Blickwendungen
Architektenreisen nach Italien in Moderne und Gegenwart
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Blickwendungen
Architektenreisen nach Italien in Moderne und Gegenwart
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Die Italienreise, die „Grand Tour“ durch einen ziemlich eindeutig definierten Reisekorridor bis hinunter nach Neapel oder gar Sizilien, war seit dem 18. Jahrhundert Pflichtprogramm, um sich pflichtbewusst oder lustgeführt ein kanonisches Wissen anzueignen, sich selbst damit in Beziehung zu setzen oder als „empfindsamer Reisender“ à la Laurence Sterne sich selbst zu erfahren. Für Architekten war das „Bel Paese“ südlich der Alpen ein überbordender Fundus an Bauten und Stadtanlagen aus 2000 Jahren – und ist es bis heute. Wie aber hat sich das Interesse daran im Lauf des 20. Jahrhunderts verändert? Welche Ziele steuerten die Architekten der Moderne an? Was nahmen sie dort wahr? Und wie beeinflusste das Reiseerlebnis ihr Schaffen?
Das Buch „Blickwendungen. Architektenreisen nach Italien in Moderne und Gegenwart“ spürt diesen Fragen nach. Der Band ging hervor aus einer Tagung an der Bibliotheca Hertziana im Jahr 2015; er versammelt Beiträge bekannter Bau- und Kunsthistoriker ebenso wie von Stipendiaten der verschiedenen Akademien in Rom, darunter auch der deutschen Villa Massimo. Architekten, die, nervenkitzelnderer Ziele wie Lagos, Maracaibo oder Kabul zum Trotz, noch immer gern nach Italien reisen, bietet sich auf knapp 400 Seiten eine hochprozentige Lektüre. Der inhaltliche Bogen ist weitgespannt, er reicht von so herrlich nerdigen Themen wie Oskar Wlachs Reise zur farbigen Inkrustation in der Florentiner Protorenaissance im Jahr 1905 bis zu Jörg Siewekes Aufspürungen im Dickicht am Unterlauf des Aniene 2015. Dazwischen breitet sich ein Reigen von Untersuchungen aus, der deutlich werden lässt, wie zahlreich die direkten Verbindungen sind, die sich zwischen viel beachteten Gebäuden des 20. Jahrhunderts und den südalpinen Reiseerfahrungen ihrer Architekten ziehen lassen: sei es nun Paul Bonatz’ Stuttgar-ter Hauptbahnhof oder Moshe Safdies Habitat, seien es die Bauten der architektonischen Postmoderne oder Rudofskys „Architektur ohne Architekten“. Das Beste daran: Sämtliche Beiträge liefern nicht nur inhaltlich viele Entdeckungen, sondern sind auch sprachlich eine Freude, und an Illustrationen wurde nicht gespart. Zudem ist der Hardcover-Band gerade noch leicht genug, um ins Handgepäck zu passen – für die nächste Reise gen Süden mit Bahn oder Flugzeug sind diese „Blickwendungen“ somit uneingeschränkt zu empfehlen.
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