Bauwelt

„Die Auftragslage für Architekten ist sehr gut im Moment, der Druck auf offene Wettbewerbe scheint gar nicht so groß“

Josef Mittertrainer vom Büro bgsm

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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Die Partner des Büro bgsm von links: Christian Böhm, Mechtild Glaab, Dietmar Sandler, Josef Mittertrainer (Gesprächspartner), Juri Goebel
Foto: bgsm

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Die Partner des Büro bgsm von links: Christian Böhm, Mechtild Glaab, Dietmar Sandler, Josef Mittertrainer (Gesprächspartner), Juri Goebel

Foto: bgsm


„Die Auftragslage für Architekten ist sehr gut im Moment, der Druck auf offene Wettbewerbe scheint gar nicht so groß“

Josef Mittertrainer vom Büro bgsm

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Herr Mittertrainer, warum organisieren Sie Wettbewerbe?
Die Wettbewerbsbetreuung war die Keimzelle unseres Büros, das zwei meiner Büropartner vor 25 Jahren gegründet haben. Wir betreuen im Durchschnitt etwa zehn Wettbewerbe pro Jahr. Vorrangig in München und anderen bayerischen Städten und Gemeinden. Die Stadt München ermuntert private Auftraggeber immer wieder, auch mit sanftem Druck, Wettbewerbe zu veranstalten.
Wie und zu welchem Zeitpunkt des Projekts kommen Sie an Ihre Aufträge?
Wir werden angesprochen, oft auch von Auftraggebern, mit denen wir bereits gearbeitet haben. Zumeist bieten wir unsere Leistung in Konkurrenz mit anderen Betreuern an. Auf die Entscheidung, ob ein Planungsauftrag über einen Wettbewerb oder in anderer Weise vergeben wird, haben wir meist keinen Einfluss. Wir kommen erst danach ins Spiel. Manchmal ist es aber so, dass Kollegen sich bei ihrem Bauherrn nicht um einen Direktauftrag bemühen und stattdessen einen Wettbewerb anregen.
Solche Kollegen gibt’s?
Ja, gar nicht mal so selten. Sie denken vielleicht, dass ein Wettbewerb der Aufgabe, der Art oder Größe des Projektes angemessen ist. Oder sie wissen aus Erfahrung, dass es letzten Endes ohnehin auf einen Wettbewerb hinauslaufen wird.
Stimmt es, dass private Auslober keine anonymen Verfahren machen wollen?
Da gibt es eine Tendenz, ja. Wenn die Möglichkeit des Kennenlernens der Teilnehmer besteht, sind private Auftraggeber eher bereit, einen Wettbewerb durchzuführen. Ich sehe darin durchaus einen Vorteil. Und am Ende entscheidet auch bei nicht anonymen Verfahren die Qualität des Entwurfs. Selbst wenn ein einzelner Teilnehmer den Auslober schon kennt und vielleicht einen Vertrauensvorsprung besitzt, ist das nicht unbedingt derjenige, der sich am Ende durchsetzt.
Welche Argumente sprechen für einen offenen Wettbewerb?
Es gibt verschiedene Argumente. Ein öffentlicher Auftraggeber hat die Verpflichtung, die Auftragsvergabe möglichst breit zu streuen, bzw. die Chancengleichheit zu wahren. Das geht mit einem offenen Wettbewerb sehr gut. Ein privater Auftraggeber kann damit vielleicht größere Aufmerksamkeit für sein Projekt erregen oder für den Standort, den er entwickeln möchte. Durch einen offenen Wettbewerb kommt man einfach mehr ins Gespräch.
Welche Erfahrungen haben Sie mit offenen Wettbewerben?
Wir haben 2014 den Ideen- und Realisierungswettbewerb „Dokumentation Obersalzberg“ betreut. Eine interessante Aufgabe, die überschaubar genug war, um auch von kleineren Büros bewältigt werden zu können. 90 Büros haben Arbeiten eingereicht (Bauwelt 42.2014).
Das sind ja nicht so viele. Ein Argument gegen offene Wettbewerbe sind doch immer die hohen Teilnehmerzahlen.
Die Auftragslage für Architekten ist sehr gut im Moment, der Druck auf offene Wettbewerbe scheint daher gar nicht so groß. Darum glaube ich auch, dass es wieder mehr offene Wettbewerbe geben wird.
Wer legt fest, wer in der Jury sitzt?
Der Auslober. Oft hat er schon eine genaue Vorstellung, wer dabei sein soll. Das Preisgericht wird mit der zuständigen Architektenkammer und bei privaten Wettbewerben auch mit der beteiligten Kommune abgestimmt. Denn so ein Wettbewerb wird ja auch gemacht, um mit der Stadt oder der Gemeinde einen Konsens zu erzielen.
Nach welchen Kriterien setzen Sie die Jury zusammen?
Zunächst nach den formalen Wettbewerbsregeln. Bei den Fachpreisrichtern muss die gleiche Qualifikation vorhanden sein, die auch von den Teilnehmern verlangt wird. Auch die beteiligten Fachrichtungen müssen vertreten sein. In der Praxis sind das meist Personen, die selbst erfolgreich an Wettbewerben teilnehmen.
Was zeichnet einen guten Preisrichter, eine gute Preisrichterin aus?
In der Jurysitzung ist die Zeit knapp. Gute Fachpreisrichter können sehr schnell erkennen, wo die Qualitäten und Defizite bei den Entwürfen liegen. Und sie müssen in der Lage sein, auf andere einzugehen, denn die Jury funktioniert in gewisser Weise auch als Team. Es sollten auch unterschiedliche Persönlichkeiten vertreten sein. Es wäre ja langweilig, wenn eine Jury aus lauter gleichgestrickten Menschen besteht. Die Mischung macht’s.
Wettbewerbsbetreuer organisieren auch die Vorprüfung. Wie viel Zeit pro Arbeit setzen Sie an?
Das hängt von der Aufgabe ab. Man kann sehr viel prüfen, doch manches wird für die Entscheidung gar nicht benötigt. Ein Preisgericht kann nur eine begrenzte Menge an Informationen verarbeiten. Für mich steckt die Qualität der Vorprüfung darin, sich auf das zu beschränken, was wertvoll und sinnvoll ist für die Arbeit im Preisgericht, also so umfangreich wie nötig und so knapp wie möglich.
Welche Veränderungen im Wettbewerbswesen sind Ihnen in den letzten Jahren aufgefallen?
Die gravierendste Veränderung war die Verpflichtung zur europaweiten Öffnung von Wettbewerben. Das liegt aber schon mehr als zwanzig Jahre zurück. Der Wettbewerb hat danach sehr schnell als Instrument, sich im Beruf zu etablieren, an Bedeutung verloren. Junge Architekten oder gar Absolventen, die noch nicht in der Kammer sind, haben kaum Chancen, an Wettbewerben teilzunehmen. Daran hat sich seither nichts Wesentliches geändert.
Was würden Sie gern verändern?
Das größte Ärgernis ist die Frage des Zugangs zu begrenzten Wettbewerben. Oft werden zu hohe Hürden bei den Kriterien für die Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer angesetzt. In der Arbeitsgruppe „Wettbewerb und Vergabe“ der Architektenkammer Bayern arbeiten wir daran, das zu verbessern.
Also muss man immer wieder Überzeugungsarbeit leisten?
Ich würde sagen: ja. Die Wettbewerbsinitiative bei Ihnen in Berlin geht einen anderen Weg. (Der Verein hat eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Das deutsche Wettbewerbswesen sei willkürlich, elitär und benachteilige junge und kleine Büros, so die Kritik. Anm. d. Redaktion, Bauwelt 37.2014). Ich finde diesen Ansatz schon interessant, obwohl mir die Überzeugungsarbeit eher entspricht.
Das Interview führte Friederike Meyer am 20. Mai per Telefon
bgsm Architekten Stadtplaner wurde 1989 von Christian Böhm und Dietmar Sandler gegründet. Josef Mittertrainer kam 1994 als Partner hinzu. Heute arbeiten fünf Büropartner, acht angestellte Architekten/-innen und Stadt- und Umweltplaner/-innen an Projekten in den Bereichen Stadtplanung und Verfahrensbetreuung. bgsm betreut im Jahr durchschnittlich 10 Wettbewerbe, hauptsächlich in Bayern.
Auswahl betreuter Wettbewerbe BR hoch drei – Standort München-Freimann; Neubau von Wohnanlagen im Prinz-Eugen-Park, Bauquartier MK3 am Bauhausplatz, Baugebiete MK 7 und MK 8 im Stadtquartier „Am Hirschgarten“, Campus Süd an der Baierbrunner Straße, Ehemaliges Dornier-Gelände, Neubau Wohnsiedlung an der Ludlstraße, alle in München; Neubau und Neugestaltung von Busbahnhof und Bahnhofsumfeld Weilheim in Oberbayern, Nürnberg – ehemaliges Südbahnhof-Areal, Dokumentation Obersalzberg in Berchtesgaden

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