Bauwelt

Wohnensemble in Maastricht


In Maastricht wurde eine Autobahn in einen Tunnel verlegt und damit Land gewonnen. Martens Willems & Humblé haben dort ein Ensemble für unterschiedlich große Geldbeutel gebaut.


Text: Winterhager, Uta,Bonn


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    Foto: Arjen Schmitz

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    Laubenganghaus und Annex mit Eigentumswohnungen, Reihenhäuschen zur Miete: Höhenstaffelung von teurer bis günstig in der Nord-Ost-Ecke des Ensembles.
    Foto: Arjen Schmitz

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    Laubenganghaus und Annex mit Eigentumswohnungen, Reihenhäuschen zur Miete: Höhenstaffelung von teurer bis günstig in der Nord-Ost-Ecke des Ensembles.

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    Die Neubauten liegen am Rand des Stadtviertels Wyckerpoort, das jahrzehntelang eingeklemmt war zwischen Bahnlinie und Industriegebiet im Westen und der A2 im Osten. Der „Groene Loper“ hat hier für deutlich mehr Lebensqua­lität gesorgt.
    Abb.: Verfasser

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    Die Neubauten liegen am Rand des Stadtviertels Wyckerpoort, das jahrzehntelang eingeklemmt war zwischen Bahnlinie und Industriegebiet im Westen und der A2 im Osten. Der „Groene Loper“ hat hier für deutlich mehr Lebensqua­lität gesorgt.

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    Südwestlicher Abschluss der Reihenhäuser mit den zu Türmchen abgeänderten Dachgeschossen.
    Foto: Arjen Schmitz

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    Südwestlicher Abschluss der Reihenhäuser mit den zu Türmchen abgeänderten Dachgeschossen.

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    Apartmenthaus mit Eigentumswohnungen à 2 Zimmer (in den Obergeschossen), 3 Zimmer (im Erdgeschoss) und 2,5 Zimmer (im Zwischengebäude).
    Foto: Arjen Schmitz

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    Apartmenthaus mit Eigentumswohnungen à 2 Zimmer (in den Obergeschossen), 3 Zimmer (im Erdgeschoss) und 2,5 Zimmer (im Zwischengebäude).

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    Im Laubengang des Apartmenthauses bleibt der Teppich auch im Winter grün, ...
    Foto: Arjen Schmitz

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    Im Laubengang des Apartmenthauses bleibt der Teppich auch im Winter grün, ...

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    ... draußen kann saison­­­be­dingt aus dem „Groene Loper“ ein weißer werden.
    Foto: Arjen Schmitz

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    ... draußen kann saison­­­be­dingt aus dem „Groene Loper“ ein weißer werden.

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    Die Reihenhäuser wurden mit einem Bausystem errichtet. Auf die Grundrissdisposition hatten die Architekten keinen Einfluss.
    Grundrisse EG, 1. OG und DG
    Abb.: Verfasser

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    Die Reihenhäuser wurden mit einem Bausystem errichtet. Auf die Grundrissdisposition hatten die Architekten keinen Einfluss.
    Grundrisse EG, 1. OG und DG

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    Abb.: Verfasser

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    Abb.: Verfasser

Man könnte dieses Projekt als ein Jahrhundertprojekt bezeichnen - nicht, weil es hundert Jahre zur Realisierung gebraucht hätte, sondern weil es eine Entwicklung gestoppt hat, die über hundert Jahre in einem mal schleichenden, mal rasenden Prozess eine fatale Situation erzeugt hatte. Es geht um die Verlegung eines 2,6 Kilometer langen Abschnitts der A2 in einen Tunnel. 1947 zeichnete Stadtarchitekt Frans Dingemans eine repräsentative Nord-Süd-Magistrale mitten durch die östlich der Maas liegenden Maastrichter Stadtteile. Mit zunehmendem Verkehr wurde aus der Stadtstraße eine Autobahn, ein wichtiges Teilstück der A2, die Amsterdam und Genua verbindet, die Niederlande ans Mittelmeer und Italien an die Nordsee bringt. Dort, wo sie das Maastrichter Stadtgebiet durchkreuzt, wurde der Verkehr mit sechs Ampeln runtergebremst.
2009 erfasste eine Zählung 45.000 Autos pro Tag, und immer noch wohnten Menschen direkt an der Straße. Proteste gab es seit den 1980er Jahren, doch erst mit der Jahrtausendwende schlossen sich die Gemeinden Maastricht und Meerssen, die Provinz Limburg und Rijkswaterstaat (Verkehrs- und Infrastrukturministerium der Niederlande) zusammen. Der Bau eines Tunnels, eines Parks und die Nachverdichtung der Umgebung wurden geplant und das gemeinsame Projectbureau A2 Maastricht gegründet. Prognostiziert wurden Gesamtkosten von 1,2 Milliarden Euro, der größte Teil finanziert von der öffentlichen Hand. Die restlichen 40 Millionen sollte ein Entwickler beitragen, dem für die Erstellung und Umsetzung des Plans für Gebietsentwicklung und Infrastruktur die Möglichkeit geboten wurde, oberhalb des Tunnels rund 900 Wohnungen zu bauen und zu vermarkten.
In dem 2009 entschiedenen Design & Con­struct Verfahren setzte sich das Konsortium Avenue2 mit dem Entwurf von West 8, Rotterdam, durch. 2016 wurde der zweigeschossige Koning Willem-Alexandertunnel eröffnet. Der oberir­dische Verkehr konnte auf je eine Fahrspur pro Richtung für den Anliegerverkehr reduziert werden, die Mitte blieb über die gesamte Länge frei. Hier entstand ein 2,3 Kilometer langer Park, der Groene Loper, dessen Name im Niederländischen wie im Deutschen mit der Doppeldeutigkeit des „grünen Läufers“ spielt.
Auffällig sind die nun beiderseits vervollständigten Blockränder. Einige denkmalgeschützte Gebäude, darunter das in den 1940er Jahren für Alleinerziehende gebaute Gemeenteflat mit 90 Wohnungen (F. Dingemans, 1949), wurden saniert, die Flanken mit einem gestalterisch vielfältigen, deutlich historisierenden Mix von Stadthäusern geschlossen. Es finden sich Elemente aus den 1920er und 1960er Jahren, vielfarbiger Backstein aus der Umgebung, variierende Geschosshöhen und wohlplatzierte Hochpunkte mitmaximal fünf Geschossen. Visuell knüpft das Neue im Vintagekleid harmonisch an die Quartiere der Nachbarschaft an, für die die Gesamtmaßnahme ein massiver Befreiungsschlag war. 250 Häuser, 950 Wohnungen, davon 121 Sozialwohnungen und 30.000 Quadratmeter Gewerbefläche konnten neu gebaut werden, ohne ein Gefühl von unguter Dichte zu erzeugen.
Genauer betrachtet sei ein Projekt am nördlichen Ende des Groene Loper im Stadtviertel Wyckerpoort. Das Konsortium Avenue2 beauftragte das Maastrichter Architekturbüro Martens Willems & Humblé mit dem Entwurf eines Komplexes an der Kolonel Millerstraat, der heute aus 21 Reihenhäusern als Mietobjekte und einem fünf­einhalbgeschossigen Riegel mit 38 Eigentumswohnungen besteht. Das Grundstück grenzt im Norden an die auf einem Wall hinter einer Lärmschutzwand liegende Ringstraße und den Tunnelmund der A2.
Martens Willems & Humblé haben den Kopfbau des Apartmenthauses wie ein Bollwerk parallel zur Ringstraße an die nördliche Grundstücksgrenze gesetzt. Mit den Reihenhäuschen, im Osten neun in einer Reihe, im Westen zwölf, zeichnen sie die Blockränder in U-Form nach, im Süden bleibt eine Öffnung zur Einfahrt in den Hof, in dem die erforderlichen Stellplätze untergebracht wurden. Um Kosten zu sparen, verzichtet man in den Niederlanden meist auf Keller und Tiefgaragen, nimmt dafür das Parken auf dem Grundstück in Kauf. Apartmenthaus und Reihenhäuser bilden eine bauliche Einheit, beide Projekte wurden von einem Büro für den gleichen Entwickler geplant, jedoch ausgehend von zwei unterschiedlichen Aufgabenstellungen und mit unterschiedlichem Budget.
Miller-Häuser 18 identische Reihenhäuser, zweigeschossig mit traufständigem Satteldach, dazu drei dreigeschossige Eckhäuser, wurden in modularer Systembauweise (PuurThuys woonconcept) errichtet, bei der sämtliche konstruktiven Elemente einschließlich Fassade in der Fabrik vorgefertigt werden. Im März 2021 wurden die Gründungspfähle gesetzt, im Juli 2022 waren alle 21 Häuser bezugsfertig. Gegen Zeit- und Kosteneinsparung kann man derzeit im (Sozialen) Wohnungsbau kaum argumentieren, allerdings sind die Gestaltungsspielräume für die Architekten beschränkt. Wer Ehrgeiz hat, wie Projektleiter Maikel Willems in diesem Fall, konzentriert sich auf Städtebau und Fassade. So soll hier nicht das einzelne Haus wirken, sondern das Ensemble. Dessen Gesamtbild bleibt sehr nah an der in Wyckerveld typischen, in den 1950er Jahren geprägten Siedlungsstruktur einfacher Reihenhäuschen. Auch die Miller-Häuser bieten mit kleinem Vorgarten (zum Entsetzen des Architekten im Juni 2024 mit Schotter gefüllt) und kleinem Garten mit Schuppen vergleichbar viel Privatheit.
Drei Häuser der längeren Reihe sind eingerückt, bilden an der Kreuzung einen Vorplatz aus, die Ecken und Endpunkte werden mit Höhe betont. Diese Hochpunkte mit flachem Dach finden sich auch im Bestand der Umgebung. Da die genormten Bauteile die von Maikel Willems proportional angepasste Überhöhung nicht vorsahen, entwickelten die Architekten gemeinsam mit dem Hersteller ein neues, deutlich höheres Element. Da die Verkleidung aus zwei Zentimeter starken Backsteinstreifen bereits im Werk aufgebracht wird, bleiben die Stöße der Bauteile auch im fertigen Zustand ablesbar. Trotz aller Effizienz erlaubten das System und das Budget die Umsetzung individueller Details, wie die gerundeten Ecken der Hochpunkte oder die plastische Einfassung der Fenster- und Türöffnungen mit glasierten Keramikelementen.
Auf die Grundrissgestaltung hatten die Architekten keinen Einfluss. Systemimmanent ist eine Tiefe von neun Metern, drei Achsmaße stehen zur Auswahl, zum Einsatz kam die mittlere Breite mit 5,4 Metern, die eine Wohnfläche von 108 Quadratmetern ergibt. Das Erdgeschoss ist offen gestaltet, im ersten Stock gibt es zwei Schlafzimmer, das Dachgeschoss kann ausgebaut werden. Die Systemhäuser wurden nachhaltig und gesundheitsfördernd entwickelt. Luft-Wasser-Wärmepumpen sind Standard, in Anlehnung an die historischen Arbeiterhäuschen sitzen sie getarnt als Schornsteine auf dem Dach. Auf der Gartenseite wurden Solarpaneele in die Dachflächen integriert, die Fenster sind dreifachverglast, die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung filtert auch Feinstaub aus der Raumluft. Die Baukosten der Reihenhäuser lagen bei 990 Euro/m2 BGF, geplant waren sie nicht als registrierte Sozialwohnungen, sondern für den „sozialeren“ Sektor des Wohnungsmarktes. In den Niederlanden ist der Mietpreis in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren gesetzlich geregelt, angeboten werden die Miller-Häuser derzeit für rund 1800 Euro Miete.
Miller-Apartmenthaus Mit einem größeren Budget (1570 Euro/m2 BGF) und einem dadurch erweiterten Gestaltungsspielraum wurden die 38 Eigentumswohnungen gebaut. Stilistische Bezüge gibt es zum kommunalen Arbeiterhaus Hoofdweg in Amsterdam (Hendrik Wijdeveld, 1921). Eine fein tarierte Kubatur vereint Rundes und Eckiges, eine stimmige Gliederung mit starker Krone und backsteintypische dekorative Elemente. An beiden Außenecken treten die Treppenhäuser mit einer Rundung aus der Fassade hervor. Diese Scharniere führen den hohen Riegel um die Ecke, im Nordosten schließt ein dreigeschossiger Annex direkt an die Reihenhäuser an und bildet im Zwickel einen kleinen Vorplatz für den an der Schnittstelle liegenden Eingang aus.
Alle Wohnungen werden über breite, mit Teppich und Sitzplätzen wohnlich gestaltete Laubengänge an der Nordseite erschlossen und vor dem Lärm der Ringstraße geschützt. Durch große Fensteröffnungen fällt viel Tageslicht bis in die Wohnungen, die (ohne Angst vor fremden Blicken) einen Sitzplatz direkt am Fenster zum Laubengang haben. Die 38 Starter-Wohnungen mit ein bis zwei Schlafzimmern sind zwischen 60 und 86 Quadratmeter groß, jede Einheit ist durchgesteckt und hat einen Balkon. Die noch verfügbaren kleineren Wohnungen kosten um 350.000 Euro.
Die Entwickler versprechen mit dem Groene Loper einen der gesündesten urbanen Lebensräume in den Niederlanden, ihr Ziel sei es, die Lebenserwartung der Menschen in der Nachbarschaft um fünf Jahre zu verlängern. Das sind große Worte, die aber auf der kleinen Radtour vom Büro zur Kolonel-Millerstraat über das begrünte Dach des Autobahntunnels nicht komplett erfunden erscheinen. Erfreulich ist der Mut zu weniger Dichte und die Vereinbarkeit von sozialer und gestalterischer Vielfalt.



Fakten
Architekten Martens Willems & Humblé
Adresse 50.858656928085956, 5.710475569161865


aus Bauwelt 17.2024
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