Holzbau an sich ist kein Argument mehr für Qualität
Markus Lager ist Mitinhaber des Berliner Büros Kaden + Lager, das sich auf städtischen Holzbau spezialisiert hat. Ein Gespräch über Holz als C02-Speicher, das Dauerthema Brandschutz und die immer wieder neu vorzunehmende Abwägung, wo und wieviel Holz beim Bauen Sinn ergibt
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Holzbau an sich ist kein Argument mehr für Qualität
Markus Lager ist Mitinhaber des Berliner Büros Kaden + Lager, das sich auf städtischen Holzbau spezialisiert hat. Ein Gespräch über Holz als C02-Speicher, das Dauerthema Brandschutz und die immer wieder neu vorzunehmende Abwägung, wo und wieviel Holz beim Bauen Sinn ergibt
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Holzbau in der Stadt – der scheint in den letzten zehn Jahren seinen Exotenstatus verloren zu haben. Stimmt dieser Eindruck?
Ich denke, ja. Inzwischen werden in Architekturzeitschriften und auf den Online-Architekturportalen regelmäßig Häuser veröffentlicht, die mit Holz gebaut sind. Das freut mich, denn es war immer unser Ziel, dabei mitzuhelfen, den Holzbau in der Stadt zu einer normalen Bauweise zu machen, ihn in der Breite zu etablieren.
Wieviel Prozent des Bauvolumens in Deutschland macht der Holzbau inzwischen aus?
18 Prozent der fertiggestellten Gebäude in Deutschland sind aus Holz. Da sind aber alle Einfamilienhäuser dabei. Bezieht man das auf den mehrgeschossigen Wohnungsbau, liegt man vielleicht bei zwei Prozent. Das ist noch verschwindend gering. Tendenz aber ganz klar: steigend.
Ihr Büro hat ja nie den reinen Holzbau propagiert, sondern Häuser auch mit Holz gebaut.
Unser Ansatz ist, bei möglichst großen Aufgaben einen Teil aus Holz zu bauen. Schon das ist ein großer Schritt. Wir haben nie gesagt, man muss dogmatisch alles aus Holz bauen – weil es einfach nicht überall Sinn ergibt. Sinnvoll ist es, das Holz beim Bauen als Material mitzuverwenden. Und das wird gerade normal. Was ich dazu mit Freude beobachte: Wir, die wir in gewisser Weise Vorreiter waren, hatten vor allem mit trockenen technischen Problemen zu kämpfen. Wir mussten mit Behörden sprechen, viele Runden drehen und Zulassungen im Einzelfall erwirken. Das ist jetzt, mit der Öffnung der Bauordnungen in Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, etwas einfacher geworden.
Wo genau liegen die Probleme beim Holzbau? Immer noch vor allem darin, den Brandschutz nachzuweisen?
Ja. Tragwerkstechnisch ist Holzbau gut berechenbar. Der Brandschutz ist das im Prinzip auch. Doch die Frage der Rauchdichtigkeit von Bauteilen bleibt ein Thema. Bei einem Betonbauteil ist klar, dass es dicht ist, weil es in der Regel monolithisch ist. Das ist im Holzbau nicht der Fall, man arbeitet mit kleineren Elementen, und da entstehen Fugen. Diese Fugen werden nicht von allen als rauchdicht angesehen. Man kann die Elemente rauchdicht verbinden, aber diese Verbindungen muss man meist einzeln ingenieurtechnisch nachweisen.
Holzbau ist folglich immer noch planungsintensiver als der konventionelle Massivbau?
Man muss sich als Architekt über vieles Gedanken machen, was beim konventionellen Bauen wenig bis gar nicht zu beachten ist. Sich mit all diesen Dingen beschäftigen zu müssen, ist aber Fluch und Segen zugleich, denn wenn wir etwas herausgefunden haben, wissen wir, wie es geht, und können anschließend auf eigene Referenzen verweisen. Man verwendet darauf jedoch eine Menge Energie.
Je etablierter der Holzbau wird, desto geringer müsste dieser Arbeitsanteil eigentlich werden.
Wir kommen immer stärker weg von den rein technischen Problemen – in die schöne Situation, dass Raumbildung, dass Architektur im Holzbau eine größere Rolle spielt. Holzbau an sich ist kein Argument mehr für Qualität, er muss seine Qualität innerhalb eines Entwurfs erst entfalten. Der Holzbau segelt jetzt auf dem offenen Wasser und muss sich mit allem anderen messen.
Holzbau gilt als Schlüssel für klimagerechtes Bauen. Ist sein Potenzial tatsächlich so hoch?
Der Holzbau hat einen deutlich positiven Einfluss. Selbst dann, wenn man die Lieferverkehre in die Betrachtung einbezieht, die beim Holz in der Regel etwas weitläufiger sind. Aufgrund der Größe der Bauaufgaben arbeiten wir fast ausschließlich mit großen Firmen zusammen, die meist aus Süddeutschland kommen. Wenn die nach Norddeutschland liefern, spielt das natürlich eine Rolle. Das ist anders, als holte man Zement aus einer Sandentnahme, die lokal verfügbar ist. Doch auch wenn man solche Effekte einberechnet: Der Holzbau ist, was den primären Energieeinsatz anbelangt, ökologischer.
Ein Riesenfaktor: Im Holz ist CO2 eingespeichert. Bis der Werkstoff irgendwann verbrannt wird, was die letzte Verwertung von Holz ist, spart man es oder vielleicht besser: nimmt es vom Markt. Betrachtet man das auf volkswirtschaftlicher Ebene, dann hat man einen enormen Speicher von CO2 in der Baumasse. In unserem Hochhaus in Heilbronn sind rund 1500 Kubikmeter Holz verbaut, das bindet in etwa so viel CO2, wie 500 Autos im Jahr ausstoßen. Möchte man möglichst viel CO2 einspeichern, sollte man die Decken aus massivem Holz bauen, weil sich dort im Haus die größte Masse befindet.
Sie haben eben die Lieferverkehre erwähnt: Ist denn immer nachvollziehbar, woher das verwendete Holz genau stammt?
Da kommen die diversen Zertifizierungen ins Spiel. Bei kommunalen Bauherren muss es zum Beispiel mindestens FSC-zertifiziertes Holz sein. Die Wege vom Fällen im Wald bis zum Einbau lassen sich sehr gut nachvollziehen.
Wenn immer mehr mit Holz gebaut wird, besteht dann die Gefahr, dass es in absehbarer Zeit
zu einem Nachschubproblem kommt? Dass Holz irgendwann so knapp wird wie heute Sand, der sich zur Zementherstellung eignet?
zu einem Nachschubproblem kommt? Dass Holz irgendwann so knapp wird wie heute Sand, der sich zur Zementherstellung eignet?
Hermann Kaufmann, der an der TU München den immer noch einzigen Universitätslehrstuhl in Deutschland für Holzbau innehat, hat vor einiger Zeit eine Ausstellung zur Zukunft des Holzbaus gemacht. Da wurde ganz wunderbar nachgewiesen: Mit etwas mehr als einem Drittel des Holzes, das wir jedes Jahr in Deutschland ernten, wären wir in der Lage, den gesamten jährlichen Neubaubedarf zu decken. Wir kommen also nicht einmal in die Nähe einer Materialknappheit.
Holz steht in dieser seltsamen Ambivalenz: Einerseits mag jeder Holz, andererseits gibt es enorm viele Vorbehalte, neben der erwähnten Angst vor Bränden unter anderem die Abneigung, wenn es im Innenraum zu viel sichtbares Holz gibt, der berüchtigte „Saunalook“. Wie geht man als Holzbau-Architekt damit um?
Wieviel Holz will man sehen, will man erleben – diese Diskussion führen wir tagtäglich. Und das, obwohl jeder bei uns im Büro den Werkstoff Holz und das Arbeiten damit mag. Ich bin selbst gelernter Zimmerer, wir haben mehrere Zimmerer und einen Zimmermeister. In letzter Zeit haben wir vor allem Räume mit sichtbaren Holzoberflächen entworfen. Wir haben mit Massivholzelementen gearbeitet, Brettschichtholzplatten als Wände und/oder Decken, und die kann man von innen sehen. Das ist ein Ready-Surface, was ich schön finde. Dann hat man auf dem Boden aber auch noch Parkett... In einigen Fällen kamen wir zu dem Schluss: Das ist uns zu viel, wir verkleiden die Wände oder legen Betondecken auf Holzwände oder auf Stützen.
Das ist vermutlich nicht nur eine Material-, sondern auch eine Kostenentscheidung.
Ganz klar: Eine massive, sichtbare Holzwand ist teurer, als wenn ich eine Holzrahmenwand baue und die mit Gipskarton verkleide. Wenn man im geförderten Wohnungsbau unterwegs ist, wie das bei unserem Projekt von drei Wohnhäusern in Berlin-Adlershof der Fall war: Da sieht man im Innern der Häuser nicht viel Holz. Der Hauptaspekt liegt dort auf der Außenwirkung. Die Bauherrin, die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, wünschte, dass es eine Holzfassade ist – was dem Ort auch guttut. Beim Hochhaus in Heilbronn, das die Wohnungsbaugesellschaft Stadtsiedlung Heilbronn als Leuchtturmprojekt der Bundesgartenschau gebaut hat, ist es andersherum. Da sind die Holzdecken und die -außenwände im Innern vollständig sichtbar. Während die Fassade eine Aluminiumfassade ist.
Das fällt auf: Nur wenige Ihrer Häuser, die aus Holz konstruiert sind, haben auch Holzfassaden. Weshalb?
Holz als Fassade – da scheiden sich die Geister. Beim Erweiterungsgebäude der Universität Witten-Herdecke, das wir zurzeit realisieren, sind wir diesbezüglich gerade in der Abstimmung. Wir werden jetzt ein Mockup bauen und schauen, wie sich das am besten darstellt. Holz hat einen Alterungsprozess, der visuell deutlich erlebbar ist. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Durch Vorvergrauung lässt sich der Zustand, den es in zehn Jahren auf natürliche Weise annehmen würde, vorwegnehmen – als homogene Fläche. An sich ist Holz als Fassadenmaterial geeignet. Es ist robust, auswechselbar und beständig, wenn man den konstruktiven Holzschutz beachtet. Doch auch hier kommen wir wieder zum Brandschutz: Brennbare Fassaden sind in Innenstädten nur bedingt sinnvoll. Deshalb haben wir unsere Häuser meistens gleich gar nicht so entworfen.
Wie geht es in den kommenden Jahren weiter mit dem Holzbau in der Stadt? Welche Entwicklung zeichnet sich bei Ihnen im Büro ab?
Nach wie vor werden wir Wohnungsbau in Holz machen, aber nicht ausschließlich. Es kommen immer mehr Aufgaben im Bereich Bildungsbau hinzu: Schulen, Hochschulen. Neben der Uni in Witten-Herdecke arbeiten wir an zwei weiteren Hochschulgebäuden. Wir sind froh, dass der Holzbau genau in diesem Bereich Fuß fasst, weil der enorm öffentlichkeitswirksam ist – in dem Sinne, dass viele Leute das Gebäude benutzen; vom Wohnungsbau sind wir das nicht gewöhnt. Mit diesen Gebäuden steigt letztlich der Anspruch an die Entwurfsqualitäten des Holzbaus.
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