzeption dieser überdachten Zwischenräume, denn er ist nicht einfach das Ergebnis eines zusätzlichen Bedarfs, sondern spielt eine aktive Rolle für die Entwicklung der Stadtlandschaft.
Beharks überdachter öffentlicher Raum erhielt unter anderem den Preis der baskischen Architektenkammer und war für den European Prize for Urban Public Space nominiert. Neben den Würdigungen durch die Fachwelt ist den Architekten besonders wichtig, dass die Menschen vor Ort ihn annehmen. Sie wissen, wie wichtig die Zufriedenheit der Bevölkerung dafür ist, dass ein Gebäude pfleglich behandelt wird.
Der Aterpe in Larrabetzu ist ein unaufdringlicher Baukörper, der sich gelungen am Platz einfügt, jedoch seine große räumliche Kraft erst entfaltet, wenn man ihn betritt. Er mag zwar den Anspruch erheben, diskret zu sein, bleibt dabei aber nicht unbemerkt. Durch seine Position an der Platz-Ecke ist das Gebäude von vielen Punkten im Ort aus sichtbar, und dabei stets gerahmt von anderen Gebäuden, die bereits vor ihm da waren. Wie ein neuer Nachbar, der stolz darauf ist, ein Nachbar zu sein, sich in die Gemeinschaft einzufügen, willkommen zu sein, scheint er bereit, mit dem Dorf alt zu werden.
Aus dem Spanischen von Beate Staib
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