Berlin & Berlin
Stadtplanung und Städtebau nach dem Mauerfall im Gespräch
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Berlin & Berlin
Stadtplanung und Städtebau nach dem Mauerfall im Gespräch
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Wie wurde die eruptive Planungs- und Bautätigkeit im vereinten Berlin Anfang der 1990er Jahre gemeistert? Und was lässt sich aus dieser Zeit lernen? In „Berlin & Berlin“ geben dreizehn Fachmänner und zwei Fachfrauen dazu Auskunft. Die 66- bis 94-jährigen sind Mitglieder der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, die das Buch als „oral history“ initiierte. Der älteste unter ihnen, der Architekturhistoriker und -kritiker Bruno Flierl, betrachtet etwa damalige Konflikte über die „kritische Rekonstruktion“ als zerstörerische Ignoranz gegenüber herausragenden Gebäuden der DDR. So sei der Abriss des Palasts der Republik vonnöten gewesen für eine „Nation, die selbst als Ganzes noch nicht neu gebildet war und sich das Schloss als vermeintliches Vereinigungsbild zurechtlog“, einem Bauwerk, das „nicht von kritischer Auswertung der Vergangenheit und von Anforderungen, die die Zukunft stellt,“ geleitet war.
Auf der Planungsebene maß sich die Situation an praktischen Gegebenheiten, wie der Architekt Heinrich Suhr zu berichten weiß. Die Kommunikation zwischen Ost und West war fachlich rasch hergestellt, konzeptionell freilich machte sich ein Mentalitätsunterschied bemerkbar, der die Entwicklung klassischer Planungsinstrumente erschwerte. Aufgrund der damaligen Dynamik hält Suhr inzwischen Flächennutzungspläne
für überholt und setzt auf kleinteiligere Entwürfe.
für überholt und setzt auf kleinteiligere Entwürfe.
In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, das machen Rolf Eggeling, Dietrich Flicke und Friedemann Kunst deutlich, war der Druck zu kanalisieren, den der Hauptstadtbeschluss, der nötige Ausbau des Fern- und Nahverkehrs sowie die Bewältigung des Autoverkehrs aufbauten. Durch die Internationale Bauausstellung und parallele planerische Entwicklungen im Westteil hatten die Städtebauer immerhin prozessuale Erfahrungen gesammelt, die ihnen nun zugute kamen. Darauf fußte ihr heute ebenfalls historisch anmutendes selbstbewusstes Auftreten gegenüber den Politikern.
Die verwaltungspolitische Lage schildern Ulla Luther und Dorothee Dubrau, die auf Landes- und Bezirksebene wirkten und Investoren bändigten, die „über die Stadt herfielen, um ohne zeitaufwändige Bebauungsplanverfahren Planungsrecht zu schaffen,“ so Luther. Das Wort der Stunde war „Nein“, erinnert sich Dubrau, vom Verkauf der Spandauer Vorstadt bis hin zur Bebauung jeder freien Fläche.
Die Interviews sind gut verdichtet und ergänzen sich ausgezeichnet, was die jeweiligen Fachgebiete und persönlichen Sichten betrifft. Elf Stellungsnamen von „Westlern“ und vier von „Ostlern“ spiegeln die Führungsstruktur in Verwaltung und Büros wider, was Verletzungen und Frustrationen unvermeidlich werden ließ, wie zu erfahren ist. In dieser Gemengelage erwies sich das häufig erwähnte „Stadtforum“ als unverzichtbarer Katalysator. Sein Initiator, der seinerzeit verantwortliche Senator Volker Hassemer, bleibt in seinen Einlassungen als einziger Politiker unter den Interviewten leider sehr allgemein. Das Stadtforum bildete schließlich den unverzichtbaren Link der Fachleute zu Verwaltung und Politik. Die ergebnisoffene und allen zugängliche Diskursplattform ist für den Rezensenten, der es als studentischer Mitarbeiter der Senatsverwaltung miterlebte, bis heute vorbildlich.
Das Buch zeigt, dass die große Einigkeit aller angesichts des Zusammenkommens von Ost und West gleichsam Flügel verlieh, die sich von politischen, bürokratischen wie persönlichen Befindlichkeiten freischlugen. Was zwischenzeitlich vor allem bei den Entscheidern vermisst wird, wie Hassemer feststellt: „Im Augenblick fehlt es der Politik an Souveränität. Bescheiden zu sein und anderes Know-How zu akzeptieren, das verlangt Größe.“
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