Geschichten vom Wandel
Fotos von Roman Bezjak in Hannover
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Geschichten vom Wandel
Fotos von Roman Bezjak in Hannover
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Die überwiegend futuristisch anmutenden Großbauten und Ensembles, die Bezjak in Hannover zeigt – fotografiert hat er sie zwischen 2005 und 2010 –, können eine Menge über den Wandel in Osteuropa erzählen.
Es gibt Themen, die verbreiten sich wie Lauffeuer. So haben ganze Heerscharen von Fotografen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs die Bauten der Moderne im früheren Ost-Block als Sujet entdeckt. Erst Anfang dieses Jahres etwa machte der französische Journalist Frédéric Chaubin mit seinem schwergewichtigen Bildband „CCCP“ mit spektakulären Bauten aus der ehemaligen Sowjetunion Furore (Bauwelt 9.11). Nun also eine Ausstellung mit Fotografien zur „sozialistischen Moderne“ von Roman Bezjak im Sprengel-Museum in Hannover. Bezjak reist seit 1986 für Fotoreportagen um die Welt. Seit 2000 ist er Professor an der FH Bielefeld. Er gilt als Spezialist für die ehemaligen Ostblockländer, kennt er doch, 1962 im damals jugoslawischen Slowenien geboren und im Rheinland aufgewachsen, beide Seiten des Eisernen Vorhangs.
Die überwiegend futuristisch anmutenden Großbauten und Ensembles, die Bezjak in Hannover zeigt – fotografiert hat er sie zwischen 2005 und 2010 –, können eine Menge über den Wandel in Osteuropa erzählen. Das Warenhaus-Ensemble der Warschauer Marszałkowska-Ostwand (1961–69) mit der markanten Rotunde der PKO-Sparkasse zum Beispiel war seinerzeit das Symbol des „kleinen Wirtschaftswunders“ in der Ära von Parteichef Władysław Gomułka. Heute versinnbildlicht es den Übergang der Stadt vom Sozialismus zum Kapitalismus: Die Rotunde wird als riesige Litfaßsäule genutzt, die Fassade des einstigen „Universal“-Bürohauses ist vollflächig zur Plakatwand mutiert. Seit diese mit einer haushohen Coca-Cola-Werbung bespannt war, macht, ausgehend von einem bissigen Kommentar der Zeitschrift „Architektura Murator“, der Begriff der „Co-Ca-City“ – eine Communist-Capitalist-City, deren Transformation noch nicht abgeschlossen ist – an der Weichsel die Runde.
Verschwindendes Erbe
In einem riesigen, mit roten Sandstein-Quadern verkleideten Betonkomplex, der auf einem der Fotos zu sehen ist, klaffen an vielerlei Stellen mehrgeschossige Öffnungen. Auf den ersten Blick vermutet man den Versuch einer „Warmsanierung“. Tatsächlich handelt es sich um das Ensemble aus Generalstab und Verteidigungsministerium in Belgrad von Nikola Dobrovic (dem „serbischen Le Corbusier“), dessen Abriss nicht erst seit den Bombenschäden im Kosovokrieg diskutiert wird. Immer wieder auf Bezjaks Fotos: Plattenbauten – von der legendären (mittlerweile farbenfroh sanierten) 800 Meter langen „Welle“ in der Neubausiedlung Przymorze in Danzig bis hin zu 20-Geschossern in Zagreb. Die Warenhäuser, die Bezjak präsentiert, erinnern mit ihren Wabenstrukturen an die alten Horten-Fassaden. Und auch bei anderen Motiven kommen dem Betrachter durchaus westliche Pendants in den Sinn.
Das einzige deutsche Beispiel in der Ausstellung: ein Foto von 2007 von der „Blauen Brücke“ in Halle (Saale). Die Fußgängerbrücke über eine stark befahrene Straße ist seit langem marode, zur Sanierung fehlt das Geld. Teile wurden 2009 abgerissen; ein Rest der Brücke steht nur deshalb noch, weil der vollständige Abbruch weitere Kosten verursachen würde und Autofahrerlobbygruppen eine dann notwendige Fußgängerampel erfolgreich bekämpfen.
Für viele der Bauten auf Bezjaks Fotos sieht es schlecht aus, insbesondere, wenn ihre frühere Nutzung, etwa als Regierungsgebäude, sie stigmatisiert. Sie sind dem Verfall preisgegeben, von Zerstörung bedroht – oder inzwischen abgerissen. Hier liegt das große Verdienst solcher Foto-Dokumentationen: Sie bewahren das verschwindende Erbe einer ganzen Architekturepoche immerhin im Bild.
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