Bauwelt

Wohntürme in der Paul-Zobel-Straße in Berlin


Im windigen, allseits umlaufenden Hof einer zehngeschossigen Wohnanlage in Berlin-Lichtenberg ist Platz für Nachverdichtung. Es geht nicht nur um Platz für 70 Wohnungen in zwei neuen Wohn­türmen. Es geht um die Frage, ob und wie das Quartier durch zusätzliche Funktionen ergänzt werden kann.


Text: Stumm, Alexander, Berlin


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Auf der einen Seite, im Hochparterre der Wohn­türme, befinden sich großzügige Räume für betreute Wohngemeinschaften, ...
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    Auf der einen Seite, im Hochparterre der Wohn­türme, befinden sich großzügige Räume für betreute Wohngemeinschaften, ...

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... im Zwischen­bereich befindet sich der Pavillon der Kinder­tagesstätte.
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    ... im Zwischen­bereich befindet sich der Pavillon der Kinder­tagesstätte.

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Auskragende Balkone sind meist gut für die Architektur, aber nicht immer beliebt bei den Bewohnern.
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    Auskragende Balkone sind meist gut für die Architektur, aber nicht immer beliebt bei den Bewohnern.

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    In diesem Fall schlagen die Architekten eine feste Seite vor, die räumlichen Schutz bietet und mit Markissen, Schirmen und Rankgerüst nach Belieben bespielt werden kann.
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    In diesem Fall schlagen die Architekten eine feste Seite vor, die räumlichen Schutz bietet und mit Markissen, Schirmen und Rankgerüst nach Belieben bespielt werden kann.

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Eine Besonderheit sind die auf unterschiedliche Lebensverhältnisse hin konzipierten Grundrisse, die eine bei Wohnbaugesellschaften unübliche Flexibilität aufweisen.
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    Eine Besonderheit sind die auf unterschiedliche Lebensverhältnisse hin konzipierten Grundrisse, die eine bei Wohnbaugesellschaften unübliche Flexibilität aufweisen.

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Auch in den Gemeinschaftsräumen dominieren sorg­fältige Detailierungen ...
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    Auch in den Gemeinschaftsräumen dominieren sorg­fältige Detailierungen ...

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... und ein abgestimmtes Farbkonzept.
    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items
    ... und ein abgestimmtes Farbkonzept.

    Foto: Andrew Alberts

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Andrew Alberts

    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Andrew Alberts

Schauplatz Berlin-Lichtenberg: Zwischen den Magistralen dominieren Wohnsiedlungen in Plattenbauweise. Die in den 1970er- und 1980er-Jahren vorherrschende Stadtplanung der DDR sah die konsequente Trennung von Arbeiten und Wohnen vor, die großen Freiflächen zwischen den Wohnscheiben sollten der Erholung dienen. Dass dieses in vielen Vierteln angewandte Konzept schon damals auf Kritik stieß, zeigen Texte wie der autobiografisch gefärbte Roman Franziska Linkerhand (1974) von Brigitte Reimann. Doch während die Nachbarschaften die großen Grünflächen damals gemeinschaftlich bespielten und organisierten, werden viele heute kaum noch genutzt und gepflegt. Vor dem Hintergrund steigender Boden- und Mietpreise in großen Städten scheint die Nachverdichtung von Großwohnsiedlungen prädestiniert für die Schaffung neuen Wohnraums.
Im konkreten Fall der Paul-Zobel-Straße war die Ausgangssituation eine innere Hofanlage, die von mehreren zehnstöckigen Wohnscheiben in Blockrandbebauung gefasst war. Im Jahr 2014 beauftragte die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Howoge das Architekturbüro Heide & von Beckerath mit einer Machbarkeitsstudie,
in der sie acht Varianten für die mögliche Bebauung des ca. 4.000 Quadratmeter umfassenden Bereichs im Süden erarbeiteten. Zur Disposition standen unter anderem drei versetzt stehende Türme, ein dominanter Querriegel, und ein 13-­stöckiger Bau mit L-förmigen Grundriss. Das Bezirksamt favorisierte schließlich den Vorschlag mit zwei achtstöckigen Wohntürmen, woraufhin die Howoge als Aufraggeber einen Wettbewerb ausschrieb, den wiederum Heide & von Beckerath als Architekten und Generalplaner für sich entscheiden konnten. 21 der insgesamt 70 Wohnungen sind gefördert und bieten günstige Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter, weitere 10 Prozent der Nutzfläche werden einem sozialen Träger zur Verfügung gestellt.
Umsetzung der Nachverdichtung
Die beiden achtstöckigen Punkthäuser sind leicht aus der Achse versetzt, so dass vor dem west­lichen Gebäude zusätzliche Freifläche entsteht. Diese Entscheidung kalkuliert den städtebaulichen Kontext ein, denn im Westen des Paul-Zobel-Blocks schließt sich ein dichtes Wohnviertel an, zu dem sich die neue Bebauung öffnen will. Ein Laubengang verbindet beide Häuser und schafft mit einer lichtdurchlässigen Holzwand zugleich einen klar abgegrenzten Raum für die im einstöckigen Querriegel angesiedelte Kita.
Die in fünf Größen entwickelten Grundrisstypen der Wohnungen rotieren in beiden Türmen um einen zentralen Erschließungskern. Sie korrespondieren mit den asymmetrisch positionierten tiefen Fenstern und Balkonen, die weit in alle Richtungen auskragen.

Für die Anordnung der Zimmer legten die Architekten die standardisierten Vorgaben bemerkenswert frei aus. Jeder Grundrisstyp organisiert sich um einen innen liegenden Raum, in dem das Bad untergebracht ist. Die Flure sind offen und besonders breit geplant; in der Verschränkung mit dem Wohnbereich oder der Küche werden ihnen eigene Aufenthaltsqualitäten zugesprochen. In der kleinen Konfiguration konnte auf Türen sogar komplett verzichtet werden, in anderen finden sich Verbindungen auch zwischen den Räumen: eine bei Wohnungsbaugesellschaften ungekannte Flexibilität der funktionalen Zuordnung!

Die Balkone sind genauso wie die Sockelgeschosse in Betonfertigteilen errichtet. „Anders als bei den umliegenden Wohnscheiben wollten wir uns dem Prinzip des industriellen Bauens aber nicht beugen, sondern es strategisch dort aufgreifen, wo es dem Budget und dem Ausdruck entsprach“, betont Tim Heide. In der bewussten Setzung entwickeln die markanten Fertigbauteile eigene visuelle Qualitäten. Konstruktiv entschied man sich für einen Massivbau ohne Wärmedämmung. Der dunkle Anstrich dient dazu, dass sich die Wände aufheizen und Wärme nach und nach in die Innenräume abgeben – eine Gradwanderung zwischen der Energieeinsparverordnung und der Logik der Konstruktion und der Grundrisse.

-

Gemeinschaftliche Strukturen

Ein Fokus der Architekten lag auf Strukturen für das nachbarschaftliche Miteinander, für die sie auf reiche Erfahrungen mit den beiden in Berlin realisierten gemeinschaftlichen Wohnprojekten IBeB und R50 zurückgreifen konnten. So lassen sich die beiden prominent im Erdgeschoss liegenden Fahrradräume durch bodentiefe, verglaste Falttüren vollständig zum Vorplatz hin öffnen. Sie sind als „versteckte Gemeinschaftsräume“ gedacht, denn solche waren von der Howoge eigentlich nicht vorgesehen. „Ein Angebot von Räumen, bei denen nicht klar ist, ob sie angenommen werden – die aber auch nicht stören und keinen Platz verschenken“, so Verena von Beckerath. In beiden Bauten finden sich zudem kollektive Wohnformen. Die von einem sozialen Träger organisierten, betreuten Wohncluster platzierten die Architekten bewusst im Hochparterre. Sie besitzen gemeinschaftliche Küchen, Bäder und Wohnzimmer. Die individuellen Zimmer mit Balkon sind jedoch neben dem Hauptzugang allesamt über eigene Außentreppen zugänglich, um die Privatsphäre jedes Bewohners zu gewährleisten. So wird Gemeinschaft nicht zum Zwangsarrangement, sondern zur frei wählbaren Möglichkeit.

Die Freiraumgestaltung, ebenfalls von Heide & von Beckerath verantwortet, will mit Tischtennisplatten, Sitzbänken und anderen Aufenthaltsmöglichkeiten auch die umliegenden Bewohner einladen. Zudem sieht sie geschützte Mietergärten im Nordosten des Areals vor. Diese Strategien definieren den (halb-)öffentlichen Raum und reagieren damit auf eine der entscheidenden Schwächen der Bestandsbauten. „Wir wollen den Block kommentieren, ihm also nicht nur Raum nehmen, sondern der Nachbarschaft auch etwas zurückzugeben,“ meint Verena von Beckerath. „Denn letztlich verhandelt eine Nachverdichtung wie diese das Paradigma der modernen Stadtplanung neu.“ Das Thema der Arrondierung beschäftigt die Professorin an der Bauhaus-Universität Weimar auch im akademischen Kontext: Mit Studierenden entwickelt sie der­-zeit eine architektonische Studie für ein Areal in der Wiecker Straße in Berlin-Neu-Hohenschönhausen.



Fakten
Architekten Heide & von Beckerath, Berlin
Adresse Paul-Zobel-Straße 10 Berlin


aus Bauwelt 14.2019
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

24.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.