Drei Stahlringe
Idee und Konstruktion der Kunst am Bau von Raik Elias
Text: Elias, Raik, Heidelberg
Drei Stahlringe
Idee und Konstruktion der Kunst am Bau von Raik Elias
Text: Elias, Raik, Heidelberg
Eine Skulptur und ein Raum sind in gewisser Weise Objekte, die man beschreiben kann. Der Unterschied besteht darin, dass die Umgebung als Objekt nicht in ihrer Gänze wahrgenommen wird. Man könnte sie als transzendent bezeichnen, muss also einen gewissen Aufwand betreiben, um sie zu begreifen.
Die Kunst am Bau gibt einem die Möglichkeit, sich mit diesem Thema zu befassen, weil der Ort des Objekts bekannt ist und man sein Werk in Bezug auf die Umgebung formen und thematisieren kann.
Auch die „drei Ringe“ im Stuttgarter Ministeriumsgebäude von Staab Architekten sind vor diesem Hintergrund konzipiert worden. Grundsätzlich haben wir es bei diesem Neubau mit einer Aneinanderreihung von Objekten zu tun, mit einem Haus aus mehreren Baukörpern – inklusive seiner Atrien. Die Räume haben einen homogenen Charakter. Sie bestehen aus einem hellen, rauen Material.
Ich habe mich bei diesem Projekt dafür entschieden, der starken Materialität in den Atrien etwas entgegenzustellen und sie zumindest im Bewusstsein zu entmaterialisieren. Man tritt also ein, und da ist dieses riesige Objekt, das den Raum nicht blockiert, beim Betrachter aber zunächst für Irritation sorgt.
Größe ist ein wesentliches Thema bei einer Skulptur und in der Architektur. Sie löst im Betrachter Ehrfurcht aus und führt zurück zu Fragen wie der nach dem Ursprung oder dem Bewusstsein. Das Projekt soll ihn dorthin „zurückbringen“. Der Zusammenhang entsteht vor allem dadurch, dass man in dem einen Objekt (dem Atrium) herumgeht und das andere Objekt (den Ring) wieder und wieder aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann. Mir geht es um die Erfahrung, die man in diesem Raum macht, die emotionale Realität, in der man sich befindet, um die Illusion, dass die Stofflichkeit einer Skulptur auch nicht-materielle Eigenschaften besitzen kann. Wir erkennen zwar abstrakt ein einfaches geometrisches Gebilde, unsere Wahrnehmung ist aber in einer transzendierenden Welt engagiert und erkennt oder erarbeitet sich ein „Milieu, ... dessen Bestandteile miteinander verbunden sind“, so der französische Philosoph Maurice Merleau-Ponty. Die abstrakte Geometrie hilft uns, die Situation auf verschiedenen Ebenen zu erleben: physisch, emotional und intellektuell. Dabei geht es um den Prozess, den der Betrachter durchläuft, um eine sogenannte Bedeutung zu entdecken.
Die Rostschicht an den Ringen sorgt vor allem durch ihre Homogenität für eine große Materialität. Die innen liegenden, spiegelnden Edelstahlbänder wirken dem entgegen, nehmen den Objekten die Schwere. Aus einigen Blickwinkeln werden die Ringe zu schmalen Reifen. Diese Veränderung einer sehr einfachen Form macht an sich schon einen Reiz aus.
Zur Konstruktion: Christofer Gutmann von der beauftragten Firma Pollux besitzt viel Erfahrung mit konstruktiv komplizierten Kunstprojekten. So war es vorteilhaft, ihn früh mit in die Planung einzubeziehen. Er baute zunächst Modelle in unterschiedlichen Maßstäben, um theoretische vielversprechende detaillierte Ideen gleich im richtigen Maßstab praktisch testen zu können. Somit gelangten wir relativ schnell zu einem konstruktiven Ergebnis. Die Abmessungen der Ringe sind sehr groß. Schwierig war bei der Montage die stark eingeschränkte Zugänglichkeit zu den Atrien. Darüber hinaus hatten wir es mit einer enormen Einbauhöhe von bis zu 21 Metern zu tun. Die Profile der drei Ringe mussten vor allem ein geringes Gewicht haben, eine hohe Steifigkeit und eine exakte Oberfläche. Daher war eine hohe geometrische Präzision gefordert, wobei die Befestigungspunkte der Ringe im Gebäude exakt passen mussten.
Wir haben dann einen Statiker hinzugezogen, der parallel zur Planung das Profil und dessen Biegesteifigkeit berechnete. Gutmann erarbeitete eine Planung für die Ausführung der einzelnen Schweißnähte. Gemeinsam wurde ein konstruktiv geschlossenes Profil zur Aufnahme der Biege- und Schubkräfte aus Corten-Stahl konzipiert. Die Ringe wurden in vier bis sechs Segmente aufgeteilt, je nach Bauteilgröße und Einbau unter den gegebenen Bedingungen. Diese Segmente mussten durch Schraubstöße mit innen liegender, unsichtbarer Verschraubung auf Haarfuge miteinander verbunden werden. Für die polierte Edelstahlblende wurde ein eigener Verriegelungsmechanismus entwickelt, der eine nicht sichtbare Befestigung, eine sichere Arretierung und einen schnellen Einbau vor Ort ermöglichte.
Beim Zusammenbau der Segmente wurden keine zusätzlichen Schablonen oder Lehren benötigt. Die zwei parallel liegenden Flächen des Ringprofils wurden durch Kantteile und Schotten miteinander verschraubt und ergaben so-mit die fertige Geometrie. Der Einbau erfolgte über Gerüste, an denen eine Seilwinde befestigt wurde. Wir planten das Gerüst so, dass man die einzelnen Segmente hochziehen, lagern und positionieren konnte, um sie dann zusammenzufügen.
Beim Wettbewerb war ich noch nicht genauer auf das Material eingegangen, dachte nur an verschiedene Legierungen und Beschichtungen. Wichtig war mir, ein Material zu finden, das die Kraft besitzt, dem Beton gegenüber zu bestehen und dennoch mit ihm zu harmonieren. Bei der ersten Begehung, als der Rohbau schon so gut wie fertiggestellt war, umgab mich die ungewohnt große Masse des Betons, und mir wurde klar, dass auf Hochglanz polierte Materialien im Raum visuell verschwinden würden. Nach vielem Ausprobieren entschied ich mich für eine Oberfläche aus Rost, die sehr gut zur Oberfläche des Betons passt und genug eigene Kraft ausstrahlt.
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