Tacheles reden
Sebastian Redecke kam an der geballten Blockfüllung rund um das legendäre Berliner Tacheles vorbei.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Tacheles reden
Sebastian Redecke kam an der geballten Blockfüllung rund um das legendäre Berliner Tacheles vorbei.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Das in Berlin seit den 1990er Jahren gut bekannte Tacheles ist noch eingerüstet und verhangen. Man sieht also nicht, was vom morbiden Charme des Künstlerhauses in den Resten der Friedrichstadtpassage von 1908 übrigbleiben wird. Doch zu dem, was drum herum geschieht, sollte man schon jetzt Tacheles reden. Klar ist, dass in dieser exponierten Lage an der Friedrichstraße, Ecke Oranienburger Straße eine große Brache mit einem Kulturbau von touristischer Attraktivität nach einem saftigen Investorengeschäft ruft. „Am Tacheles“, das Prestigeobjekt an einem Ort „für internationale Klasse und dem viel gerühmten Berliner Lebensstil“ startete dann auch nach dem Kauf 2014 mit einem Masterplan von Herzog & de Meuron.
Block für Block wurde von verschiedenen Architekten gebaut, neben den Schweizern sind Grüntuch Ernst, Brandlhuber + Muck Petzet und, laut Bauschild, zusätzlich RKW und Aukett Heese dabei. Die ersten Fassaden sind bereits gut zu sehen: An der Oranienburger Straße relativ moderat an die Nachbarn gefügt – RKW langweilig im Raster und Herzog & de Meuron sonderbar mit sieben Geschossen gestapelte Rundbogen-Loggien. Das Torhaus an der Friedrichstraße, ebenfalls von den Schweizern, ragt hingegen mit dem riesigen Entrée der breiten, schluchtartigen Passage zur Oranienburger Straße massiv empor und bedrängt die zwei grauen, verlassenen, denkmalgeschützten Altbauten links, die Kahlfeldt Architekten, so die Planung des Investors von 2016, sanieren und umbauen sollten. Entlang der offenen Passage und in der Blockfüllung dahinter sind die Wohnungen, Büros und Shops wohl schon gut vermietet. Große Fische sind der größte Onlinehändler für Autoersatzteile auf 14.000 Quadratmeter Bürofläche und der größte Rewe Berlins. Im Tacheles selbst wird das private Fotomuseum Fotografiska aus Stockholm einziehen – unterstützt vom Berliner Immobilienkenner Yoram Roth. Hunderte Premium-Wohnungen mit Concierge und unterschiedlicher Handschrift werden weltweit angepriesen: zum Beispiel im Block „Vert“ drei Zimmer von Herzog & de Meuron für 1,76 Millionen und im Block „Joux“ von Brandlhuber + Muck Petzet ein Riesenraum mit 60 Quadratmetern für eine knappe Million – in Sichtbeton als „avantgardistisches Schmuckstück“ in einem Haus „verführerisch wie ein Diamant“. Das ist „Berliner Lebensstil“!
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