Donald Judd Spaces
Text: Drewes, Frank F., Berlin
Donald Judd Spaces
Text: Drewes, Frank F., Berlin
Es gibt nur sehr wenige Künstler, die mehr mit, in und von ihrer Kunst leben, als Donald Judd (1928–1994) es getan hat. Der gängigen Zuordnung seines Œuv-res zum Minimalismus hat Judd zeitlebens widersprochen, denn sein holistischer Ansatz war eher der eines Maximalisten. Das Label des Minimalismus beschränkt sich, aber auch den Künstler, auf die puristische und, ja, minimalistische Anmutung seiner Kunst. Dabei ging es Judd von Anfang an um Kunst als räumliches Konzept: „The space surrounding my work is crucial to it“, schreibt Donald Judd schon 1977, „as much thought has gone into the installation as into a piece itself.“
Von Anbeginn schuf Judd Kunst als Objekte für sein Wohnumfeld, was Möbel und Einbauten einschloss und sich bald in den Bereich von Architektur fortsetzte. Ungern trennte er sich von Werken, was aber mit zunehmendem Erfolg in den Siebzigern nötig wurde, um seine immer raumgreifenderen Projekte zu finanzieren. Nach dem Erwerb von 101 Spring Street, seiner New Yorker Basis, 1968, kaufte er ab 1973 verschiedene Gebäude in Marfa, Texas, die er für sich und seine Familie umbaute. Eine Vielzahl von heruntergekommenen, aber architektonisch integren Gebäuden wurde somit gerettet und als Wohn-, Arbeits- und Ausstellungsraum genutzt. Judd war ein Vorreiter von Konservierung und Revitalisierung profaner Gebäude, die gleichwohl adäquate Bausteine im städtischen Gefüge sind. Die ganz großen Ausstellungshallen auf dem stillgelegten Militärfort D.A. Russel in Marfa realisierte er mit finanzieller Unterstützung der Dia Art Foundation und überführte diese später in die Chinati Foundation, die neben der Judd Foun-dation das Lebenswerk dieses Ausnahmekünstlers in seiner Gesamtheit präsentiert und die Deutungshoheit behält.
Die Publikation der Judd Foundation „Donald Judd Spaces“ erschien zeitgleich mit der großen Retrospektive im MoMA Anfang 2020. Konzentrierte sich die begleitende MoMA-Publikation auf die Dokumentation der ausgestellten Kunstwerke, so werden in „Donald Judd Spaces“ die persönlichen Wohn- und Arbeitsstätten des Künstlers vorgestellt. In großformatigen historischen und zeitgenössischen Fotografien, viele erstmals veröffentlicht bzw. extra beauftragt, werden die Wirkstätten Judds im authentischen Zustand zum Zeitpunkt seines Todes gezeigt. Alles hatte für Judd eine innere Ordnung, wovon die Küchen, Bäder, Ankleiden, Bibliotheken und diversen Arbeits- und Schreibtische sowie Stehpulte Zeugnis ablegen. Alles wirkt, als ob es noch bewohnt wäre und die Bewohner nur mal eben vor die Tür gegangen sind. Die vielen Aufnahmen, die Donald Judd mit Familie und Gesprächspartnern in den Räumlichkeiten zeigen, geben dieser Publikation ihren authentischen und persönlichen Charakter – wie auch die fünf Essays des Künstlers selbst.
Beim Studium dieses Buches wird klar, dass die Objekte Judds, die von den internationalen Sammlungen dieser Welt beherbergt werden, im Museumskontext oder auch in der arrivierten Sammlervilla immer nur einen Teil ihres Wesens offenbaren und erst bzw. nur in den originalen Räumlichkeiten ihre volle Aura entfalten können –also in der Spring Street in Soho, New York, und in Marfa, Texas. „Donald Judd Spaces“ schafft es aber, dem Leser das Gefühl zu vermitteln, selbst vor Ort gewesen zu sein und Donald Judd persönlich kennengelernt zu haben.
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