Ornament und Verbrechen
Adolf Loos | Die Schriften zur Architektur und Gestaltung
Text: Drewes, Frank F., Berlin
Ornament und Verbrechen
Adolf Loos | Die Schriften zur Architektur und Gestaltung
Text: Drewes, Frank F., Berlin
1910 löste Adolf Loos’ Haus am Michaelerplatz für den Herrenausstatter Goldman & Salatsch in Wien einen Skandal aus, weil der Bau in seiner „unanständigen Nacktheit“ auf breite Kritik stieß, worauf ein (zeitweiliger) Baustopp verhängt wurde. Der Tourist, der heutzutage vor der Hofburg steht, wird das als „Looshaus“ bekannte Baudenkmal höchstwahrscheinlich als klassisch empfinden, nicht zuletzt wegen der Marmorbasis mit Säulen und Sprossenfenstern.
Die kanonisierten Architekten einer radikalen Moderne sind Walter Gropius, Mies van der Rohe und Le Corbusier. Zeitlich war Adolf Loos (1870–1933) diesen etwas vorgeordnet und lag mit Frank Lloyd Wright und Peter Behrens auf einer Zeitschiene – also durchaus radikalen Erneuerern, die aber nicht primär unter den Begriffen International Style (Henry-Russel Hitchcock und Philip Johnson) oder Bauhaus zu fassen sind. Besonders mit Frank Lloyd Wright verbindet Adolf Loos sein ausgeprägtes Talent des Schreibens. Beide waren Meister von Schrift und Wort und wussten diese gezielt zur Schulung ihrer Bauherren und Zeitgenossen einzusetzen.
Wie Frank Lloyd Wright hat sich Loos mit seinen Artikeln für Zeitschriften und Vorträge nicht (primär) an Architekten, sondern an ein breiteres Publikum gerichtet. So sind es die philosophischen Ansätze, mit denen sie den Zeitgeist angreifen und thematisch einen großen Bogen von Baukunst über allgemeine Gestaltungsfragen bis hin zu Mode und Verhaltensregeln schlagen. Wenn diese Texte noch über 100 Jahre später als frisch, zeitgemäß und relevant empfunden werden, dann darf vorbehaltlos von modern bzw. Moderne gesprochen werden. Erstaunlich, dass noch zu Lebzeiten von Loos der Münchener Verlag Bruckmann die Verlegung seiner Texte in Buchform ablehnte, da sie nicht mehr zeitgemäß seien. Andere Verleger verlangten Streichungen und Relativierungen seiner Kritik an Josef Hoffmann. Dennoch konnte Loos zu Lebzeiten die beiden Bände „ins leere gesprochen“ und „trotzdem“ veröffentlichen (Loos bevorzugte die durchgängige Kleinschreibung), in denen die Originalversionen gedruckt wurden.
1962 erschien durch Franz Glück „Adolf Loos: Sämtliche Schriften“, 2010 hat Adolf Opel Adolf Loos’ gesammelte Schriften herausgegeben. Unter dem Namen „Ornament und Verbrechen“, dem wohl bekanntesten Text von Adolf Loos, hat Oliver Ruf nun eine weitere Auswahl von Texten neuaufgelegt. Als dünnes Paperback gehalten, ist es eine Anthologie aus 18 Texten, die jeweils durch ein ganzseitiges s/w-Foto eines Architekturdetails gegliedert sind. Im Nachwort gibt der Herausgeber noch wenige Informationen und Einordnungen, die eine Antithese zu den klaren und einfachen Sätzen von Adolf Loos sind. Der Mehrwert dieser Neuauflage ausgewählter Loos-Texte ist fragwürdig, denn noch gibt es eine Vielzahl anderer Loos-Publikationen auf dem Markt, und besonders die „Gesammelten Schriften“ von 2010 decken eigentlich jeden Bedarf.
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