Autogerecht 2.0
Europan 12
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Autogerecht 2.0
Europan 12
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Es gehört heute fast zum guten Ton, die autogerechte Stadtplanung der sechziger und siebziger Jahre mit den üppigen Infrastrukturen, die sie uns hinterlassen hat, zu verdammen. Entsprechend radikal wird damit umgegangen, wenn ein Umbau ansteht: Abriss und Ersatz durch möglichst Kleinteiliges.
Das mag oft die richtige Lösung sein, etwa dort, wo die Verkehrsschneisen seinerzeit gewachsene Strukturen jäh zerschnitten haben. Gelegentlich wünscht man sich jedoch eine differenzierte Sicht auf diese Zeugnisse moderner Stadtplanung, die doch längst Teil der Identität vieler Orte geworden sind.
Oder es immer waren – wie im Fall von Haninge. Die 80.000-Einwohner-Gemeinde, rund 30 Kilometer südlich von Stockholm gelegen, ist unverkennbar ein Produkt jener Auto-besessenen Jahre. Die „Mitte“ des Hauptorts Handen besteht aus einer Durchgangsstraße mit Parkplätzen. Das öffentliche Leben spielt sich weitgehend in einem Einkaufszentrum ab.
Von den Europan-Teilnehmern waren Ideen zur Nachverdichtung von Handen gefordert. Der angekaufte Entwurf eines Teams aus Frankreich beschäftigt sich erst in zweiter Linie mit dem Verdichtungspotenzial des Areals. Die Verfasser betrachten das Auto als identitätsstiftend für den Ort und versuchen, den ausufernden Straßenraum sukzessive so neu zu organisieren, dass seine Aufenthaltsqualität steigt – ohne seinen Ursprung zu leugnen. Ihr Vorschlag: Die Straße wird neu geführt, die beiden Fahrbahnen verlaufen danach nicht länger parallel, sondern bewegen sich drei Mal voneinander weg und wieder aufeinander zu. So entstehen zwischen den Fahrspuren drei „Verkehrsinseln“.
Zunächst dienen diese schlicht als Parkplätze. Im nächsten Schritt sollen sich Autoaffine Nutzungen etablieren: Märkte, ein Autokino. Später könnten die Parkplätze überbaut werden, mit einem Sportplatz, einem Schwimmbad, einem Café, einem Kindergarten. Und warum sollte man auf den Inseln nicht eines Tages auch wohnen können?
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