Für Ihre Zukunft noch alles Gute
Das Pfaff-Areal in Kaiserslautern und Europan 12
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Für Ihre Zukunft noch alles Gute
Das Pfaff-Areal in Kaiserslautern und Europan 12
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Was wird aus einem Europan-Beitrag, wenn der Wettbewerb vorbei ist? In Kaiserslautern erhielten das holländische Atelier to the Bone und Jeroen van Poppel den 1. Preis für ihren Entwurf zur Entwicklung des alten Pfaff-Areals. Wir wollten wissen, wie es mit dem ambitionierten Strategiekonzept, das wir in Bauwelt 5 vorgestellt haben, nun weiter geht – und erhielten viele Antworten, nur nicht auf diese Frage
Es ist Februar 2014. Vier junge Architekten mit Sakko, Hornbrille und Bartansatz, die sich für ihre Facebookseite auch mal beim XXL-Burgerbraten fotografieren lassen, machen sich aus dem holländischen Eindhoven auf ins pfälzische Kaiserslautern. Im Foyer des Rathauses, ein Büroturm aus den sechziger Jahren, hängen ihre prämierten Entwürfe für die Entwicklung des ehemaligen Pfaff-Geländes im Südwesten der Stadt. Der insolvente Nähmaschinenhersteller war 2009 an den Nordrand gezogen und hinterließ der Innenstadt ein 22 Hektar großes Industrieareal. Drei Wochen lang hängen Vorschläge junger Europan-Teilnehmer im Rathaus, wie sich dieses zum Teil kontaminierte Gelände zu einem Technologie- und Wohnstandort wandeln ließe. Bei jedem Weg ins Büro mussten Baudirektorin Elke Franzreb und Oberbürgermeister Klaus Weichel an den Stellwänden mit den farbenfrohen Entwürfen vorbei. So nah, wie in dieser Zeit, kommen die Pläne den Entscheidungsträgern der Stadt wohl nie mehr.
Manche Kommunen setzen auf Europan, um alte Problemzonen mit dem frischen Blick junger Planer neu zu betrachten. Andere Gemeinden winken das Verfahren freundlich lächelnd durch, wie eine bunte Parade Ortsfremder, um sich nach deren Auszug wieder dem seit Jahren praktizierten Tagesgeschäft zu widmen. Auch in Kaiserslautern kam die Idee, sich an Europan zu beteiligen, nicht aus den Amtsstuben. Zuerst setzte sich Peter Spitzley, Leiter der Lauterer Architekturgalerie, mit Michael Burghaus, Sprecher der örtlichen Architektenkammergruppe, zusammen. Ihre Hoffnung damals: Mit Europan könnte noch ein städtebaulicher Wettbewerb für das wichtige Innenstadtgebiet durchgeführt werden, bevor es ohne ein planerisches Gesamtkonzept veräußert und vermutlich willkürlich bebaut würde. Unterstützung fand die Idee auch bei der Technischen Universität, die ihren Campus auf einen Teil des Pfaff-Areals, das nur einen Katzensprung vom Hochschulstandort entfernt liegt, erweitern will.
Altlasten und alte Bekannte
Im Herbst 2012 trat Spitzley mit Bianca Klein vom Rheinland-Pfälzischen Finanzministerium und Ulrike Poeverlein, Leiterin von Europan-Deutschland, an die Stadt heran. Dort stießen sie zunächst auf Interesse bei Baudirektorin Franzreb, vor allem aber ihr Mitarbeiter Joachim Wilhelm setzte sich für Europan ein. Das letzte Wort jedoch hatte Oberbürgermeister Weichel. Der Sozialdemokrat und studierte Biologe war zunächst skeptisch, verwies auf die Kontamination des Geländes und die schwierige Lage mit der Insolvenz des Grundstückseigentümers Black & Blue. Nicht zuletzt koste die Teilnahme an Europan Geld: insgesamt 135.000 Euro. Doch das Leere-Kassen-Argument war schnell ausgeräumt. Rund ein Drittel der Wettbewerbskosten wollte das Land beisteuern, ein weiteres Drittel der Verein Science Alliance, ein Zusammenschluss Lauterer Hochschul- und Forschungsinstitute. Den Rest übernahm die Stadt, die jedoch ihren Anteil wiederum zu 80 Prozent durch die Städtebauförderung des Landes decken konnte. Am Ende zahlte Kaiserslautern weniger als 10.000 Euro – für einen internationalen Wettbewerb ein Schnäppchen. Das Verfahren nahm seinen Lauf.
Die Lokaljury tagte im September 2013. Oberbürgermeister Weichel ließ sich laut Protokoll entschuldigen, stattete der Sitzung mittags lediglich einen Besuch ab. In der Jury saß, neben Spitzley und Franzreb, auch Gerhard Steinebach, seit 1999 Lehrstuhlinhaber für Raum- und Umweltplanung an der TU. Einen Monat nach der Sitzung trat Steinebach im Zusammenhang mit dem Pfaff-Gelände wieder in Erscheinung. Glücklich verkündete die Stadt, für die „schwierige Aufgabe“, das Areal zu revitalisieren, eine Lösung gefunden zu haben. Ein privates Konsortium aus dem Insolvenzverwalter Paul Wieschemann und einer Pfaff-Campus-Projektgesellschaft (PCP) hatte einen langfristigen Optionsvertrag zum Grundstückskauf geschlossen. Die PCP setzt sich aus fünf Männern zusammen, darunter der Geschäftsführer eines lokalen Bauunternehmens und zwei Vertreter der Pre-Group, die bereits zwei große Technologieparks für die Stadt entwickelt haben. Zu diesen Lieblingen der Lauterer Baupolitik in der PCP-Gesellschaft reihte sich auch Gerhard Steinebach.
Bereits 2004 erstellte Steinebach im Auftrag des damaligen Oberbürgermeisters ein Gutachten, wie Kaiserslautern zur „Technopole“, einem Standort für Technologieunternehmen und Forschungsinstitute, gedeihen könnte. Das Leitbild spiegelt sich nicht nur im bisherigen Bebauungsplanentwurf für das Pfaff-Gelände, sondern auch in der Europan-Auslobung wider: Forschung im Zentrum, Wohnen im Norden, Mischgebiet im Osten und Gewerbe im Südwesten.
Um eine „ungewollte Entwicklung“ des Areals zu verhindern, hatte die Stadt 2009 eine Veränderungssperre auf das Gebiet verhängt. Zweimal wurde die Sperre verlängert, inzwischen ist sie ausgelaufen. In diesem Frühjahr tauchten erste Bauanträge des Pfaff-Konsortiums in der Lokalpresse auf – für Einfamilien- und Reihenhäuser an den Rändern des Geländes, auf Grundstücken, die nicht oder kaum kontaminiert sind. Von einem städtebaulichen Konzept keine Spur. Erst recht nicht von Europan. So schnell der Wettbewerb kam, so schnell war er wieder verschwunden.
Ein Ideengeber – wenn nötig
Damit verschenkt die Stadt eine riesen Chance. Gerade die im Entwurf anvisierte phasenweise Entwicklung von innen nach außen könnte unterbinden, dass Filetstücke am Rand voreilig für Mittelschichtswohnen verkauft werden und schwer verwertbare Restabschnitte in einem zerfledderten Innern übrig bleiben. Die vorgeschlagenen Anreizmechanismen und die Planungsmatrix (S. 49) würden helfen, die temporäre Nutzung wie auch die Bebauung in eine von der Stadt gewünschte Richtung zu lenken, ohne Investoren auszuschließen oder Initiativen der Bevölkerung im Keim zu ersticken. Zudem setzen die Holländer darauf, Bauten und Teile der Hallen weiter zu nutzen, statt, wie geplant, bis auf vier Gebäude, das gesamte Areal, abzureißen. „Wir werden Europan sicherlich berücksichtigen“, verspricht Steinebach auf Nachfrage, „als Ideengeber“.
Inzwischen hat das Konsortium allerdings andere Sorgen. Der Rechnungshof von Rheinland-Pfalz empfand es als nicht rechtens, dass das Land eine Aufarbeitung des kontaminierten Geländes mitfinanziert, aber eine bereits ausgewählte Privatgesellschaft das Areal entwickeln und die Gewinne einstreichen dürfte. Stattdessen soll die Stadt das Areal kaufen, aufbereiten und in einem europaweiten Verfahren an Investoren veräußern. Dafür will das Finanzministerium 90 Prozent der Sanierungskosten übernehmen. Bis Herbst, verspricht die Stadt, würde ein neues Konzept vorliegen. „Es besteht die Chance, dabei auch Europan einzubringen“, sagt Oberbürgermeister Weichel. Also alles wieder offen – und nichts sicher.
Fernab der Lauterer Lokalpolitik, in Holland, berichten derweil Lokalzeitungen und ein TV-Sender über die Europan-Gewinner. Und der niederländische Architektenbund vergab kurz nach Bekanntgabe der offiziellen Europan-Platzierung seinen Jonge Architecten Prijs 2013: an das Atelier to the Bone aus Eindhoven.
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