Stadt in Aachens Altstadt
Für ein zentrales Areal der Stadt, das mit baufälligem Parkhaus und leerstehendem Kaufhaus in einem desolaten Zustand ist, wurde ein sehr offenes Planungsverfahren unter Mitwirkung der Öffentlichkeit gewählt, das eine Inspiration für andere Stadterneuerungsprozesse sein kann.
Text: Fugmann, Friederike, Aachen; Martin, Felix, Aachen
Stadt in Aachens Altstadt
Für ein zentrales Areal der Stadt, das mit baufälligem Parkhaus und leerstehendem Kaufhaus in einem desolaten Zustand ist, wurde ein sehr offenes Planungsverfahren unter Mitwirkung der Öffentlichkeit gewählt, das eine Inspiration für andere Stadterneuerungsprozesse sein kann.
Text: Fugmann, Friederike, Aachen; Martin, Felix, Aachen
Im März stellte der Bundesinnenminister das Ergebnis des Förderprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus 2021“ vor. Eine der höchsten Dotierungen erhielt das Projekt „Kooperative Entwicklung Altstadtquartier Büchel“, was auf eine baldige Umsetzung von Aachens zentralem städtebaulichen Projekt hoffen lässt: die Erneuerung eines Stücks Altstadt in Sichtweite des Aachener Doms. Hierbei könnte ein modellhaftes Projekt entstehen, denn die Stadt treibt seit gut einem Jahr die Transformation eines vom Niedergang des Einzelhandels geprägten Quartiers in einem partizipativen Verfahren voran. Nach erfolgreicher Sondierung von Ideen und Interessen liegen nun erste städtebauliche Vorentwürfe für die Zukunft des Quartiers vor.
Im 18. Jahrhundert wurde das Büchel-Quartier mit Hotels, Bädern und Bordellen zum Zentrum des Aachener Kur- und Badewesens ausgebaut. Konkurrierende Kurstandorte innerhalb und außerhalb Aachens sowie schwere Kriegszerstörungen führten im 20. Jahrhundert zu einer Transformation des Quartiers in ein gehobenes Einkaufsviertel, das sich nun ebenfalls im Niedergang befindet. Heute wird das Quartier von einem baufälligen Parkhaus und dem leerstehenden Kaufhaus Horten geprägt. Von seiner ursprünglichen Nutzung zeugen einige wenige Baudenkmäler und insbesondere die Prostitution in der Antoniusstraße. Seit Jahrzehnten wird über eine mögliche Revitalisierung des Quartiers diskutiert, allerdings scheiterten sämtliche Versuche des Neustarts an der komplexen Gemengelage aus Rotlicht, Städtebau, Archäologie und Hydrologie. Deshalb wurde im letzten Jahr eine städtische Gesellschaft gegründet, deren Aufgabe die Übernahme der Entwicklung des Altstadtquartiers entsprechend der vom Planungsausschuss des Stadtrats festgelegten Zielsetzungen ist. Das Projekt soll mit dem Abriss des Ende 2019 von der Stadt erworbenen Büchel-Parkhauses und der Neugestaltung des Grundstücks beginnen. Hierbei beschreitet man mit einem zweistufigen Verfahren ungewohnte Wege: Am Anfang stand die Sondierung von Ideen und Nutzungen, die jüngst in einer zweiten Phase in die räumliche Auseinandersetzung auf städtebaulicher Ebene gebracht wurden. Die erste Phase begann mit einem öffentlichen Aufruf, sich mit Projektideen und Visionen in das Verfahren einzubringen oder als „Pioniere“ eine zukünftige Anliegerschaft zuzusichern. Die Einsendungen wurden in zwei Workshops diskutiert, die im Sommer 2020 in einer nahe des Büchel gelegenen Kirche stattfanden. Mit jeweils unterschiedlicher Zielsetzung wurden Themenfelder gebildet und in Arbeitsgruppen vertieft. Die erarbeiteten Leitmotive „Wohnen“, „Wissen“ (Forschungsinstitute, Vortragsräume, Gründerzentren) und „Wiese“ (Öffentlicher Freiraum) gingen als Grundlage für die anschließende planerische Vertiefung aus den Anregungen der Teilnehmenden hervor.
Im Spätsommer wurden das Parkhaus und umgebende Leerstände zunächst mit Straßenkunst umgestaltet, bevor sich die Stadtgesellschaft auf dem Festival „Parking Art“ vom Gebäude verabschieden konnte. Konkrete Züge nahm das Verfahren in der von Dezember bis Januar mit drei Planungsteams durchgeführten Werkstatt an. Die Teams setzten sich zusammen aus externen Planungsbüros und der Stadtverwaltung, die städtebauliche Vorentwürfe im Maßstab 1:500 erstellten. Die Leitideen „Wohnen“, „Wissen“ und „Wiese“ sollten die Teams in unterschiedlicher Gewichtung bearbeiten, sodass die Entwürfe aus unterschiedlichen Aufgabenstellungen hervorgingen und nicht im Wettbewerb zueinanderstanden. Die Werkstatt war für die Öffentlichkeit in einer Zwischen- und Abschlusspräsentation auf Youtube erlebbar und konnte kommentiert werden.
Mit dem Fokus auf das Thema „Wohnen“ entwickelte Bogevischs Büro (München) die unterbrochene Blockrandbebauung der Nachbarn des Parkhauses in aufgelockerter Form weiter und bot der Stadt einen Quartiersplatz mit einem öffentlich nutzbaren Gebäude an. Das Team Studio Schultz Granberg (Berlin) schlug unter dem Motiv „Wissen“ eine Campusartige Struktur vor, die aus den Sondierungsverfahren als potenzielle Nutzer hervorgegangenen Institute und Unternehmen beherbergen könnte. Auch hier sahen die Planer ein zur Stadt hin gewandtes Haus mit vollständig zu öffnendem Erdgeschoss vor. Zum Thema „Wiese“ schlug das Team des Büros De Zwarte Hond (Rotterdam/Köln/Groningen) einen iterativen Ansatz vor, in dem drei städtebauliche Kubaturen während der Planungsphase als Baugespanne mit temporären Nutzungen bespielt werden können. In einem zentralen Freiraum sollen eine Wiese und Wasserbecken zum Verweilen einladen, bevor die Gebäudevolumen und Platzgestaltung in permanente Baumaßnahmen überführt werden. Ende März hat sich die Stadtverwaltung für die Umsetzung der Leitidee „Wiese“ entschieden. Dies ist begrüßenswert, denn der Ansatz könnte sich am ehesten positiv auf den umliegenden Leerstand auswirken. An Stelle der Schaffung von neuen Flächen im Erdgeschoss können aktuell leerstehende aufgewertet werden. Auch die temporäre Zwischennutzung würde eine sinnfällige Fortschreibung des gewählten partizipativen Verfahrens darstellen.
Interessant bleibt der zweistufige Aufbau des Verfahrens, bei dem der „aktivere“ Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung vor der Bearbeitung durch professionelle Planungsteams stattfand. So entstand eine stärkere Offenheit für die Ergebnisse. Das Verfahren könnte in dieser Hinsicht eine Inspiration für andere Stadterneuerungsprozesse sein, bei denen ein hohes Maß an Mitwirkung durch die Stadtöffentlichkeit erwünscht ist. Auffällig ist zudem der digitale Charakter des Verfahrens. Dies ist zu einem großen Teil der Pandemie geschuldet und zeigt, dass man bemüht war, auch unter den gegebenen Beschränkungen in Kontakt zu treten. Das digitale Format erreichte sicherlich nicht alle Bevölkerungsteile, allerdings haben die Präsentationen der Werkstatt vermutlich ein größeres Publikum gefunden, als es bei klassischen Beteiligungsformaten der Fall gewesen wäre. Insgesamt zeigt sich das Sondierungsverfahren zum Aachener Büchel als gelungener Auftakt für ein herausforderndes städtebauliches Projekt.
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