Gerhart Laage (1925–2012)
Nachruf
Text: Roscher, Volker, Hamburg
Gerhart Laage (1925–2012)
Nachruf
Text: Roscher, Volker, Hamburg
„Architektur bekommt nur Sinn durch Menschen": Gerhart Laage war einer der großen und frühen Beweger des Themas Bewohnergruppen und Beteiligung.
„Planung, ein Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ – 1975 veröffentlichte Gerhart Laage seine „Neun Gruselgeschichten aus einem Arbeitstag des Architekten Bähnelz“. Bähnelz (B.) ist die Verdichtung der Charaktere dreier Stuttgarter Star-Architekten-Professoren, deren Nachnamen alle mit einem B begannen. Und B. war so etwas wie Laages Antipode und Alter-Ego zugleich: B. hielt her für die vielen Widersprüche im Architekturalltag.
Auch Gerhart Laage, der in Braunschweig bei Friedrich Wilhelm Kraemer studiert hatte, war eigentlich eher die Laufbahn eines „Star-Architekten“ vorgezeichnet. Ein Frühwerk, seine Sonderschule in Hamburg (1955–59), wurde sogleich international gewürdigt. Der charismatische 1. Bürgermeister Hamburgs, Max Brauer, bat den jungen Architekten Mitte der 50er Jahre zum Gespräch ins Rathaus, hatte dieser doch die Räume der Arbeiter in der neuen Kattwyk-Gaskokerei in leuchtenden Farben streichen lassen. Architektur war für Max Brauer die Fortführung der Politik – für den jungen Gerhart Laage war dies eine der prägenden Begegnungen.
Den verlockenden Ruf zum Chef-Architekten der „Neuen Heimat“ lehnte Laage ab. Er bewarb sich aber um den Posten des Hamburger Oberbaudirektors, dort hätte er seine bereits reifenden Ideen der sozialen Stadt umsetzen wollen. Vielleicht war es ja genau das, was ihn nicht zum Zuge kommen ließ. 1963 wurde er zum Professor für Architekturtheorie an die TU Hannover berufen. Sein Thema blieb „Raum für soziales Leben“. Er hielt Kontakt zu Ralph Erskin, holte den mit Bewohnergruppen arbeitenden Architekten Eduardo Vargas aus Chile an sein Institut und entwickelte Quartiersplanung nach individuellen Bewohnermaßstäben. Sein von Kindheit an intensiver Austausch mit seinem Freund Helmut Schmidt, den sein berühmter Vater, Richard Laage, in Architektur unterrichtete, setzte sich fort, als Schmidt Bundeskanzler wurde. Gerhart Laage wurde – neben Rudolf Hillebrecht und Walter Rossow – dessen Berater für Architektur und Städtebau.
Ab 1960 war Gerhart Laage dreizehn Jahre lang im Hamburger BDA Vorstand, von 1990–92 Präsident der Bundesarchitektenkammer. Er gehörte zu den großen und frühen Bewegern des Themas Bewohnergruppen und Beteiligung. Einen beachtlichen Anteil daran haben neben seinen Wohnungs- und Siedlungsbauten, Siedlungssanierungen und wissenschaftlichen Publikationen auch die Bähnelz-Geschichten, die spannend, hintergründig und unterhaltsam Widersprüche immer wieder so verdichten, dass sie darauf drängen, gelöst zu werden. In seiner letzten Bähnelz-Geschichte, „Schöne Grüße vom Minotaurus“, rücken B. und Laage teils asymptotisch zusammen, bleiben aber letztlich getrennt im alten Thema, das Laage hier so übersetzt: War Dädalus zu dumm oder zu feige, die richtige Labyrinth-Zeichnung seiner Sklavin Naphtalie zu realisieren? Er hatte die Wahl zwischen Gefängnis und Freiraum!
In diesem Konflikt hat Gerhart Laage ein Leben lang gekämpft. Er war sprichwörtlich ein „Zoon Politikon“, ein gesellschaftlich denkender Mensch. Trotzdem konnte man den Eindruck gewinnen, dass er – obwohl die Öffentlichkeit gewohnt – darin immer etwas scheu blieb. Doch für ihn stand der „Mensch im Mittelpunkt“ und dazu wollte oder musste er die Gesellschaft stets anstacheln. Noch in Gesprächen in seiner letzten Lebenswoche betonte er: „Architektur bekommt nur Sinn durch Menschen.“ Das war auch der Titel seiner späten Dissertation (2008). Das Thema beginnt selbstverständlicher zu werden, aber ein Menschenalter reicht nicht aus, um es zu emanzipieren: Es braucht Kontinuität. Die Spur dazu hat Gerhart Laage gelegt. Am 21. April, zwei Tage nach seinem 87. Geburtstag, ist er gestorben.
Auch Gerhart Laage, der in Braunschweig bei Friedrich Wilhelm Kraemer studiert hatte, war eigentlich eher die Laufbahn eines „Star-Architekten“ vorgezeichnet. Ein Frühwerk, seine Sonderschule in Hamburg (1955–59), wurde sogleich international gewürdigt. Der charismatische 1. Bürgermeister Hamburgs, Max Brauer, bat den jungen Architekten Mitte der 50er Jahre zum Gespräch ins Rathaus, hatte dieser doch die Räume der Arbeiter in der neuen Kattwyk-Gaskokerei in leuchtenden Farben streichen lassen. Architektur war für Max Brauer die Fortführung der Politik – für den jungen Gerhart Laage war dies eine der prägenden Begegnungen.
Den verlockenden Ruf zum Chef-Architekten der „Neuen Heimat“ lehnte Laage ab. Er bewarb sich aber um den Posten des Hamburger Oberbaudirektors, dort hätte er seine bereits reifenden Ideen der sozialen Stadt umsetzen wollen. Vielleicht war es ja genau das, was ihn nicht zum Zuge kommen ließ. 1963 wurde er zum Professor für Architekturtheorie an die TU Hannover berufen. Sein Thema blieb „Raum für soziales Leben“. Er hielt Kontakt zu Ralph Erskin, holte den mit Bewohnergruppen arbeitenden Architekten Eduardo Vargas aus Chile an sein Institut und entwickelte Quartiersplanung nach individuellen Bewohnermaßstäben. Sein von Kindheit an intensiver Austausch mit seinem Freund Helmut Schmidt, den sein berühmter Vater, Richard Laage, in Architektur unterrichtete, setzte sich fort, als Schmidt Bundeskanzler wurde. Gerhart Laage wurde – neben Rudolf Hillebrecht und Walter Rossow – dessen Berater für Architektur und Städtebau.
Ab 1960 war Gerhart Laage dreizehn Jahre lang im Hamburger BDA Vorstand, von 1990–92 Präsident der Bundesarchitektenkammer. Er gehörte zu den großen und frühen Bewegern des Themas Bewohnergruppen und Beteiligung. Einen beachtlichen Anteil daran haben neben seinen Wohnungs- und Siedlungsbauten, Siedlungssanierungen und wissenschaftlichen Publikationen auch die Bähnelz-Geschichten, die spannend, hintergründig und unterhaltsam Widersprüche immer wieder so verdichten, dass sie darauf drängen, gelöst zu werden. In seiner letzten Bähnelz-Geschichte, „Schöne Grüße vom Minotaurus“, rücken B. und Laage teils asymptotisch zusammen, bleiben aber letztlich getrennt im alten Thema, das Laage hier so übersetzt: War Dädalus zu dumm oder zu feige, die richtige Labyrinth-Zeichnung seiner Sklavin Naphtalie zu realisieren? Er hatte die Wahl zwischen Gefängnis und Freiraum!
In diesem Konflikt hat Gerhart Laage ein Leben lang gekämpft. Er war sprichwörtlich ein „Zoon Politikon“, ein gesellschaftlich denkender Mensch. Trotzdem konnte man den Eindruck gewinnen, dass er – obwohl die Öffentlichkeit gewohnt – darin immer etwas scheu blieb. Doch für ihn stand der „Mensch im Mittelpunkt“ und dazu wollte oder musste er die Gesellschaft stets anstacheln. Noch in Gesprächen in seiner letzten Lebenswoche betonte er: „Architektur bekommt nur Sinn durch Menschen.“ Das war auch der Titel seiner späten Dissertation (2008). Das Thema beginnt selbstverständlicher zu werden, aber ein Menschenalter reicht nicht aus, um es zu emanzipieren: Es braucht Kontinuität. Die Spur dazu hat Gerhart Laage gelegt. Am 21. April, zwei Tage nach seinem 87. Geburtstag, ist er gestorben.
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