The Villa of Jenny and Josef Winternitz
Adolf Loos, Karel Lhota 1931–1932
Text: Drewes, Frank F.. Bielefeld
The Villa of Jenny and Josef Winternitz
Adolf Loos, Karel Lhota 1931–1932
Text: Drewes, Frank F.. Bielefeld
Adolf Loos’ wohl bekanntestes Wohnhaus ist die Villa Müller in Prag, die als mustergültiges Beispiel für das Konzept seines Raumplans steht. Seit wenigen Jahren aber ist eine zweite Villa von Adolf Loos in Prag für Besucher geöffnet: die Villa Winternitz. Der Auftrag zur Planung des Wohnhauses ergab sich aus dem Umfeld von František Müller, für dessen Baufirma der Jurist Dr. Josef Winternitz tätig war. Loos wurde zusammen mit Karel Lhota beauftragt, mit dem er bereits an der Villa Müller kooperiert hatte. Die-ser Aspekt ist insofern bedeutsam, als dass lange Uneinigkeit über die Autorenschaft herrschte, denn die Villa Winternitz reicht bei weitem nicht an die Qualität der Villa Müller heran. Auch war Loos zur Planungs- und Bauzeit in den Jahren 1931/32 krank und verbrachte lange Aufenthalte in Sanatorien. Belegt ist, dass Karel Lhota einen wesentlichen Anteil an der Planung und der Beaufsichtigung der Bauarbeiten hatte und bereits den Bauantrag zusammen mit Adolf Loos unterschreiben durfte. Da die Villa Winternitz aber in wesentlichen Teilen die Handschrift von Adolf Loos trägt, u.a. einen vereinfachten Raumplan und die massive Bauweise mit Lochfassade, darf davon ausgegangen werden, dass der Anteil von Lhota im Sinne von Loos gedacht wurde.
Das kompakte schwarze Büchlein, eher als Katalog zu bezeichnen, vereint auf seinen nur 108 Seiten geballte Fakten und Hintergründe. Zu Beginn steht ein Kapitel über die Familie Winternitz und die Geschichte des Hauses, die tragischer nicht sein kann. Nach dem Einzug 1932 blieben der jüdischen Familie nur wenige Jahre in der Villa. Vater und Sohn wurden in Auschwitz ermordet, Mutter und Tochter überlebten zwar, wurden aber nach der Konfiszierung der Villa durch die Nazis anschließend von den Kommunisten zum zweiten Mal enteignet. Erst 1997 wurde der Besitz an die Nachkommen restituiert und von diesen von 2002 bis 2017 in den Originalzustand zurückversetzt – zuvor war die Villa ein halbes Jahrhundert als Kindergarten genutzt worden. Heute kann sie wieder bewohnt werden, dient aber primär kulturellen Veranstaltungen, die vom Urenkel der Bauherren geleitet werden.
Ein ausführliches Kapitel beschreibt die Architektur und Innenräume der Villa anhand von aktuellen Fotos und neuerstellten isometrischen Grundrissen. Darauf folgen Biografien und auszugsweise Werkverzeichnisse von Adolf Loos und Karel Lhota sowie ein längeres Kapitel, das sich speziell mit der Problematik der Autorenschaft befasst. Hierin eingebettet finden sich die Originalpläne (von Karel Lhota). Lada Hubatová-Vacková ordnet die Villa Winternitz ins Gesamtwerk von Loos und Lhota sowie die entsprechenden Zeitströmungen ein. Abschließend wird noch das städtebauliche Umfeld untersucht, so dass nach Lektüre dieses Buches wirklich von einem tiefen Verständnis gesprochen werden kann.
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