Bauwelt

Bari ohne Barriere

Wie aus Bahnflächen öffentlicher Raum werden soll

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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1.Preis: Massimiliano und Doriana Fuksas

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Bari ohne Barriere

Wie aus Bahnflächen öffentlicher Raum werden soll

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Eisenbahntrassen teilen vielerorts das Stadtgebiet in bessere und schlechtere Lagen; zumindest eine Barriere stellen sie fast immer dar. Im süditalienischen Bari soll sich das ändern.
Bari-Centrale, der Hauptbahnhof der Haupstadt Apuliens, ist ein Durchgangsbahnhof an jener wichtigen Bahnlinie, die nach der Einigung Italiens zu Beginn der 1860er Jahre vom Norden in den Süden des Landes gebaut wurde und die zwischen Rimini in der Romagna bis Brindisi in Apulien etwa parallel zur Adriaküste verläuft. In Bari tangiert die Trasse das damalige Stadtgebiet, das aus zwei Teilen bestand: aus dem dichten und verwinkelten, seit rund 4000 Jahren besiedelten historischen Zentrum am Meer und aus seiner schachbrettartigen Erweiterung, dem Borgo Murattiano, der ab 1813 während der Regentschaft von Neapels König Joachim Murat entstand.
Längst hat Bari die seinerzeit von der Bahn gezogene Grenze übersprungen – das Stadtgebiet jenseits der Schienen ist etwa genauso groß wie das Zentrum. Doch im Gegensatz zu diesem stellen sich die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Stadtgebiete als weitgehend formlos dar. Sie bilden ein Areal, in das sich nur wenige Besucher der Stadt verirren, in dem sich aber für einen Großteil der rund 320.000 Baresi das tägliche Leben abspielt. Die von der Regionalregierung geplante Neuordnung der nach 1900 weiter gewachsenen Bahnanlagen – ein Teil der Gleise soll unter die Erde, ein Teil ganz heraus aus dem inneren Stadtgebiet verlegt werden – und der Erwerb der südlich der Gleise gelegenen, brach gefallenen Kaserne Rossani durch die Stadt bieten jetzt eine Jahrhundertchance: die beiden gegensätzlichen Hälften der Stadt im großen Maßstab, statt nur punktuell, miteinander verbinden zu können – auf einer Fläche von knapp 80 Hektar und einer Länge von drei Kilometern.
Ein im April entschiedener, zweiphasiger Ideenwettbewerb mit zehn Teilnehmern in der zweiten Runde ist der erste Schritt hin zu einem Masterplan für das Großprojekt, bei dem zahlreiche private Grundbesitzer einbezogen werden müssen. Es ist ein Projekt, das die Stadt Bari über Jahrzehnte beschäf­tigen dürfte, wie ähnliche Unternehmungen zeigen. Das Wettbewerbsgebiet gliedert sich in sieben Sektoren von jeweils unterschiedlicher Bau- und Eigentumsstruktur. Doch sollten die komplexen Verhältnisse die Wettbewerbsteilnehmer nicht zu lange aufhalten: Die Architekten waren aufgerufen, eine Vision für das Gesamtareal zu entwerfen und dabei auch das Neubaupotenzial auszuloten, um so das Interesse von privaten Bauherren zu wecken. Die Stadt Bari will eine Städtebauliche Entwicklungsgesellschaft gründen, die die Planung mit den privaten Investoren weiter entwickeln und die Realisierung begleiten soll.
Massimiliano und Doriana Fuksas haben nach Meinung der Jury (Vorsitz: Anna Maria Curcuruto, Stadt Bari) die beste Balance gefunden zwischen funktionalen und gestalterischen Zielen und dem daraus zu erwartenden Verhältnis von Kosten und Einnahmen. Ihr Entwurf eines großen Parks über der gesamten bisherigen Gleisfläche zeichne sich aus durch Klarheit, Einheitlichkeit und Machbarkeit, so das Resümee des Preisgerichts, dem bei der Beur­teilung der zehn Entwürfe vor allem die Qualität des öffentlichen Raums und die der Verbindungen zwischen den bislang getrennten Stadtbereichen wichtig war.
Verglichen mit den zweit- und drittplatzierten Entwürfen von Vázquez Consuegra oder COBE, die nur vorsichtige Brückenschläge über das Bahngelände wagen, erscheint der Entwurf vom Büro Fuksas in der Tat kühn. Die römischen Architekten lassen die Bahn wie mit einem Handstreich komplett aus dem Bild der inneren Stadt verschwinden. Damit gewinnen sie ein Maß an Fläche, mit der sich die Lebensqua­l­i­tät im bislang von nur wenig öffentlichem Grün geprägten Bari spürbar steigern ließe. Die breite Fahrradstraße über den verbliebenen Gleisen etwa könnte eine schnelle Durchquerung der Stadt mit dem Rad in Ost-West-Richtung möglich machen und so diesem Verkehrsmittel in Zukunft eine größere Bedeutung in Bari zuwachsen lassen. Jenseits der Auswirkungen auf das tägliche Leben könnten der Entwurf aber noch tiefer wirksam werden – indem er die städtische Identität von Bari um ein neues Element fortschreibt. Der Park über den Gleisen vermag als öffentlicher Raum von einem Maßstab, wie er in der apulischen Hafenstadt bislang allenfalls in Gestalt der Stadtkante zum Meer vertraut ist, das Bild der Stadt von sich selbst im Wortsinn zu drehen: als Raum quer zur bisherigen Stadtentwicklung, der aufgrund der Einheitlichkeit und Großzügigkeit seiner Gestaltung auch als Ganzes wahrgenommen und erlebt werden kann.

Beschränkter Wettbewerb
1. Preis Massimiliano und Doriana Fuksas, Rom; Jordi Heinrich, Barcelona
2. Preis Guillermo Vázquez Consuegra, Sevilla
3. Preis
COBE, Kopenhagen
4. Preis Francesco Cellini, Rom
ein 5. Preis Scape, Rom
ein 5. Preis Allies & Morrison, London
ein 5. Preis Carlos Ferrater, Barcelona
ein 5. Preis Metrogramma, Mailand
ein 5. Preis Bolles+Wilson, Münster
ein 5. Preis Cruz y Ortiz, Sevilla
Fakten
Architekten Fuksas, Massimiliano und Doriana, Rom; Vázquez Consuegra, Guillermo, Sevilla; COBE, Kopenhagen
aus Bauwelt 23.2013
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