„Behrens konnte dem ‚Mob‘ kaum ein passenderes Symbol zum Attackieren geben“
Restaurierung der ehemaligen Deutschen Botschaft in St. Petersburg
Text: Krohn, Carsten, Berlin
„Behrens konnte dem ‚Mob‘ kaum ein passenderes Symbol zum Attackieren geben“
Restaurierung der ehemaligen Deutschen Botschaft in St. Petersburg
Text: Krohn, Carsten, Berlin
Kaum war die Kaiserlich Deutsche Botschaft 1913 fertiggestellt, wurde sie auch schon gestürmt und geplündert. Eine bekrönende Figurengruppe, jener auf dem Brandenburger Tor ähnelnd, wurde heruntergerissen; sie ist seither verschollen. Bald danach brach nicht nur in Russland die Revolution aus, auch in Deutschland endete jene Epoche, die dieser Bau repräsentieren sollte.
Während Mies van der Rohe, der im Büro von Peter Behrens als Bauleiter mit dem Projekt betraut war, sehr stolz auf das Werk war, bezeichnete es Julius Posener als peinlich. Stanford Anderson schrieb in seiner Behrens-Monographie den bemerkenswerten Satz: „Behrens konnte dem ‚Mob‘ kaum ein passenderes Symbol zum Attackieren geben.“ Dabei verlief die Rezeption dieses Gebäudes äußerst kontrovers. Kaiser Wilhelm II. hatte den Entwurf abgesegnet, den realisierten Bau dann aber als Scheusal und Ungeheuer bezeichnet. Hin-ter seiner klassischen Fassade verbergen sich eigenwillige Formen, die zwar im persönlichen Stil von Behrens erschaffen wurden, aber als eine deutsche Architektur im Ausland dennoch einen Anspruch verkörperten, der auf eine Konvention zielte. Die einstige Botschaft wurde in der Zwischenzeit von verschiedenen deutschen und schließlich russischen Institutionen genutzt. Lange war unklar, in welchem Zustand sich der Bau befindet. Für den jetzigen Eigentümer, das Justizministerium, wurde er nun renoviert. Mit dieser Aufgabe waren die renommierten St. Petersburger Restauratoren Pikalow & Sohn betraut – Anlass für einen Besuch mit der Kamera.
Der Bau steht an einem der Hauptplätze der Stadt, und seine Materialität aus rötlichem Granit entspricht den Säulen der gegenüberliegenden Isaaks-Kathedrale. Allerdings ist der Granit nicht poliert wie an den Säulen, sondern rau. Mies hatte sich gewundert, dass Behrens die Fassade entwarf und sich erst später für das Material entschied. Durch den gewählten finnischen Granit „verschwanden natürlich alle klassizistischen Details“ (Mies im Gespräch ▸ www.bauwelt.de). Die kolossalen Halbsäulen der Fassade verjüngen sich nach oben nur minimal, und das Detail der Eckausbildung scheint Mies’ berühmte Ecklösung am IIT in Chicago vorweg zu nehmen.
Die angekündigte Palastarchitektur setzt sich im Inneren fort, doch hat Behrens bei der Wegeführung Überraschungseffekte inszeniert. Bereits die Eingangshalle im Erdgeschoss ist außergewöhnlich hell und weiträumig. Über eine breite Treppe gelangen die Besucher zu den repräsentativen Räumen, die auf eine dramatische Art aneinandergekoppelt sind. Die Besucher werden nicht nur in immer wieder wechselndenRichtungen geführt, jeder Raum hat auch eine andere Atmosphäre.
Der Thronsaal ist von turnhallenhafter Dimension, die ihm einen monumentalen Charakter verleiht. Im Gegensatz zur kräftigen Struktur der Betondecke ist die Ausschmückung fast zierlich. Der von Behrens entworfene, für das 20. Jahrhundert anachronistisch erscheinende Thron fehlt heute ebenso wie die restlichen Möbel aus seiner Hand. Doch wirken die Räume in ihrer strengen Proportionierung extrem klar. Der Grundriss des Thronsaals ist in einem Verhältnis von 3 zu 5 gestaltet, ablesbar an den quadratischen Deckenfeldern, also annähernd im goldenen Schnitt.
Es schließt sich eine Raumflucht von vier quadratischen Räumen an. Durch auffaltbare Holzpanelwände lassen sie sich zu größeren Einheiten verbinden. Verloren sind neben der Möblierung allerdings auch die farbig gewebten Ornamente, die graugrünen Wandbespannungen, die blauen Bezüge und die mit rotem Seidenstoff bespannten Verkleidungen. Der Ahornparkettboden, der sich unter Linoleum verbarg, war zerstört. Er wurde im Zuge der Renovierung rekonstruiert.
Ansonsten hat sich die Detaillierung erstaunlich gut erhalten. Die Brüstungselemente der Treppenhalle erinnern an Schinkels Altes Museum und an jene in Mies van der Rohes Haus Perls, ebenfalls zwischen 1911 und 1912 entworfen. Die Beleuchtung der Räume ist ungewöhnlich für ihren Zweck. In die vergoldete Decke des „Preußen-Saals“ sind bündig Fassungen eingelassen, in die lediglich nackte Glühbirnen geschraubt wurden. Erhalten hat sich auch der Wirtschaftsflügel, der wie ein Gartenpavillon auf dem Hof platziert ist, aber von Behrens ähnlich seiner Industriearchitektur gestaltet wurde.
Was meinte Stanford Anderson mit seiner eingangs zitierten Bemerkung? Eingeprägt hat sich Albert Speers Notiz in seinen Erinnerungen, wonach Hitler diesen Bau geschätzt habe. Weil dessen architektonische Qualitäten insbesondere im Inneren liegen, konnten die vornehmlich publizierten Schwarz-Weiß-Abbildungen der Fassade eine übersteigert monumentale Geste des GEbäudes vermitteln. Mit den bekrönenden pathetischen Skulpturen wurde das Brandenburger Tor zitiert – schlechthin das Symbol der deutschen Hauptstadt. Ironischerweise schlug Peter Behrens 1929 vor, das Brandenburger Tor auf eine neu zu schaffende Nord-Süd-Achse zu verschieben und es dafür um 90° zu drehen.
Der Bau steht an einem der Hauptplätze der Stadt, und seine Materialität aus rötlichem Granit entspricht den Säulen der gegenüberliegenden Isaaks-Kathedrale. Allerdings ist der Granit nicht poliert wie an den Säulen, sondern rau. Mies hatte sich gewundert, dass Behrens die Fassade entwarf und sich erst später für das Material entschied. Durch den gewählten finnischen Granit „verschwanden natürlich alle klassizistischen Details“ (Mies im Gespräch ▸ www.bauwelt.de). Die kolossalen Halbsäulen der Fassade verjüngen sich nach oben nur minimal, und das Detail der Eckausbildung scheint Mies’ berühmte Ecklösung am IIT in Chicago vorweg zu nehmen.
Die angekündigte Palastarchitektur setzt sich im Inneren fort, doch hat Behrens bei der Wegeführung Überraschungseffekte inszeniert. Bereits die Eingangshalle im Erdgeschoss ist außergewöhnlich hell und weiträumig. Über eine breite Treppe gelangen die Besucher zu den repräsentativen Räumen, die auf eine dramatische Art aneinandergekoppelt sind. Die Besucher werden nicht nur in immer wieder wechselndenRichtungen geführt, jeder Raum hat auch eine andere Atmosphäre.
Der Thronsaal ist von turnhallenhafter Dimension, die ihm einen monumentalen Charakter verleiht. Im Gegensatz zur kräftigen Struktur der Betondecke ist die Ausschmückung fast zierlich. Der von Behrens entworfene, für das 20. Jahrhundert anachronistisch erscheinende Thron fehlt heute ebenso wie die restlichen Möbel aus seiner Hand. Doch wirken die Räume in ihrer strengen Proportionierung extrem klar. Der Grundriss des Thronsaals ist in einem Verhältnis von 3 zu 5 gestaltet, ablesbar an den quadratischen Deckenfeldern, also annähernd im goldenen Schnitt.
Es schließt sich eine Raumflucht von vier quadratischen Räumen an. Durch auffaltbare Holzpanelwände lassen sie sich zu größeren Einheiten verbinden. Verloren sind neben der Möblierung allerdings auch die farbig gewebten Ornamente, die graugrünen Wandbespannungen, die blauen Bezüge und die mit rotem Seidenstoff bespannten Verkleidungen. Der Ahornparkettboden, der sich unter Linoleum verbarg, war zerstört. Er wurde im Zuge der Renovierung rekonstruiert.
Ansonsten hat sich die Detaillierung erstaunlich gut erhalten. Die Brüstungselemente der Treppenhalle erinnern an Schinkels Altes Museum und an jene in Mies van der Rohes Haus Perls, ebenfalls zwischen 1911 und 1912 entworfen. Die Beleuchtung der Räume ist ungewöhnlich für ihren Zweck. In die vergoldete Decke des „Preußen-Saals“ sind bündig Fassungen eingelassen, in die lediglich nackte Glühbirnen geschraubt wurden. Erhalten hat sich auch der Wirtschaftsflügel, der wie ein Gartenpavillon auf dem Hof platziert ist, aber von Behrens ähnlich seiner Industriearchitektur gestaltet wurde.
Was meinte Stanford Anderson mit seiner eingangs zitierten Bemerkung? Eingeprägt hat sich Albert Speers Notiz in seinen Erinnerungen, wonach Hitler diesen Bau geschätzt habe. Weil dessen architektonische Qualitäten insbesondere im Inneren liegen, konnten die vornehmlich publizierten Schwarz-Weiß-Abbildungen der Fassade eine übersteigert monumentale Geste des GEbäudes vermitteln. Mit den bekrönenden pathetischen Skulpturen wurde das Brandenburger Tor zitiert – schlechthin das Symbol der deutschen Hauptstadt. Ironischerweise schlug Peter Behrens 1929 vor, das Brandenburger Tor auf eine neu zu schaffende Nord-Süd-Achse zu verschieben und es dafür um 90° zu drehen.
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