Bauwelt

Frankreich: Ball Theater

Die Party ist vorbei, heißt es hierzulande oft. „La fête n’est pas finie“, beharren dagegen die Kuratoren des französischen Pavillons.

Text: Kabisch, Wolfgang, Paris

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    Foto: Georgi Stanishev

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    ... Gilles Delalex ...
    Foto: Myriam Tirler

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    ... und Yves Moreau
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    Das Cover des zur Biennale erscheinenden Comic-Romans weckt Erinnerungen an die selige Zuversicht der 50er, 60er und 70er Jahre.
    Abbildung: Ugo Bienvenue, Remembers Studio und Spassky Fischer

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    Das Cover des zur Biennale erscheinenden Comic-Romans weckt Erinnerungen an die selige Zuversicht der 50er, 60er und 70er Jahre.

    Abbildung: Ugo Bienvenue, Remembers Studio und Spassky Fischer

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    Ball Theater
    Abbildung: Kuratoren

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    Ball Theater

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    Abbildung Ball Theater: Kuratoren

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    Abbildung Ball Theater: Kuratoren

Frankreich: Ball Theater

Die Party ist vorbei, heißt es hierzulande oft. „La fête n’est pas finie“, beharren dagegen die Kuratoren des französischen Pavillons.

Text: Kabisch, Wolfgang, Paris

Ihr „Ball Theater“ will der Lebensfreude Platz ein­räumen im apokalyptisch gestimmten Zeitgeist.
„Ball Theater/La fête n’est pas finie“: So lautet der Titel des französischen Auftritts in dem neoklassizistischen Pavillon auf dem Hügel der Giardini. Die Party ist also noch nicht vorbei. Wie ist das wohl gemeint? Ist dafür der Pavillon bei dieser Biennale gar zu einem veritablen Ballhaus umgewandelt worden? Hinter der Eingangstür erkennt man im Modell eine raumfüllende, aufrechtstehende Halbkugel, die mit Aluminiumfolie abgedeckt ist, einer überdimensionalen, auf­geschnittenen Discokugel ähnlich. In deren Innerem werden die Besucher bis unters Dach auf halbrunden Sitzbänken Platz nehmen können. Sie lässt plötzlich die ganze Konstruktion wie einen Globus mit seinen Erdmeridianen aussehen. Davor stehen auf kleinen Podesten einzelne Elemente für eine Toninstallation. Da kann man unverständliche Stimmen hören, wenn man sich den Lautsprechern nähert. Und tatsächlich: Zur Eröffnung des Pavillons haben die Architekten zu einem Ball geladen! Aber nichts ist hier eindeutig – alles bis zur Unkenntlichkeit mehrdeutig.
Als ich das Modell der Installation zum ersten Mal sah, habe ich mich sofort gefragt, worin eigentlich der Unterschied besteht zwischen diesem Pavillon einer Architekturbiennale und dem einer Kunstbiennale?
Gilles Delalex Wir liegen irgendwo dazwischen. Im Titel steht, es ist eine Ausstellung im französischen Pavillon. Wir haben eine Installation dorthin gestellt, weil eine Ausstellung meist retro–spektiv ist. Man zeigt, was es so gibt. Speziell in Frankreich. Wir wollten einen Blick auf die Utopie werfen. Heute! Herausfinden, wie man eine alte, verrostete Maschine wieder in Gang setzt.
Die beiden Architekten Gilles Delalex und Yves Moreau arbeiten seit 2003 unter dem Namen „Studio Muoto“ in Paris zusammen. Sie beschäftigen sich mit Architektur, Stadtplanung, Forschung und Lehre. Ihre Projekte zeichnen sich durch Bauweisen aus, die es den Nutzern ermöglichen, viele Aktivitäten zu kombinieren – durch einen kreativen Umgang mit den wirtschaftlichen und ästhetischen Herausforderungen. Sie plädieren für eine Architektur, die sich immer weiter fortentwickeln kann. Muoto ist Finnisch und bedeutet Form.
Warum nehmen Sie an der Biennale teil?
Gilles Delalex Zunächst war es ein sehr persönlicher Grund. Wir leiten an der Hochschule ein Projektstudio für den Masterabschluss mit dem Namen „Stadt Utopia“. Seit über zehn Jahren geben wir sehr unterschiedliche Themen vor, zum Beispiel die Utopien der 1920er Jahre oder die kleinen, persönlichen Utopien. Wir haben uns dabei die Frage gestellt, wie wir den Schwung und den Wunsch nach Utopien wiederbeleben können. Dazu wäre es doch prima, wenn wir eine Zeitlang mit Kollegen konzentriert an einem Projekt arbeiten könnten. Wir begannen also, uns an Ausschreibungen zu beteiligen. Und dann kam die Biennale.
In Frankreich ist das „Institut Français“ als staatliche Einrichtung für die auswärtige Kulturarbeit zuständig und beruft für die Auswahl der Biennale-Teilnehmer eine Jury. Diese hat sich im letzten Jahr für Studio Muoto aus Paris entschieden.
Was soll während der sechs Biennale-Monate in der futuristischen Halbkugel passieren?
Georgi Stanishev Neben der permanenten Klanginstallation wird es jeden Monat eine Woche lang Bälle geben. Als Bezug auf den Titel „Ball Theater“. Das werden Künstler-Gruppen sein, die wir einladen, mit ihren eigenen Mitteln die Installation zu übernehmen. Als wir über den Ball diskutiert haben, sind wir auf die Idee mit dem Theater der Identitäten gekommen. Die „Communities“ in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begannen mit ihren Forderungen ja auch nicht bei Demonstrationen auf der Straße.“ (sondern mit Treffpunkten für Lebensreformer, Pazifisten, Künstler und Schriftsteller, wie z.B. am Monte Verità im Schweizer Tessin, die sich einen kulturellen Umbau zum Ziel gesetzt hatten. - Anm. d. Red.) Unser erstes Beispiel ist der Eröffnungsball. Das ist ein Ball, der von „Vinii“ und seiner Truppe „House of Revlon“ entwickelt wird. Er ist eine Art Star der französischen Szene des „voguing“. Sie hat mit einem Tanz begonnen und ist jetzt Teil der LGBTQIA+-Bewegung.
Gilles Delalex Wir haben keine Rezepte, aber ich glaube, dass wir einen Hang zu Projekten mit einer etwas verblassten Heroik haben. Ich glaube, wir pflegen eine Art Nostalgie aus der Zeit, in der die Architektur etwas mehr als finanzielle Interessen beitragen konnte.
Georgi Stanishev
gründete 2011 sein Atelier für Architektur und Szenografie in Paris. Sein Ansatz konzentriert sich auf den Begriff der Inszenierung, an der Schnittstelle von Architektur, Installation und Bühnenbild. Er unterrichtet Architekturtheorie an der ENSA Paris-Malaquais.
Studio Muoto

wurde 2003 in Paris von Gilles Delalex und Yves Moreau gegründet, nachdem sie den Wettbewerb Europan 7 gewonnen hatten. 2017 gewannen sie den Bauwelt-Preis mit dem „Public Condenser“ auf dem Campus von Paris-Saclay. Das Büro gilt als Vertreter einer neuen französischen Architekturszene, die als „neuer Realismus“ bezeichnet wird.
Fakten
Architekten Delalex, Gilles, Paris; Studio Muoto, Paris; Stanishev, Georgi, Paris
aus Bauwelt 11.2023
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