Saga Le Corbusier
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Saga Le Corbusier
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Wer bei der Touristen-Information der Gemeinde Roquebrune-Cap Martin einmal einen geführten Besuch des Cabanon von Le Corbusier gebucht hat, bekommt diese Erkenntnis: Der kleinen Hütte fehlt das Doppelbett – Corbus Frau Yvonne musste auf der Liegebank schlafen, den Kopf zur WC-Schüssel gerichtet. „Ob Yvonne glücklich ist? Sie wissen es nicht. Sie führen eine offene Ehe.“ Auf die Fensterläden hatte der Architekt einen Penis und eine Vagina gezeichnet. Gegessen wurde im winzigen Fisch-Imbiss „Etoile de mer“ nebenan, ab 13 Uhr lockten dort die Aromen und der Pastis. Der wohl wichtigste Architekt des 20. Jahrhunderts lebte in den Sommerferien recht frugal – und auch übergriffig: Denn gelegentlich drang er ins Nachbarhaus ein und bemalte ungefragt die Wände von Eileen Grays Villa „E 1027“ – und zwar (Achtung: action painting!) nackt. Natürlich ließ er sich dabei fotografieren.
Andererseits steht man dort auf heiligem Boden. Denn vom Cabanon aus ging der 77-Jährige Maître 1965 wie gewohnt zum Schwimmen ins Wasser – und wurde als Leiche zurückgespült. Hier setzt dieses Buch ein. Die als Roman bezeichnete Biographie leidet zunächst allerdings an einem innerschweizerischen Sprachproblem. Der Autor ist in Vevey am Genfer See, nur wenige Steinwürfe entfernt vom Haus am See in Corseaux (1923), aufgewachsen. Er distanziert sich aber als guter Schweizer eben-so wie der Meister von seiner Heimat. Dennoch funktioniert der ursprünglich in der Westschweiz erschienene Text, der erst wesentlich später von einer engagierten Deutschschweizer Verlegerin übersetzt wurde, im Deutschen nur bedingt. Denn das Buch ist wie ein Briefroman in der Höflichkeitsform der zweiten Person Singular abgefasst, also in der penetranten Ansprache „per Sie“. Was in der französischen Sprache goutiert werden mag, wird im Deutschen als manieriert empfunden. Im Gegensatz zu dieser „Vous“-Marotte steht nun der stellenweise derbe und despektierliche Tonfall, der den Meister frontal angeht. Und das macht dann doch gehörig Spaß.
Zu Corbusiers Religiosität (Bauwelt 45.2013) lesen wir: „Falls Gott existiert, dann in Form von zwei Flugzeugflügeln: zwei Betonsegeln, unter denen sich die Pilger versammeln werden“. So kann man die Gottesfrage der abendländischen Philosophie auch beantworten. Oder: „Sie sind Kommunist, Sozialist, Kollaborateur, Gaullist“. – „Merci bien!“ Corbusiers politische Nicht-Einstellung lässt sich kaum treffender darstellen. Und so geht es fröhlich weiter. Jedenfalls haben wir seit der Graphic Novel „Die ersten 38 % aus Le Corbusiers Leben“ in der „Hochparterre“ kaum etwas Unterhaltsameres über ihn gelesen. Fazit: „Doch, tatsächlich, Sie sind Architekt.“
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