Wohndörfchen ohne Rendite in Wien-Simmering
SchloR - Selbstorganisiertes kollektives Betriebs- und Wohngemeinschaftsprojekt
Text: Czaja, Wojciech, Wien
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SchloR ist wie eine kleine Stadt in der Stadt konzipiert: ein Hybrid von Arbeitsräumen, Betriebswohngemeinschaften, einer Trainingshalle (TRAP), Freiräumen, teils Neubau, teils sanierter Bestand.
Abb.: GABU Heindl Architektur; SchloR
SchloR ist wie eine kleine Stadt in der Stadt konzipiert: ein Hybrid von Arbeitsräumen, Betriebswohngemeinschaften, einer Trainingshalle (TRAP), Freiräumen, teils Neubau, teils sanierter Bestand.
Abb.: GABU Heindl Architektur; SchloR
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In der zweiten Phase des Projektes wurde der Wohntrakt errichtet.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
In der zweiten Phase des Projektes wurde der Wohntrakt errichtet.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
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Die Anwohner teilen sich einen Garten, eine Gästewohnung, eine Sauna und Dachterrasse sowie den Zugang zu Proberäumen, Werkstätten und dem Zirkuszentrum.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
Die Anwohner teilen sich einen Garten, eine Gästewohnung, eine Sauna und Dachterrasse sowie den Zugang zu Proberäumen, Werkstätten und dem Zirkuszentrum.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
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Die Halle TRAP – Trainingszentrum Rappachgasse – bietet niederschwellige Räumlichkeiten für Akrobaten, Zirkusartistinnen und sportlich wie kulturell interessierten Nutzern und Nutzerinnen.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
Die Halle TRAP – Trainingszentrum Rappachgasse – bietet niederschwellige Räumlichkeiten für Akrobaten, Zirkusartistinnen und sportlich wie kulturell interessierten Nutzern und Nutzerinnen.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
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Die Innenräume wurden im Selbstbau errichtet.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
Die Innenräume wurden im Selbstbau errichtet.
Foto: GABU Heindl Architektur; SchloR
Am südlichen Grundstück wird nebenan in der Kfz-Werkstätte Trimmel gebohrt und geklopft. Nördlich grenzt die Wiener Fiakerzentrale an und es dringt immer wieder ein lautes Wiehern aus der Halle, manchmal weht ein herbes Lüftchen herüber. Auf dem Damm auf der Ostseite rattern in regelmäßigen Intervallen Züge vorbei. Und auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Westen produziert das Unternehmen Mautner Markhof seit Jahrzehnten schon tonnen- und hektoliterweise Essig, Senf und Sirupgetränke, im Schichtbetrieb docken die Lkws an die Rolltore an.
„Es ist ein sehr spezielles, nicht wirklich ganz alltägliches Grundstück“, sagt Gudrun Pollack. „Doch es liegt in zentraler, gut erschlossener Lage, nur wenige Gehminuten von der U3-Endstation Simmering entfernt. Im Sinne einer durchmischten, funktional vielfältigen Stadt kann man sich daher nur fragen: Warum an so einem Ort nicht auch arbeiten und wohnen? Gemeinsam mit Freunden und Wohnkolleginnen machte sich Pollack, 42-jährige Fahrradmechanikerin, vor rund zehn Jahren auf die Suche nach einem Grundstück, um darauf in Anlehnung an das deutsche Mietshäuser Syndikat ein ruhiges, wertsicheres und ökologisch nachhaltiges Eigentum fernab aller Immobilienspekulationsspielchen zu begründen. Die Suche zog sich über Jahre, täglich und wöchentlich stöberte man in Immobilieninseraten, schaute sich ein vergleichbares Projekt in Linz an und wirkte in der Zwischenzeit am Wiener Forschungsprojekt „Zinshaus x Baugruppe“ mit – bis die Gruppe eines Tages in einer Anzeige auf eine ehemalige Tischlerei in der Rappachgasse 26, Wien-Simmering stieß.
Das trapezförmige Grundstück, rund 3100 Quadratmeter, umfasste alte Werkstätten, die ehemalige Werkhalle, die der Vorbesitzer umnutzte und als Trainingshalle für Zirkusleute und Artistinnen vermietete, sowie vier Dienst- beziehungsweise Betriebswohnungen. Bis zum Kauf sollten noch drei Jahre vergehen. „Wir haben uns mit allem beschäftigt, was nötig war, um den Ort als Habitatprojekt zu entwickeln, es gab viele rechtliche und finanzielle Fragen zu klären“, erzählt Pollack.
Gabu Heindl, Architektin und Professorin für Bauwirtschaft und Projektentwicklung an der Universität Kassel, beriet und begleitete die junge Truppe und erstellte in ihrem Auftrag ökonomische und baurechtliche Feasability-Studien sowie eine sogenannte Testeinreichung für die Baupolizei. Das Verfahren, eine Wiener Spezialität, ist eine Art rechtlich unverbindliche Generalprobe, bei der man das gesamte Prozedere mit etwaigen Bedenken und Einwänden seitens der Behörden von A bis Z durchspielen und für den Ernstfall entsprechend adaptieren kann. Gerade bei rechtlich komplexen Projekten mit vielen Variablen wird die Testeinreichung gerne angewandt.
In der Zwischenzeit stellte das Bauherrenkollektiv die gesamte Finanzierung auf die Beine, zum kleinen Teil mit mitgebrachtem Eigenkapital sowie mit einem Kredit einer Berliner Stiftung, zum überwiegenden Teil jedoch mit sogenannten Direktkrediten – nichts anderes als private Nachrangdarlehen, mit denen sich private und juristische Personen auf unbestimmte Zeit zu einem Zinssatz zwischen Null und 1,5 Prozent ins Projekt einkaufen können. Der Range der Teilhabe reicht von 500 bis 50.000 Euro. Sobald der Kaufpreis mit Direktkrediten untermauert war, wurde der Vertrag unterzeichnet, und das Um- und Ausbauprojekt konnte endlich starten.
Bis zum heutigen Tag belaufen sich die Direktkredite auf rund 2,7 Millionen Euro mit in Summe weit über 400 Kreditgebern. Ein paar Leute sind bereits abgesprungen und forderten ihr Geld wieder zurück, ein paar neue kamen hinzu. Gearbeitet und verwaltet wird das Vermögen offen und transparent, die Daten liegen auf einer Cloud. Die vollständige Abkehr von klassischen Banken und Kreditinstituten erklärt auch das Akronym SchloR: Zu Beginn übersetzte sich der Projekttitel noch in „Schöner leben ohne Raiffeisen“, im Laufe der Jahre mutierte der Titel – ohne das Ankreiden traditioneller Strukturen – zu „Schöner leben ohne Rendite“.
„Ich war bei diesem Projekt mehr als bloß Architektin“, sagt Gabu Heindl bei der Führung durch das Projekt. „Ein wichtiger Bestandteil waren auch Beratung, Projektentwicklung und Kreislaufwirtschaft, und ich denke, dass diese architektonischen Aufgaben bei unkonventionell entwickelten Bauaufgaben in Zukunft noch deutlich zunehmen werden. In den klassischen Leistungsbildern in der Honorarordnung ist diese Phase Null bislang kaum abgedeckt.“
SchloR selbst präsentiert sich heute als eine Art Bricolage, als ein Nebeneinander aus schönem, angemessenem Holzbau zum Wohnen, mit ondulierender Lärchenlatten-Fassade entlang des Gässchens, aus pragmatischer Sanierung und Aufstockung zum Wohnen und Arbeiten, mit Ateliers, Werkstatt, Festsaal und zwei Musikproberäumen zum Vermieten, aber auch aus nüchternen Bestandsbau mit gelb verblichenen Außenwänden und dunkelrot gefassten Fenstern, aber auch in der neuen Zirkushalle, die als ästhetisch ansprechender Holzbau mit ganz und gar nicht schönen Industriehallen-Dämmpaneelen auf die bestehende Fundamentplatte gestellt wurde. Mit der tageweisen Vermietung an Künstlerinnen und Artisten baut sich SchloR ein finanzielles Polster auf.
„Als Architektin und Gestalterin habe ich mich bei diesem Projekt zum Teil stark eingebracht und zum Teil auch gar nicht“, sagt Gabu Heindl. „Man kann Akzente setzen, und die große Geste muss stimmen. Doch sobald man mit einem eigen initiierten Selbstbau- und Selbstverwaltungsprojekt wie diesem zu tun hat, gibt es keine modernistische Gesamtkunstwerk-Kontrolle, denn jede und jeder bringt sich selbst ein, und es entsteht eine gewisse kollektive Dynamik.“ Und die ist bisweilen unberechenbar: Obwohl die Stadt Wien bezüglich SchloR in der Entwicklungsphase recht zurückhaltend agierte, meldete sich die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) erst unlängst zu einer Besichtigung an. Man wolle SchloR als Pionierprojekt kennenlernen.
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