Bauwelt

Auf Papier ist alles möglich

Sergej Tchobans Neuerwerbungen

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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Oleg Chartschenko (*1948), Entwurf für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 (2011), Papier, Filzstift, 20,5×29 cm
Tschoban Foundation

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Oleg Chartschenko (*1948), Entwurf für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 (2011), Papier, Filzstift, 20,5×29 cm

Tschoban Foundation


Auf Papier ist alles möglich

Sergej Tchobans Neuerwerbungen

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Unter den vier Hauptaufgaben eines Museums nimmt die des Ausstellens nur den vierten Rang ein. An erster Stelle steht hingegen das Erwerben. Museen sind auf Wachstum angelegt, auf Vervollständigung, wie utopisch dieses Ziel im Einzelnen auch sein mag.
Das von dem in Berlin und Moskau ansässigen Architekten Sergej Tchoban ins Leben gerufene und vor einem Jahr eröffnete Museum für Architekturzeichnung hat es insofern leichter, als es dem prinzipiell unbegrenzten, andererseits nicht durch einen Mindestbestand gekennzeichneten Sammelgebiet „Zeichnerische Darstellung von Architektur“ gewidmet ist (Bauwelt 28.2013).
Als dritte Ausstellung seit seiner Eröffnung zeigt das Museum nunmehr „Neuerwerbungen“ mit Entstehungsdatum seit 1967: also die Gegenwart. Die große Mehrheit der 50 ausgestellten Blätter zwischen Postkarten- und Zeichentischgröße ist in den jüngsten Jahren entstanden. Vielfach sind es Schenkungen von Architektenkollegen an Tchoban, der sie zusammen mit eigenen Erwerbungen der von ihm gegründeten Tchoban Foundation übereignet hat.
Als Sammler und begeisterter Zeichner gibt Ser­gej Tchoban keiner stilistischen Richtung den Vorzug. Ob der Museumsbestand eines Tages systematisch ausgerichtet sein wird oder soll? Es sind jedenfalls eher die „Rebellen“ unter den Kollegen, die sich dem Medium der Zeichnung anvertrauen. Altmeister Gottfried Böhm überwölbte 2011 – auf dem Papier – seine längst Denkmal gewordene Wallfahrtskirche in Neviges mit einer fantastischen Kuppel. Aldo Rossi brachte 1988 seine aquarellierte Zeichnung des Denkmals für Sandro Pertini mit dem Mailänder Dom zusammen. Zvi Heckers Acrylgemälde lassen nur entfernt das Jüdische Kulturzentrum Duisburg erahnen, das sie im Titel führen (2011) – anders als die kolorierte Blaupause für die Heinz-Galinski-Schule in Berlin, die ihm 1992 internationalen Ruhm einbrachte.
In der oberen der beiden Ausstellungsebenen nehmen drei riesige Bleistiftzeichnungen von Atelier Bow Wow den Betrachter mit ihrer Fülle von Details gefangen. Die rechte Zeichnung zeigt den Miyoshita Park in Tokio (2011), die linke zeigt das KAO Project (2012), und in der Mitte lässt sich sofort der New Yorker Standort für das in Berlin vorab so umstrittene „Guggenheim Lab“ ausmachen. Jüngere Besucher werden mit der Fotomontage an der gegenüberliegenden Schmalseite des Raums nichts mehr verbinden: eine Darstellung zum „Synthetischen Reservat. Oase Nr. 7“. Das war nichts anderes als die große, durchsichtige Plastikblase, die Haus Rucker Co. 1972 zur legendären „documenta 5“ an einem Fenster des Kasseler Fridericianums angebracht hatten, von innen begehbar. Im Obergeschoss hängt auch eine Zeichnung mit sparsamen Wellenlinien von Oscar Niemeyer aus dem Jahr 1986, die dieser dem Besucher Tchoban 2012 geschenkt hat.
Blätter von Steven Holl, Zaha Hadid, Rob Krier, Daniel Libeskind, Konrad Wohlhage und Alexander Brodsky, ausnahmsweise auch zwei zarte Fotografien von David Chipperfield, vervollständigen das Panorama der Neuerwerbungen. Dazu gehören auch einige Zeichnungen des Chefarchitekten der Olympischen Winterspiele in Sotschi, Oleg Chartschenko. Was er wohl während langer Sitzungen aufs Papier geworfen hat, wurde, wie Tchoban bedauert, am Ende nicht realisiert. Aber das gilt für etliche der hier gezeigten Ideen, und vielleicht macht gerade das ihren Reiz aus.

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