WBS 70
Fünfzig Jahre Danach
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
WBS 70
Fünfzig Jahre Danach
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Eine Ausstellung in der Dresdner Neustadt, ein Plattenbau in der Großsiedlung Dresden-Gorbitz, der 50. Geburtstag der DDR-Wohnungsbauserie 70 und der Wunsch nach grenzüberschreitender historisch-künstlerischer Reflexion des industriellen Wohnungsbaus fanden Einzug in ein Buch, das sich auch unabhängig von der Schau „WBS70 Fünfzig Jahre Danach“ lesen lässt. Es ist ein geeigneter Einstieg ins Thema für alle, die sich bislang noch wenig mit der Baugeschichte der späten DDR und dem Großtafelbau beschäftigt haben. Auch Menschen mit biographisch distanziertem Blick auf das Bauen im Sozialismus dürften sich angesprochen fühlen, denn zur „spannenden künstlerisch-kritischen Befragungen“ taugt dieses baulich-urbane Erbe allemal, muss es wohl auch, bevor seine mögliche neue Relevanz getestet werden kann.
Schau und Buch zeigen die in Dresden praktizierte Anverwandlung der Wohnungsbauserie 70, mit einer Grundrisstiefe von nur 10,80 statt der üblichen 12 Meter – gut erkennbar an den vorspringenden Treppenhäusern –, ergänzt um eine polnische Perspektive. Das ist insofern aufschlussreich, als im sozialistischen Nachbarland eine als W70 ähnlich benannte Serie existierte. Zudem hatte es den Versuch gegeben, die beiden Systeme aufeinander abzustimmen und eine gemeinse Produktion von Bauelementen zu organisieren. Dies aber scheiterte an technisch zu unterschiedlichen Herangehensweisen, wie Magdalena Kamińska in ihrem Buchbeitrag „WBS70=/W70“ analysiert. Kapitel wie die über die Großsiedlungen Dresden-Gorbitz und Warschau-Ursynów stehen dagegen bezuglos nebeneinander. Mit der Fotodokumentation „Ein Haus in der Plattenbauweise“, die die Fotografin Christine Starke Anfang der 1980er Jahre im damals neuen Stadtteil Gorbitz anfertigte, bietet sich schließlich auch ein historischer Blick auf das Leben in der Großsiedlung. Ihre Schwarzweiß-Fotos zeigen die Bewohner ebenso wie Details der Einrichtung und Spuren der Aneignung der anonymen Architektur: Zur künstlerischen Reflexion taugen die Siedlungen des industriellen Wohnungsbaus nicht erst seit kurzem.
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